Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Reparaturaufwendungen infolge der Falschbetankung eines PKW auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind nicht als Werbungskosten abziehbar.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 EStG 2009, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 4 EStG 2009 i.d.F. des UntSt/RkVereinfG
Sachverhalt
K hatte auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle irrtümlich Benzin statt Diesel getankt und die dafür aufgewandten Reparaturkosten (4.200 EUR) im Rahmen der ESt-Erklärung neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend gemacht. Das FA lehnte ab. Das FG gab der Klage mit umfangreicher Begründung statt; es ließ die Reparaturkosten als Werbungskosten zum Abzug zu (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.4.2013, 9 K 218/12, Haufe-Index 4057484, EFG 2013, 1104).
Entscheidung
Der BFH hob – wie in den Praxis-Hinweisen erläutert – die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Hinweis
Für Aufwendungen, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (erste Tätigkeitsstätte) entstehen, gelten bekanntlich Besonderheiten. Die Aufwendungen sind nur mit der Entfernungspauschale anzusetzen. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG spricht von einer Abgeltungswirkung: "Zur Abgeltung dieser Aufwendungen" sind 0,30 EUR je Entfernungskilometer anzusetzen. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG wiederholt dies: durch die Entfernungspauschalen sind "sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte" veranlasst sind.
1. Das Revisionsverfahren hatte die Frage nach der Reichweite der Abgeltungswirkung aufgeworfen, nämlich ob trotz des klaren Wortlauts bestimmte Aufwendungen, insbesondere Unfallkosten und andere Missgeschicke, wie hier etwa das Falschbetanken, die Steuerpflichtige auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ereilen, nicht von der Abgeltungswirkung erfasst sind. Der BFH geht, gestützt auf den Wortlaut, von einer umfassenden Abgeltungswirkung aus, da das Gesetz von "sämtlichen" Aufwendungen spricht. Dies erspart die ohnehin schwierige Unterscheidung zwischen außergewöhnlichen und gewöhnlichen Kosten. Vor dem VZ 2001 galt zwar anderes. Aber seit Einführung einer Entfernungspauschale bestehen Ausnahmen nur noch für behinderte Menschen und öffentliche Verkehrsmittel. Die Entfernungspauschale sollte deutlich vereinfachen, indem der Aufwand nur noch pauschaliert und insbesondere "verkehrsmittelunabhängig" berücksichtigt wird. Ausdrücklich nannten die Materialien das Motiv, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, und erwähnten dabei ausdrücklich die Unfallkosten (BT-Drucks. 14/4242, S. 6; BT-Drucks. 14/4435, S. 9).
2. Damit scheint zwar alles klar. Aber für die Auffassung des FG sprachen ebenfalls gute Gründe. Denn der Bundestagsfinanzausschuss wollte genau das Gegenteil. "Eine Schlechterstellung der PKW-Fahrer" sollte vermieden werden (BT-Drucks. 14/4631, S. 11), die im Gesetzentwurf ausdrücklich enthaltene Regelung, die auch Unfallkosten vom Werbungskostenabzug ausschloss, wurde deshalb nicht Gesetz, aber die Regelungen "zur Abgeltung" blieben unverändert (s.o.). Das ist ein Lehrbuch-Beispiel für widersprüchliche Gesetzgebungsmaterialien. Angesichts dessen entschied der BFH dann auf Grundlage des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes.
3. Nachdem der BFH den Gesetzgeber auch nicht von Verfassungs wegen als verpflichtet angesehen hatte, eigens für außergewöhnlicher Aufwendungen dieser Art eine Ausnahmeregelung zu schaffen, war die Vorentscheidung nur noch aufheben und die Klage abweisen. Denn die so verstandene umfassende Abgeltungswirkung erfasst eben auch solche Reparaturaufwendungen infolge der Falschbetankung des PKW. Das war im Streitfall hier auch die Auffassung der Finanzverwaltung; die unterschied allerdings feinsinnig zwischen derartigen Reparaturkosten und Unfallkosten. Beachten Sie: Die Finanzverwaltung gestattet (noch) zugunsten des Steuerpflichtigen abweichend vom Gesetz die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Unfallkosten neben der Entfernungspauschale. Sie stützt sich auf die widersprüchlichen Materialien (s.o. und neuerdings BT-Drucks. 16/12099) und vertritt diese Auffassung auch noch gegenwärtig (H 9.10 LStH 2014).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.3.2014 – VI R 29/13