Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten auffälligen Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Die Umkleidezeiten sind Teil der "versprochenen Dienste" des Arbeitnehmers i. S. v. § 611a Abs. 1 BGB und werden dem Arbeitnehmer kraft Weisungsrecht abverlangt. Zur Arbeitspflicht gehört jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Dazu gehört auch das An- und Ablegen besonderer Arbeitskleidung. Dies ist etwa der Fall bei der Verpflichtung zum Tragen einheitlicher, auffälliger Dienstkleidung, z. B. mit dem Logo und den Markenfarben des Arbeitgebers. Auffällig ist die Arbeitskleidung jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Gestaltung objektiv einem bestimmten Berufszweig, einer bestimmten Branche oder einem bestimmten Arbeitgeber zugeordnet wird.
Steht fest, dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, ist der dafür erforderliche zeitliche Umfang zu bestimmen. Dabei kommt es nicht auf die arbeitszeitrechtliche Qualifizierung der Tätigkeit als "Arbeitszeit" an. Da der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen darf, kann nur die Zeitspanne angesetzt werden, die für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist (sog. modifiziert subjektiver Maßstab). Zu berücksichtigen sind dabei die – u. U. wechselnden – Umstände des Einzelfalls. Der Arbeitnehmer muss im Streitfall die erbrachten Umkleidezeiten substanziiert vortragen; dabei genügt nicht der Verweis auf entsprechende Aufstellungen in einer Anlage. Kann der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 ZPO schätzen. Der Arbeitnehmer hat nach § 611a BGB Anspruch auf Vergütung der Zeit, die für die Auswahl, Anprobe und Entgegennahme der Dienstkleidung, die mit seiner eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt und ausschließlich den Interessen des Arbeitgebers dient, sowie für die innerbetrieblichen Wege zu und von einer eventuellen Kleidungs-Ausgabestelle erforderlich ist.
Die Vergütungspflicht für das außerbetriebliche, insbesondere häusliche Anlegen der Arbeitskleidung beurteilt sich anhand der Kriterien Fremdnützigkeit und Zumutbarkeit. Keine Vergütungspflicht besteht, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitskleidung bereits zu Hause anzieht und diese – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Arbeitsweg getragen werden kann. Der Arbeitnehmer spart insoweit den Einsatz eigener Kleidung ein, wodurch es an der reinen Fremdnützigkeit der Tätigkeit fehlt. Diese Fremdnützigkeit fehlt nach der Rechtsprechung des BAG sogar dann, wenn es sich bei der zu Hause angezogenen Arbeitskleidung um besonders auffällige, typischerweise den Arbeitgeber kennzeichnende Kleidung handelt. Die Vergütungspflicht entfällt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die ihm vom Arbeitgeber dienstlich zur Verfügung gestellten Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeiten nicht nutzt, sondern Kleidung und Ausrüstung im privaten Bereich lagert und anzieht. Vergütungspflichtig ist jedoch der dadurch (fiktiv) eingesparte Zeitanteil, der ansonsten durch den Umweg von der angebotenen Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit zum eigentlichen Dienstort entstehen würde. Dagegen soll es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar sein, besonders stark verschmutzte Arbeitskleidung auch auf dem Arbeitsweg tragen zu müssen. In diesem Fall sei ein Wechseln der Kleidung vergütungspflichtig.
Ein Entgeltanspruch kann aber durch Tarifvertrag oder allgemeine Arbeitsbedingungen ausgeschlossen werden. Erforderlich ist dafür aber eine eindeutige und klare Regelung. Dies gilt auch für tarifvertragliche Normen. Eine Klausel, wonach die Vergütungspflicht mit "Aufnahme der Tätigkeit" beginnt, enthält keinen Ausschluss von Umkleidezeiten, weil nicht erkennbar ist, was unter Aufnahme der Tätigkeit zu verstehen ist. Die Formulierung in allgemeinen Arbeitsbedingungen, nach denen die Umkleidezeiten "leistungsvergütungsfrei" sind, kann den Entgeltanspruch nach Ansicht des BAG auch dann nicht ausschließen, wenn überhaupt keine leistungsbezogene Vergütungsbestandteile gezahlt werden. Die Vergütungspflicht für die Tätigkeit "nach Dienstanweisung" spricht für die Einbeziehung der Umkleidezeiten in die Vergütung. Eine Klausel, nach der der Arbeitgeber zur unentgeltlichen Bereitstellung der Dienstkleidung und der Arbeitnehmer zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet wird, enthält keinen (konkludenten) Ausschluss...