Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
1. Allgemeines
Tz. 300
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Latente Steuern und Steuern vom Einkommen und Ertrag sind in IFRS-Abschlüssen grundsätzlich nach IAS 12 zu bilanzieren. Gemäß IAS 1.16 sind die allgemeinen Vorschriften des IAS 12 auch auf Konzernabschlüsse anzuwenden.
Tz. 301
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IAS 12 basiert auf dem sog. temporary-Konzept (temporary differences; IAS 12.5). Das temporary-Konzept ist – im Unterschied zum GuV-orientierten timing-Konzept – ausschließlich bilanzorientiert (vgl. Coenenberg/Hille, DB 1997, S. 537). Beim bilanzorientierten temporary-Konzept wird grundsätzlich für jeden Vermögenswert bzw. jede Schuld der Wertansatz in der Handelsbilanz mit dem Wertansatz in der Steuerbilanz verglichen. In die Steuerabgrenzung ist danach grundsätzlich jede Bilanzierungs- oder Bewertungsdifferenz zwischen Handels- bzw. Konzernbilanz und Steuerbilanz einzubeziehen, unabhängig davon, ob (1) die Bilanzierungs- oder Bewertungsdifferenz erfolgsneutral entstanden ist und (2) wann sich die Unterschiede ausgleichen (IAS 12.15 u. IAS 12.24). Dabei führen temporary differences grundsätzlich zu einem Aktivierungsgebot bzw. Passivierungsgebot latenter Steuerposten im IFRS-Konzernabschluss.
Tz. 302
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Neben den im Einzelabschluss ggf. vorliegenden latenten Steuern können dabei im Konzernabschluss weitere latente Steuern entstehen, die entsprechend den Ebenen, auf denen sie entstehen können, unterteilt werden in
- inside basis differences I (Steuerlatenzen aufgrund von Abweichungen zwischen IFRS-Bilanz I und Steuerbilanz);
- inside basis differences II (Steuerlatenzen aufgrund von Anpassungen der IFRS-Bilanz I an konzerneinheitliche Bilanzierung und Bewertung (IFRS-Bilanz II));
- outside basis differences (Steuerlatenzen aufgrund von Unterschieden zwischen dem Nettovermögen im IFRS-Abschluss und dem steuerlichen Beteiligungswert beim Mutterunternehmen und aufgrund von Konsolidierungsmaßnahmen).
Wird bereits in der IFRS-Bilanz I nach konzerneinheitlichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden bilanziert, fallen die Stufen 1 und 2 zusammen.
Tz. 303
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 10 enthält in IFRS 10.B86 (c) lediglich Regelungen zur Steuerabgrenzung aufgrund von Konsolidierungsmaßnahmen (Stufe 3). Zur Steuerabgrenzung auf den Stufen 1 und 2 sind daher allein die Regelungen des IAS 12 heranzuziehen. IAS 12 fordert nach dem temporary-Konzept grundsätzlich immer dann eine Steuerabgrenzung, wenn der handelsrechtliche Buchwert eines Vermögenswertes bzw. einer Verbindlichkeit nach IFRS vom entsprechenden Wertansatz in der Steuerbilanz abweicht.
Tz. 303a
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Im März 2022 veröffentlichte die OECD Leitlinien zu einer globalen Mindestbesteuerung, die auch als 2. Säule bei der Bewältigung der Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft bezeichnet wird. Der IASB erkannte, dass hierdurch die Ermittlung der latenten Steuern nach IAS 12 sehr komplex werden könnte, insbesondere, wenn die OECD-Leitlinien in verschiedenen Ländern unterschiedlich schnell umgesetzt werden und zudem Unsicherheit bzgl. der weiteren Entwicklung besteht. Daher sieht IAS 12 (amend. 2023) ausgehend von ED/2023/1 International Tax Reform – Pillar Two Model Rules eine zeitlich begrenzte rückwirkende Ausnahmeregelung von IAS 12 vor, nach der Unternehmen keine aktiven und passiven latenten Steuern im Zusammenhang mit Ertragsteuern der 2. Säule der OECD-Leitlinien bilanzieren und dazu auch keine Angaben machen müssen, sondern vielmehr nur anzugeben haben, dass sie diese Ausnahme anwenden. Für Perioden, in denen Gesetze der 2. Säule der OECD-Leitlinien eingeführt wurden, aber noch nicht in Kraft sind, sieht IAS 12 (amend. 2023) begrenzte Angabepflichten vor (zB in welchen Ländern der effektive Unternehmensteuersatz bisher unterhalb der Mindestbesteuerung liegt, Informationen über die relevanten Gesetzesänderungen).
Tz. 304
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Im Folgenden wird lediglich auf die Erfassung der latenten Steuern im Konzernabschluss eingegangen. Zur Bewertung latenter Steuern (relevanter Steuersatz, Einzel- und Gruppenbewertung, zB durch Verwendung konzerneinheitlicher Durchschnittssteuersätze) sowie zur Methode der Abgrenzung latenter Steuern vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 12.
2. Konsolidierungsspezifische Steuerlatenzen
Tz. 305
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Nachdem aus den IFRS-Bilanzen II die Summenbilanz ermittelt worden ist, sind zur Erstellung der Konzernbilanz noch Konsolidierungsmaßnahmen iSd. Einheitsgrundsatzes des IFRS 10 Appendix A vorzunehmen. Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede (temporary differences) zwischen den Wertansätzen in der jeweiligen Steuerbilanz und der IFRS-Konzernbilanz können aus folgenden konsolidierungsspezifischen Maßnahmen resultieren:
1) |
Kapitalkonsolidierung, |
2) |
Schuldenkonsolidierung, |
3) |
Zwischenergebniseliminierung, |
4) |
Konzerninterne Gewinnausschüttung, |
5) |
Anwendung der Equity-Methode. |
Tz. 306
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Ad 1)
Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede und damit Steuerlatenzen aus der Kapitalkonsolidierung können gr...