Prof. Dr. Hanne Böckem, Dennis Bröcker
Tz. 76
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Einem kombinierten Abschluss folgt typischerweise nach Abschluss der rechtlichen Umstrukturierung und dem Übergang von der Kombinierungs- in die Konsolidierungslage ein konsolidierter Abschluss. Damit einher geht die Fragestellung, wie Brüche in der Finanzhistorie vermieden werden können, um Bilanzkontinuität beim Übergang von dem kombinierten Abschluss auf den Konzernabschluss nach IFRS 10 zu gewährleisten. Das IDW hat mit IDW RS HFA 50, IFRS 1 – M1 erstmals zu dieser Frage Stellung genommen und eine in der Praxis etablierte Vorgehensweise bestätigt. Die Modulverlautbarung zeigt auf Basis eines typisierten Sachverhalts auf, wie durch Wahlrechtsausübung die Buchwerte aus dem kombinierten Abschluss im konsolidierten Folgeabschluss fortgeführt werden können. Dabei wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
Abb. 8: Sachverhalt (IDW RS HFA 50, IFRS 1 – M1)
M stellt seit 2014 einen IFRS-Konzernabschluss auf. Der Konzernabschluss der M umfasst die Teilkonzerne T1, T2 und T3. T2 und T3 wurden 2013 durch die M erworben. Im Zuge der Erwerbsbilanzierung, insbesondere der Kaufpreisallokation nach den Grundsätzen des IFRS 3 wurden im Konzernabschluss von M signifikante stille Reserven aufgedeckt, miterworbene immaterielle Vermögenswerte sowie ein Geschäfts- oder Firmenwert angesetzt. Für 2021 ist der IPO der Teilkonzerne T2 und T3 geplant. Dazu wird im Jahr 2020 ein IPO Vehikel (IPO) gegründet und T3 noch 2019 im Wege der Sacheinlage in die IPO eingelegt. T2 wird Anfang im Jahr 2020 im Wege der Sacheinlage zu einem Tochterunternehmen der IPO. Für den Stichtag 31.12.2020 soll für Zwecke des Wertpapierprospektes ein kombinierter Abschluss nach IFRS erstellt werden, welcher die Teilkonzerne T2 und T3 umfasst.
Tz. 77
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
In der Modulverlautbarung wird unterstellt, dass der kombinierte Abschluss nach der extraction method erstellt wird, dh., dass der kombinierte Abschluss zum 31.12.2020 einen Ausschnitt aus dem übergeordneten Konzernabschluss von M darstellt. Entsprechend sind in den kombinierten Buchwerten auch Effekte aus übergeordneten Erwerben (hier aufgedeckte stille Reserven, immaterielle Vermögenswerte und ein Geschäfts- oder Firmenwert aufgrund der Erwerbe von T2 und T3 durch M in 2013) enthalten.
Tz. 78
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Der erste konsolidierte Abschluss der IPO zum 31.12.2021 ist dann nach den Grundsätzen des IFRS 1 als erster IFRS-Abschluss zu erstellen. Alternativ wäre es auch möglich, den kombinierten Abschluss zum 31.12.2020 als einen Abschluss einer neuen Berichtseinheit zu interpretieren und entsprechend IFRS 1 bereits im kombinierten Abschluss anzuwenden. Dann wäre folgerichtig der erste konsolidierte Abschluss zum 31.12.2021 kein IFRS-1-Abschluss, sondern eine Fortentwicklung des Abschlusses zum 31.12.2020. Diese alternative Abfolge ist ausführlich in Böckem et al., WPg 2020, S. 752ff. dargestellt.
Tz. 79
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Im Folgenden werden die wichtigsten Argumentationsmuster dargestellt. Zunächst ist festzuhalten, dass die rechtlichen Umstrukturierungen im Vorfeld eines Börsengangs typischerweise einem angestimmten Gesamtplan folgen und daher als einheitliche Transaktion (linked transaction) bilanziell als ein einzelner Erwerbsvorgang zu erfassen sind. Dies wird im Folgenden auch für die Einlagevorgänge von T2 und T3 in die IPO unterstellt. Folge ist, dass die Zugänge der T2 und T3 bei der IPO erst im Jahr 2021 nach Abschluss des zweiten Einlagevorganges erfasst werden. Zudem handelt es sich bei diesem Erwerbsvorgang um eine Business Combinations under Common Control (BCuCC), die explizit vom Anwendungsbereich des IFRS 3 ausgenommen ist (IFRS 3.2 (c)). Die IFRS enthalten keine Regelungen zur Abbildung von BCuCCs.
Tz. 80
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Nach herrschender Meinung kann die Abbildung einer BCuCC alternativ nach der Erwerbsmethode in analoger Anwendung IFRS 3 oder der Buchwertfortführungsmethode erfolgen (vgl. unter anderem IDW RS HFA 2, Tz. 15ff. sowie IDW RS HFA 50, IFRS 3, M – 2). Im Rahmen der Buchwertfortführungsmethode bestehen nach herrschender Meinung weiterhin folgende stetig anzuwendende Wahlrechte:
1) |
Buchwertwahlrecht, dh., es können sowohl die Buchwerte der übertragenen Einheit (hier T 2 und T3) als auch die aus einem übergeordneten Konzernabschluss (hier M, dann inkl. aufgedeckter stiller Reserven, immaterieller Vermögenswerte und einem Geschäfts- oder Firmenwert) angesetzt werden (vgl. KPMG, Insights into IFRS, 2021/22, 18. Aufl., 5.13.60.10); |
2) |
Wahlrecht, die Vergleichszahlen anzupassen, dh., der Zeitraum vor der BCuCC kann – soweit Common Control bestand – so dargestellt werden, als ob die kombinierte Einheit bereits bestanden hätte (vgl. IDW RS HFA 50, IFRS 1 – M1, S. 6 sowie KPMG, Insights into IFRS, 2021/22, 18. Aufl., 5.13.62.10). |
Tz. 81
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Durch entsprechende Wahlrechtsausübung kann der konsistente Übergang von dem kombinierten auf den konsolidierten Abschluss sichergestellt werden. Wenn ...