Leitsatz
1. Macht ein Steuerpflichtiger nachträglich für geleistete Dienste wegen fehlgeschlagener Vergütungserwartung (Hofübergabe) vor dem Arbeitsgericht mit Erfolg eine Vergütung geltend, begründet dies noch nicht die Feststellung, er sei auch im steuerlichen Sinn von Anfang an als Arbeitnehmer anzusehen.
2. Eine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst (Anschluss an BFH, Urteile vom 21.09.1982, VIII R 73/79, BStBl II 1983, 201, und vom 21.09.2004, IX R 13/02, BStBl II 2005, 44).
Normenkette
§ 13, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3 EStG, § 612 Abs. 2 BGB
Sachverhalt
Der Kläger war von 1967 bis 1990 als Landwirtschaftsmeister im Betrieb seines Vaters tätig. Für diese Tätigkeit wurde ihm die spätere Übernahme des väterlichen Hofs in Aussicht gestellt. Im Hinblick darauf erhielt er während seiner Mitarbeit nur Taschengeld und Naturalleistungen. Nachdem die ihm zugesagte Hofübergabe nicht zustande gekommen war, verklagte der Kläger seinen Vater vor dem ArbG erfolgreich auf Zahlung einer angemessenen Vergütung (rd. 410 000 DM).
Das FA behandelte den Gesamtbetrag als Arbeitslohn für mehrere Jahre (§ 34 Abs. 1 EStG). Mit der Klage machte der Kläger geltend, es handle sich um eine private, nichtsteuerbare Vermögensmehrung. Das FG bestätigte die Auffassung des FA; es liege Arbeitslohn vor (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.11.2004, 7 K 164/02, Haufe-Index 1451754, EFG 2006, 43).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers im Ergebnis als unbegründet zurück. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer gewesen, sondern habe nur auf familienrechtlicher Grundlage im Hof des Vaters mitgearbeitet. Aus der Eigenart des arbeitsrechtlichen Ersatzanspruchs wegen "fehlgeschlagener Vergütungserwartung" könne nicht auf ein steuerliches Dienstverhältnis geschlossen werden; denn ein Dienstverhältnis sei ein tatsächlicher Zustand, der nicht rückwirkend hergestellt werden könne. Auch die Merkmale eines unter nahen Angehörigen steuerlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisses lägen ebenso wenig vor wie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die Zahlungen seien jedoch als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen, denn der Kläger habe seine Tätigkeit der Erwerbssphäre zugeordnet.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil macht einmal mehr deutlich, dass ein Rechtsgebiet (hier: Zivilrecht) Charakteristiken ausweisen kann, die nicht ohne Weiteres auf ein anderes Rechtsgebiet (hier: Steuerrecht) übertragen werden können. Aus der Eigenständigkeit des Steuerrechts (als Teil des öffentlichen Rechts) können sich Unterschiede z.B. zum Zivilrecht ergeben. So deckt sich etwa der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff nicht mit dem des Arbeit- oder Sozialrechts (ständige Rechtsprechung).
2. Im Streitfall hatte ein Sohn über 20 Jahre lang im elterlichen Betrieb lediglich auf familiärer Grundlage und ohne Arbeitslohn mitgearbeitet. Dem Sohn war allerdings die Übernahme des Hofs in Aussicht gestellt worden. Nachdem die geplante Hofübergabe scheiterte, verklagte der Sohn seinen Vater erfolgreich auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Mitarbeit in den vergangenen Jahren. Dem Sohn wurden Nachzahlungen aufgrund "fehlgeschlagener Vergütungserwartungen" zugestanden.
Die Eigenart solcher Fälle, für die das BAG dieses Rechtsinstitut entwickelt hat, liegt u.a. darin, dass als Gegenleistung für geleistete Dienste die Übergabe eines Vermögens in Aussicht gestellt wird, ein rechtswirksamer Anspruch hierauf jedoch nicht begründet wird. Trotz dieses fehlenden Rechtsanspruchs auf Gegenleistung soll der Arbeitnehmer jedoch nicht schutzlos bleiben, sondern im Fall der Nichterfüllung seiner Vergütungserwartung ersatzweise nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung erhalten (BAG, Urteil vom 20.09.1978, 5 AZR 365/77, DB 1979, 409).
3. Aus diesem "ersatzweise" zugesprochenen Vergütungsanspruch kann indessen nicht ohne Weiteres auf ein steuerrechtliches Dienst- bzw. Arbeitverhältnis geschlossen werden. Denn die Voraussetzungen, die ein solches Verhältnis begründen, müssen in dem jeweiligen Streitjahr tatsächlich vorliegen und können nicht rückwirkend hergestellt werden.
4. Mangels Vorliegen insbesondere von Einkünften nach § 19 EStG hat der BFH deshalb im Streitfall folgerichtig geprüft, ob die subsidiäre Vorschrift des § 22 Nr. 3 EStG eingreift. Dies hat der BFH bejaht. Dabei konnte er sich insbesondere auf das BFH-Urteil vom 21.09.2004, IX R 13/02, BFH/PR 2005, 60 stützen. Danach ist eine (sonstige) Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst; es kommt entscheidend darauf an, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.05.2008, VI R 50/05