Dipl.-Finanzwirt (FH) Willi Dittmann
Rz. 710
[Reisekosten bei beruflich veranlassten Auswärtstätigkeiten → Zeilen 68–80]
Reisekosten setzen eine so gut wie ausschließlich beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit voraus.
Unter einer "Auswärtstätigkeit" versteht man eine Tätigkeit außerhalb der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen und an welchem Ort ein Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte hat (→ Tz 661). Weitergehende Einzelfragen vgl. auch BMF, Schreiben v. 25.11.2020, IV C 5 – S 2353/19/10011:006, BStBl 2020 I S. 1228.
Rz. 711
Keine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn die erste Tätigkeitsstätte gewechselt wird.
Endgültige Versetzung
Ein Arbeitnehmer, der bisher seine erste Tätigkeitsstätte am Hauptbetriebssitz seines Arbeitgebers hatte, wird für zwei Monate an eine andere Betriebsstätte (Zweigstelle) seines Arbeitgebers abgeordnet. Nach der zweimonatigen Tätigkeit an der Zweigstelle erfolgt die endgültige Versetzung dorthin.
Während der zweimonatigen Abordnung liegt eine Auswärtstätigkeit mit Reisekostenabzug vor. Mit der Versetzung wird die Zweigstelle neue erste Tätigkeitsstätte, denn der Arbeitnehmer ist ab diesem Zeitpunkt dieser ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers auf Dauer fest zugeordnet und erbringt dort seine Arbeitsleistung.
Rz. 712
Hat ein Arbeitnehmer seine erste Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers und begibt sich von dort zu einer vorübergehenden auswärtigen Tätigkeitsstätte, beginnt die Auswärtstätigkeit erst mit dem Verlassen der ersten Tätigkeitsstätte.
Gerüstbauer mit Auswärtstätigkeit
Beispiel 1
Zum Aufgabenbereich eines Arbeitnehmers gehören Lagerarbeiten am Betriebssitz des Arbeitgebers sowie die Anlieferung und der Gerüstaufbau auf den Baustellen. Auf die Lagerarbeiten entfällt zeitlich ca. 40 % seiner Arbeitszeit.
Der Arbeitnehmer hat am Betriebssitz seines Arbeitgebers seine erste Tätigkeitsstätte. Er ist der Stelle zugeordnet und erbringt dort qualitativ und zeitlich (mehr als 1/3 der regelmäßigen Arbeitszeit) einen wesentlichen Teil seiner Arbeitsleistung. Damit beginnen seine Auswärtstätigkeiten erst, wenn er den Betriebssitz verlässt, und enden, wenn er zum Betriebssitz zurückkehrt.
Für die Fahrten von seiner Wohnung zum Betriebssitz sind Fahrtkosten nur mit der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) abzugsfähig. Die Fahrten vom Betriebssitz zu den Einsatzstellen und zurück zum Betrieb gehören zur Auswärtstätigkeit und führen zu Reisekosten. Die Dauer der Auswärtstätigkeit bemisst sich nach der Abwesenheit vom Standort des Betriebs.
Beispiel 2
Wie Beispiel 1, aber der Arbeitnehmer belädt am Betriebssitz nur das Fahrzeug (Dauer durchschnittlich 10 % seiner Arbeitszeit) und ist ansonsten an der jeweiligen Einsatzstelle tätig.
Da mangels Zuordnung (zeitliche Bedingungen nicht erfüllt) der Betriebssitz keine erste Tätigkeitsstätte ist, beginnt die Auswärtstätigkeit und damit der Reisekostenabzug für Fahrtkosten und Verpflegung mit dem Verlassen der Wohnung und endet mit der Rückkehr dahin. Bezüglich der Fahrtkosten ist ggf. die Sammelpunktregelung (→ Tz 713) zu beachten.
Rz. 713
Sonderfälle: Fahrten zu einem Sammeltreffpunkt und in weiträumige Arbeitsgebiete
Arbeitnehmer, die keine erste Tätigkeitsstätte haben, aber nach dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie Absprachen bzw. Weisungen des Arbeitgebers zur Aufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich einen festgelegten Ort aufsuchen (z. B. Busdepot bei Linienbusfahrern) können, obwohl mit Verlassen der Wohnung begrifflich eine Auswärtstätigkeit beginnt, die Fahrtkosten von der Wohnung zum Treffpunkt nur mit der Entfernungspauschale geltend machen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG; → Tz 663).
Besonderheiten gelten auch für Arbeitnehmer, die in einem weiträumigen Arbeitsgebiet tätig sind (→ Tz 662).
Rz. 714
Abzugsfähige Reisekosten
Abzugsfähig sind die Aufwendungen in den folgenden vier Kostengruppen:
- Fahrtkosten,
- Verpflegungsmehraufwendungen,
- Übernachtungskosten und
- Reisenebenkosten.
Grundsätzlich können die tatsächlichen Kosten angesetzt werden. Eine Ausnahme gilt bei den Verpflegungskosten.
Rz. 715
Fahrtkosten
Die angefallenen Aufwendungen sind in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG; → Tz 676). Damit sind bei Nutzung eines Firmenwagens keine Kosten abzugsfähig.
Ohne Einzelkostennachweis werden für private Verkehrsmittel (nicht öffentliche Verkehrsmittel) pauschal die im Bundesreisekostengesetz (BRKG) festgelegten Höchstsätze, 0,30 EUR/km bei Kfz-Nutzung und 0,20 EUR/km bei Nutzung anderer motorbetriebener Fahrzeuge, unabhängig von der Anzahl der mitgenommenen Personen, anerkannt (BFH, Urteil v. 11.2.2021, VI R 50/18, BFH/NV 2021 S. 853).
Der Kostenabzug gilt für alle Fahrten im Rahmen der Auswärtstätigkeit, auch mehrmals täglich. Begünstigt sind Fahrten zwischen:
- Wohnung und auswärtiger Tätigkeitsstätte und zurück
- mehreren auswärtigen Tätigkeitsstätten
- einer auswärtig...