Leitsatz
1. Bei Arbeitsverträgen zwischen nahen Angehörigen ist die Intensität der erforderlichen Prüfung der Fremdüblichkeit der Vertragsbedingungen auch vom Anlass des Vertragsschlusses abhängig.
2. Leistet der als Arbeitnehmer beschäftigte Angehörige unbezahlte Mehrarbeit über seine vertragliche Stundenzahl hinaus, steht dies der Annahme, das Arbeitsverhältnis sei tatsächlich durchgeführt worden, grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes gilt nur, wenn die vereinbarte Vergütung schlechterdings nicht mehr als Gegenleistung für die Tätigkeit des Angehörigen angesehen werden kann und deshalb auf das Fehlen eines Rechtsbindungswillens zu schließen ist.
3. Die unterbliebene Führung von Arbeitszeitnachweisen betrifft – sofern nicht aus einem betriebsinternen Fremdvergleich Gegenteiliges folgt – in der Regel nicht die Frage der Fremdüblichkeit der Arbeitsbedingungen, sondern hat vorrangig Bedeutung für den dem Steuerpflichtigen obliegenden Nachweis, dass der Angehörige tatsächlich Arbeitsleistungen jedenfalls in dem vertraglich vereinbarten Umfang erbracht hat (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 21.1.1999, IV R 15/98, BFH/NV 1999, 919).
Normenkette
§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Werbeagentur. In der Aufbauphase schloss er mit seinem Vater V, einem Rentner, einen Arbeitsvertrag ab, wonach V als Bürohilfskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden zu einem Monatslohn von 400 EUR eingestellt wurde. Auch seine Mutter M, die ein kleineres Gartenpflegeunternehmen betrieb, sollte als Bürohilfskraft mit zehn Wochenstunden tätig werden, allerdings nur einen Monatslohn von 200 EUR erhalten. Etwas später wurde ihre Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden und der Monatslohn auf 800 EUR erhöht, womit dieses Beschäftigungsverhältnis regulär sozialversicherungspflichtig wurde. Die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften wurden vom Kläger beachtet. Das FA erkannte den Betriebsausgabenabzug für die an V und M gezahlten Arbeitslöhne nicht an, weil keine Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten geführt worden seien. Das FG wies dagegen die Klage mit der Begründung ab, die Arbeitsverhältnisse seien tatsächlich nicht wie vereinbart durchgeführt worden, da V und M mehr als die vereinbarten Wochenstunden gearbeitet hätten (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.3.2012, 5 K 1815/10, Haufe-Index 3441742, EFG 2013, 15).
Entscheidung
In Bezug auf den Abzug des Arbeitslohns für V hatte die Revision des Klägers aus den oben aufgezeigten Gründen Erfolg. Da die Feststellungen des FG hinsichtlich der Arbeitsleistung der M widersprüchlich waren, verwies der BFH die Sache an das FG zurück.
Hinweis
"Zu viel arbeiten schadet nicht!" Auf diesen kurzen Nenner kann man das Ergebnis dieses Besprechungsurteils hinsichtlich der Anerkennung von Arbeitsverträgen zwischen nahen Angehörigen bringen.
1. Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung sind Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen als Betriebsausgaben abziehbar, wenn (1) der Angehörige aufgrund eines wirksamen, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechenden Arbeitsvertrags beschäftigt wird, (2) die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und (3) der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt.
2. Die Intensität der erforderlichen Prüfung der Fremdüblichkeit der Vertragsbedingungen hängt auch vom Anlass des Vertragsschlusses ab. Hätte der Steuerpflichtige im Falle der Nichtbeschäftigung seines Angehörigen einen fremden Dritten einstellen müssen, ist der Fremdvergleich weniger strikt durchzuführen, als wenn der Angehörige für solche Tätigkeiten eingestellt wird, die üblicherweise vom Steuerpflichtigen selbst oder unentgeltlich von Familienangehörigen erledigt werden.
3. Leistet ein Angehörigen-Arbeitnehmer unbezahlte Mehrarbeit, lässt dies die vollständige Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht unberührt. Die freiwillige Mehrarbeit kann aus dem Arbeitsverhältnis abgespalten und der familiären Nähebeziehung zugeordnet werden, ohne dass sich daraus in Bezug auf die steuerrechtliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses Konsequenzen ergeben, die für den Steuerpflichtigen nachteilig sind.
4. Entsprechendes gilt nach ständiger BFH-Rechtsprechung, wenn mit einem Angehörigen-Arbeitnehmer nur eine deutlich unterhalb des Fremdvergleichslohns liegende Vergütung vereinbart wird. Der BFH zieht auch hier die Ernsthaftigkeit eines solchen Angehörigen-Arbeitsvertrags nicht in Zweifel (vgl. z.B. Urteil vom 26.8.2004, IV R 68/02, BFH/NV 2005, 553).
5. Bei beiden Fallgruppen ist das Äquivalenzverhältnis zwischen dem Umfang der Arbeitsleistung und der dafür bezogenen Vergütung im Vergleich zu dem zwischen fremden Dritten Üblichen jeweils zugunsten des Steuerpflichtigen und damit zulasten des von ihm beschäftigten Angehörigen verschoben. Für die Anerkennung des Angehörigen-Arbeitsverhältnisses, bei der es entscheidend um die Abgrenzung zwischen Betriebsaus...