Leitsatz
1. Aus der Getreide-Mitverantwortungsabgabenverordnung ergab sich die Pflicht zur Anmeldung nach dem Recht der ehemaligen DDR vermeintlich entstandener Getreide-Mitverantwortungsabgaben; eine solche Pflicht ist rein verfahrensrechtlicher Natur und vom materiell-rechtlichen Entstehen der zu berechnenden Abgabe unabhängig (Bestätigung des Urteils vom 29.10.2002, VII R 2/02, BStBl II 2003, 43).
2. Die Festsetzungsverjährung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe DDR richtet sich nach § 32 GetrMVAV.
Normenkette
§ 37 Abs. 2 AO , § 150 Abs. 1 Satz 3 AO , § 153 Abs. 1 AO , § 164 Abs. 2 und 4 AO , § 168 AO , § 169 Abs. 2 AO , § 170 Abs. 2 AO , § 12 MOG , § 32 GetrMVAV
Sachverhalt
Die ehemalige DDR hatte für Getreidelieferungen eine Mitverantwortungsabgabe nach gemeinschaftsrechtlichem Vorbild erheben wollen, die einschlägige Rechtsvorschrift jedoch nicht mehr formwirksam erlassen. Gleichwohl wurden die Abgaben von den HZA 1991 oder später angefordert und zumeist von den Betrieben auch angemeldet – im Streitfall allerdings erst 1993 – und abgeführt.
Als der BFH später die Nichtigkeit der DDR-Abgabevorschrift feststellte, wurde – von der Klägerin 1997 – die Erstattung der Mitverantwortungsabgaben beantragt. Das hatte vor dem FG Erfolg, weil dieses einen Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin verneinte; ihre Abgabeanmeldung habe keine (Festsetzungs-)Wirkung gehabt, weil es ja an einer Rechtsgrundlage für die Abgabeerhebung gefehlt habe.
Entscheidung
Der BFH hat die Klage abgewiesen. Die Anmeldung ist Rechtsgrundlage der Abgabezahlung. Ein Antrag auf deren Aufhebung (§ 164 Abs. 2 Satz 2 AO) ist zwar – stillschweigend – gestellt worden. Die Festsetzungsfrist war jedoch abgelaufen, als der Erstattungsantrag gestellt worden ist. Deshalb kann sie wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr geändert werden.
Hinweis
1.Erstattungsansprüche ergeben sich aus § 37 Abs. 2 AO auch für Zahlungen aufgrund DDR-Rechts, wenn Zahlungen ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind. Ein solcher Rechtsgrund kann sich u.a. aus einer Abgabeanmeldung ergeben, wenn diese gem. § 168 AO einer Abgabefestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht und nicht nichtig ist (dazu BFH, Urteil vom 7.2.2002, VII R 33/01, BFH-PR 2002, 239).
2. Eine Getreide-Mitverantwortungsabgabe für in der Zeit vor dem 2.10.1990 in der ehemaligen DDR gelieferte Getreidemengen ist nicht entstanden. Ein Grund für ein Behaltendürfen des HZA im Hinblick auf die gleichwohl gezahlten Abgaben kann also nur aus den dazu abgegebenen Anmeldungen folgen. Das setzt freilich voraus, dass die Abgabe der Anmeldung auf Grund gesetzlicher Vorschrift zu erfolgen hatte; eine gleichsam freiwillig abgegebene Abgabeanmeldung hat nämlich keine Festsetzungswirkung, sondern ist eine bloße Steuererklärung.
3. Eine Pflicht zur Anmeldung nach dem Recht der ehemaligen DDR vermeintlich entstandener Getreidemitverantwortungsabgaben ergab sich aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 GetrMVAV, und zwar – über den Wortlaut hinaus – auch für DDR-Abgaben (vgl. BFH, Urteil vom 29.10.2002, VII R 2/02, BFH-PR 2003, 112). Diese Pflicht zur Abgabe einer Abgabeanmeldung stand auch nicht etwa – wie das FG sinngemäß meinte – unter dem Vorbehalt, dass eine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Getreide-Mitverantwortungsabgaben/DDR tatsächlich besteht und rechtswirksam ist. Denn die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung mit Selbstberechnung der Steuer (Steueranmeldung, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO) ist stets rein verfahrensrechtlicher Natur und nicht vom materiell-rechtlichen Entstehen einer Abgabenschuld oder gar deren Höhe abhängig. Es ist gerade Sinn der Abgabeanmeldung (vorläufig oder mit Ablauf der Festsetzungsfrist oder Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts gem. § 164 Abs. 3 Satz 1 AO endgültig) die Abgabeschuld von ihrem materiell-rechtlichen Grund abzulösen und jeglichen Streit darüber abzuschneiden, ob und in welcher Höhe die Abgabe tatsächlich entstanden ist.
4. Eine Abgabeanmeldung kann nach § 164 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO als unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Abgabenfestsetzung jederzeit, aber nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) aufgehoben oder geändert werden.
5. Die Verjährung von Ansprüchen auf Getreide-Mitverantwortungsabgaben beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Abgabe anzumelden war (§ 32 GetrMVAV). Die Verjährungsfrist beträgt nach § 32 GetrMVAV fünf Jahre. § 12 MOG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO oder §169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung DDR, welche übereinstimmend die Frist auf vier Jahre bemessen, sie aber erst mit dem Ablauf des Kalenderjahrs beginnen lassen, in dem aufgrund gesetzlicher Vorschrift die Abgabeerklärung (tatsächlich) eingereicht wird, ist demgegenüber nicht anwendbar – die Anwendung hätte sich im Besprechunsfall entscheidend zugunsten der Klägerin ausgewirkt! – § 32 GetrMVAV enthält nämlich eine gegenüber der AO und der AO DDR vorrangige bereichsspezifische Regelung, welche die allgemeinen Verjährungsregeln verdrängt.
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