Leitsatz
Die (Nach‐)Entrichtung von Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung aufgrund eines Summenbescheids nach § 28f Abs. 2 SGB IV durch den Arbeitgeber führt nicht zu Arbeitslohn.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 28f, § 28g SGB IV, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 SvEV
Sachverhalt
Die Klägerin versteuert seit dem Jahr 2007 Sachzuwendungen an eigene Arbeitnehmer pauschal nach § 37b EStG. Hierbei handelte es sich im Streitzeitraum (1.1.2012 bis 31.12.2014) im Wesentlichen um Kosten für Veranstaltungen der Klägerin, beispielsweise um die Kosten einer Band bei einem "Get-together" im Rahmen einer Schulungsveranstaltung. Eine Zuordnung der Kosten auf die einzelnen Teilnehmer fand nicht statt. Die Klägerin ging zunächst davon aus, dass es sich bei den pauschal versteuerten Sachzuwendungen nicht um sozialversicherungspflichtiges Entgelt der Arbeitnehmer handele, und führte hierauf dementsprechend keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Auch in Kenntnis der Ergänzung von § 1 Abs. 1 Satz 1 SvEV um Nr. 14 (keine Beitragsfreiheit von nach § 37b EStG pauschal versteuerten Sachzuwendungen an eigene Arbeitnehmer) durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. b der Ersten Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung vom 18.11.2008 (BGBl I 2008, 2220) zum 1.1.2009, mit der die bis dahin umstrittene Frage durch den Verordnungsgeber entschieden wurde, änderte die Klägerin ihr Vorgehen nicht.
Um eine konzerneinheitliche sozialversicherungsrechtliche Behandlung pauschal versteuerter Sachzuwendungen an Arbeitnehmer herbeizuführen, traf die Konzernmutter der Klägerin mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) eine schriftliche Vereinbarung, nach der die Zuwendungen nicht individuell den betroffenen Lohnkonten zugerechnet werden, sondern die Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge über pauschalierte Summenbescheide gemäß § 28f Abs. 2 SGB IV erfolgt.
Das FA griff unter anderem diesen Sachverhalt im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin für den Streitzeitraum auf. Aus den entsprechenden Summenbescheiden der DRV Bund vom 19.12.2012, 3.6.2013 und 1.7.2014 ermittelte der Prüfer Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung i.H.v. … EUR für 2009, … EUR für 2010 und … EUR für 2011.
Diese Beträge unterwarf das FA der Nachversteuerung gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG und erließ mit Datum vom 22.7.2016 einen insoweit auf § 40 EStG gründenden Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid.
Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage, mit der die Klägerin die Änderung des Lohnsteuer-Nachforderungsbescheids betreffend die Nachversteuerung der pauschal bemessenen Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag begehrte, gab das FG statt (FG Köln Urteil vom 24.1.2020, 1 K 1041/17, Haufe-Index 13775837, EFG 2020, 728).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH zurückgewiesen. Das FG habe die Lohnsteuernachforderung zu Recht um die Beträge herabgesetzt, die auf den Prüfungsfeststellungen "Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung durch pauschale Beitragsentrichtungen an die Sozialversicherungsträger" beruhten.
Hinweis
1. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann das FA auf Antrag zulassen, dass die Lohnsteuer nach einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschsteuersatz erhoben wird, wenn in einer größeren Zahl von Fällen der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig, das heißt nicht nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 38a EStG, bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einbehalten hat.
2. Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers gehören. Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang wirtschaftlich betrachtet so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (BFH, Urteil v. 24.8.2017, VI R 58/15, BFH/NV 2018, 98, Haufe-Index 11353598 m.w.N.).
3. Demgemäß sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch die Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung (Gesamtsozialversicherung) als Gegenleistung für die Erbringung der Arbeitsleistung und damit als Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG anzusehen. Zwar hat der Arbeitgeber als alleiniger Schuldner den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen und durch Lohnabzug beim Arbeitnehmer einzubehalten; wirtschaftlich hat aber der Arbeitnehmer die Beiträge zur Gesamtsozialversicherung zur Hälfte (Arbeitnehmeranteil) aus dem ihm zustehenden Bruttoentgelt zu tragen. Der einbehaltene Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung ist danach ein d...