Pia Burkarth, Andrea Engelien
Mit dem Wissen um die psychologische Wirkung der agilen Welt und des agilen Mindsets, stellt sich die Frage, wie Führung zukünftig gelingen kann. Klassische Führung integriert fachliche, prozessuale und disziplinarische Aufgaben, wobei agile Führung diese häufig trennt. Oftmals werden die prozessuale Führung und die fachliche Führung unterschiedlichen Personen zugewiesen. Dies spiegelt sich beispielsweise im Scrum-Regelwerk wider. Hier hält der Scrum-Master die prozessuale Führung inne wobei der Product Owner die fachliche Führung übernimmt.
Inhaltlich umfassen die Aufgaben auch im agilen Kontext die Bereiche Führung, Management und Leitung:
- Führung stellt sicher, dass Teammitglieder wissen, was zu tun ist und warum.
- Die Management-Komponente sorgt dafür, dass Teammitglieder die Fähigkeiten und Mittel haben, ihre Aufgaben zu erfüllen.
- Leitung motiviert und fördert Teammitglieder. Zudem dient sie der Begleitung von Teams in verschiedenen Teamphasen.
Der Dreiklang dieser Bausteine findet sich auch in den Führungsaufgaben nach Malik wieder, die in ihrer ursprünglichen Form auf den agilen Kontext weiterentwickelt wurden (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Klassische Führungsaufgaben vs. Führung im agilen Kontext
Es wird deutlich, dass sich die Aufgaben der Führung im agilen Kontext ändern, die Teammitglieder werden befähigt und übernehmen mehr Verantwortung. Führung bleibt als Aufgabe bestehen, jedoch fällt es als hierarchisches Modell weg. Der höhere Sinn der Tätigkeit und das Ziel gewinnen an Bedeutung.
Führung als visionäres Element gibt die Richtung durch strukturelle Entscheidungen und Kommunikation von oben vor und bildet Narrative. Laterale Führung als rahmengebend und weichenstellend führt mit Blick auf Struktur durch komplexe Rahmenbedingungen. Innerhalb dieses Rahmens organisieren sich Menschen und treffen Entscheidungen. Laterale Führung mit Blick auf "People" fokussiert Teamgestaltung und Teamentwicklung und findet auf Augenhöhe statt. Teams werden befähigt, Ziele zu erreichen und sich zu verbessern, diese Art der Führung kann auf mehrere Rollen verteilt sein. Selbstführung und -organisation, die Fähigkeit sich selbst zu führen, ist erforderlich, um Verantwortung zu übernehmen. Sie erfordert eine konkrete Rollenbeschreibung, um in einem definierten Rahmen eigenständige Entscheidungen treffen zu können.
Beim Delegieren von Aufgaben und Entscheidungen können verschiedene Delegationsstufen unterschieden werden, welche auf die Handlungskompetenzen des Teammitglieds oder des Teams zugeschnitten sind.
Die sieben Delegationsstufen sind:
- Verkünden (= "Ich weise Dich an" = Die Führungskraft verkündet ihre Entscheidung),
- Verkaufen,
- Konsultieren,
- Einigen,
- Beraten,
- Erkundigen,
- Delegieren (= "Ich delegiere vollständig" = das Team trifft die Entscheidung autonom.
Je nach Aufgabe können unterschiedliche Delegationsstufen passend sein. Dies verdeutlicht, dass es keinen generischen Führungsstil gibt, sondern dieser individuell und spezifisch auf Teammitglieder oder Teams zugeschnitten werden sollte. Diese Aussage wird durch das Reifegradmodell unterstützt, welches jedes Teammitglied anhand von Motivation und Handlungskompetenz in einen spezifischen Quadranten einordnet (vgl. Abb. 4). Je nach Verortung handelt die Führungskraft anweisend, beratend oder coachend, was sich in die Delegationsstufen Anweisen, Verkaufen, Verhandeln oder Delegieren übersetzen lässt.
Abb. 4: Reifegradmodell
- Aufgaben werden im ersten Quadranten anweisend vergeben, dies bedeutet, dass die Aufgabe Schritt für Schritt mit vielen Kontrollpunkten übertragen wird.
- Im zweiten Quadranten wird die Aufgabe erläutert, in Teilaufgaben untergliedert und eine Lösung vorgeschlagen. Passend zu den Teilaufgaben werden Kontrollpunkte eingebaut.
- In der dritten Stufe wird gemeinsam ein Lösungsweg erarbeitet. Die Aufgabe wird in wenige Teilaufgaben aufgeteilt mit passenden Kontrollpunkten.
- Im vierten Quadranten wird die Aufgabe vollständig übertragen. Dies spiegelt einen situativen Führungsstil wider und die Zunahme der Verantwortungsübertragung von Führungskraft an Teammitglied mit wachsender Handlungskompetenz und Motivation. Dies ist eng mit der Entwicklung und Förderung von Teammitgliedern sowie der Selbstorganisation verknüpft. Hier steht der Mensch im Mittelpunkt.