Prof. Dr. Hanne Böckem, Dennis Bröcker
Tz. 24
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Die Aufstellung von kombinierten Abschlüssen setzt die Existenz von Buchwerten für die zu kombinierenden Vermögenswerte und Schulden (sog. Buchwertbasis) für sämtliche Berichtsperioden voraus. Sofern es sich bei der kombinierten Berichtseinheit um einen Teilbereich eines übergeordneten Konzerns handelt, sind unterschiedliche Vorgehensweisen denkbar, um diese Buchwerte zu bestimmen. Sofern ein übergeordneter Konzernabschluss nach IFRS erstellt wurde, wird in der Praxis vielfach auf die Buchwertbasis aus dem übergeordneten Konzernabschluss abgestellt, die in den kombinierten Abschluss übernommen wird (sog. top-down approach). Fraglich ist jedoch, inwieweit nach IFRS die Effekte aus übergeordneten Unternehmenserwerben berücksichtigt werden dürfen. Ein übergeordneter Unternehmenserwerb ist dabei der Erwerb rechtlicher Einheiten innerhalb der kombinierten Einheit (die dadurch ganz oder teilweise erworben wird) durch ein Unternehmen, das in der Konzernhierarchie des übergeordneten Konzernabschlusses höherranging gegenüber der kombinierten Einheit und/oder nicht Teil der kombinierten Einheit ist. In der Bilanzierungspraxis haben sich zwei Vorgehensweisen etabliert.
Tz. 25
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Zum einen kann ein kombinierter Abschluss als erster IFRS-Abschluss einer neuen Berichtseinheit angesehen werden. Der kombinierte Abschluss ist dann im Anwendungsbereich von IFRS 1. IFRS 1.D16 enthält spezielle Regelungen für den Fall, dass ein Tochterunternehmen nach seinem Mutterunternehmen ein erstmaliger IFRS-Anwender wird. Nach IFRS 1.D16 besteht das Wahlrecht, entweder
- die Buchwerte aus dem übergeordneten Konzernabschluss unter Eliminierung von Konsolidierungseffekten und Effekten aus übergeordneten Erwerben anzusetzen (IFRS 1.D16 (a)): die Vorgehensweise entspricht vorbehaltlich der gebotenen Eliminierungen einem top down approach; oder
- die Buchwerte eigenständig in Anwendung der allgemeinen Regelungen in IFRS 1 (und damit vollständig retrospektiv) zu bestimmen (IFRS 1.D16 (b)). Die Vorgehensweise ist dann gleichwohl kein top down approach, weil die Buchwerte für die kombinierte Berichtseinheit nach den allgemeinen Grundsätzen (bottom up) ermittelt werden.
Tz. 26
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Voraussetzung für die Anwendung des IFRS 1.D16 (a) ist, dass das Tochterunternehmen bereits zum Umstellungs- resp. IFRS-Erstanwendungszeitpunkt des Mutterunternehmens ("based on the parent’s date of transition to IFRS") Bestandteil des Konzerns war. Wurde das Tochterunternehmen bspw. erst erworben, nachdem das Mutterunternehmen IFRS-Erstanwender war, ist die Anwendung des IFRS 1.D16 (a) nicht zulässig (vgl. PwC, MoA, 2021, FAQ 2.104.1).
Tz. 27
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Alternativ kann nach gängiger Auffassung im Rahmen eines top down approachs aber auch die sog. extraction method angewendet werden. Dabei wird argumentiert, dass die Berichtseinheit ein Ausschnitt aus dem übergeordneten Konzernabschluss darstellt und insofern die (unangepassten) Buchwerte aus dem übergeordneten Konzernabschluss zu übernehmen sind, also inklusive etwaiger aufgedeckter stiller Reserven, immaterieller Vermögenswerte und einem Geschäfts- oder Firmenwert aus übergeordneten Erwerben. Eine Anwendung der Ausnahmen und Befreiungen in IFRS 1 scheidet damit einhergehend aus. Nach einer gängigen Auffassung fällt dann der dem kombinierten Abschluss folgende Konzernabschluss in den Anwendungsbereich von IFRS 1, die übernommenen Buchwerte gehen dann aber regelmäßig im Rahmen einer common control-Transaktion (als laufender Geschäftsvorfall) nach dem Übergangszeitpunkt auf IFRS 1 zu und unterliegen damit nicht den Regelungen des IFRS 1 (vgl. Tz. 81).
Tz. 28
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Die unterschiedlichen Ansätze, die Buchwertbasis für kombinierte Abschlüsse zu ermitteln, sind in folgender Darstellung zusammengefasst (vgl. KPMG, IFRS visuell, 9. Aufl., S. 269):
Abb. 5: Aufstellungsansätze (KPMG, IFRS visuell, 9. Aufl., S. 269)