Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger wird nachhaltig tätig, wenn zehn Personengesellschaften, an denen er beteiligt ist, in einer notariellen Urkunde, die eigenständige und voneinander unabhängige Kaufverträge beinhaltet, insgesamt zehn Grundstücke innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Erwerb an acht verschiedene Erwerber-Kapitalgesellschaften veräußern, selbst wenn diese Kapitalgesellschaften jeweils dieselbe Muttergesellschaft haben.
Normenkette
§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 2 Abs. 1 GewStG
Sachverhalt
Mit einem Vertrag veräußerten im Jahr 2006 46 vermögensverwaltende Personen- und Kapitalgesellschaften ihren Grundbesitz an insgesamt 23 erwerbende Kapitalgesellschaften. Alleingesellschafterin aller auf Erwerberseite auftretenden Kapitalgesellschaften war eine AG. Die Vertragsparteien erklärten, dass mit der notariellen Urkunde für jeden einzelnen Kaufgegenstand ein eigenständiger Kaufvertrag abgeschlossen werde und die einzelnen Kaufverträge in ihrem Bestand und ihrer Durchführung rechtlich voneinander unabhängig seien.
Der Kläger war seit 2001 an zehn der veräußernden GbR beteiligt. Das FA qualifizierte die von den zehn GbR erzielten Einkünfte auf der Ebene des Klägers in Einkünfte aus Gewerbebetrieb um. Das FG gab der Klage statt (Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.10.2012, 5 K 5212/10, Haufe-Index 5261797, EFG 2013, 1937). Der Kläger sei nicht nachhaltig tätig geworden, da allen Veräußerungen nur ein einziger Verkaufsentschluss zugrunde gelegen habe.
Entscheidung
Die Revision des FA war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Hinweis
Die Frage, wann eine Tätigkeit als gewerblicher Grundstückshandel zu qualifizieren ist, bleibt ein Dauerthema in der Rechtsprechung des BFH. Im Besprechungsurteil war zu entscheiden, ob die Veräußerung von zehn Objekten an unterschiedliche Erwerber im Rahmen eines einzigen Vertrags eine nachhaltige Tätigkeit darstellen kann.
1. Die Nachhaltigkeit stellt ein Tatbestandsmerkmal dar, das unabhängig vom Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze zu prüfen ist. Es dient vor allem dazu, nur gelegentliche Tätigkeiten von der Gewerblichkeit auszuschließen. Eine Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen, und sie objektiv erkennbar auf Wiederholung angelegt ist. Da die Wiederholungsabsicht eine innere Tatsache ist, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann, kommt den – nach außen tretenden – tatsächlichen Umständen besondere Bedeutung für die Beurteilung zu.
2. Der Verkauf mehrerer Objekte an verschiedene Erwerber wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung stets als nachhaltig angesehen. Dies gilt auch dann, wenn alle Verkäufe am selben Tag vorgenommen werden. Ebenso ist Nachhaltigkeit anzunehmen, wenn mehrere Objekte in verschiedenen Verträgen verkauft werden.
Im Gegensatz dazu wird die Veräußerung mehrerer Objekte an einen Erwerber im Grundsatz nicht als nachhaltig angesehen, und zwar unabhängig von der Zahl der in einem einzigen Vorgang veräußerten Objekte.
3. Im Streitfall wurde der Grundbesitz der verschiedenen Gesellschaften nicht an einen Erwerber veräußert, sondern an acht verschiedene Kapitalgesellschaften. Da jedes Verkaufsgeschäft eine sachliche (Verkaufsgegenstand) und eine personelle Komponente (Käufer) enthält, ist eine Nachhaltigkeit zu bejahen, wenn beide Komponenten mehrfach berührt werden, d.h. verschiedene Gegenstände an unterschiedliche Käufer verkauft werden. Wegen ihrer rechtlichen Selbstständigkeit macht es keinen Unterschied, wenn die erwerbenden Kapitalgesellschaften denselben Anteilseigner haben. Einen "Durchgriff" durch die juristische Person lehnt der BFH ab.
4. Der Besprechungsfall unterscheidet sich von dem Urteil des IV. Senats vom 7.10.2004, IV R 27/03 (BFHE 208, 147, BStBl II 2005, 164) dadurch, dass in dem dortigen Fall nicht mehrere Erwerber aufgetreten sind, sondern eine GbR einen umfangreichen Gebäudekomplex drei Jahre nach dem Erwerb in einem Vertrag an einen einzigen Erwerber verkauft hatte. In einem solchen Fall ist nach den Grundsätzen der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung die Nachhaltigkeit zu verneinen, wenn nicht aus anderen, besonderen Umständen auf eine Wiederholungsabsicht geschlossen werden kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.4.2015 – X R 25/13