OFD Frankfurt, Verfügung v. 3.11.2008, S 2241 A - 37 - St 213
A. Abgrenzung zur typisch stillen Gesellschaft
I. Allgemeines
Gewinnanteile aus einer stillen Beteiligung an einem Handelsgewerbe im Sinne der §§ 230 ff. HGB stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen dar, es sei denn, dass der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
Bei der Prüfung, ob eine stille Gesellschaft als Mitunternehmerschaft – sog. atypische stille Gesellschaft – zu behandeln ist, sind neben den allgemeinen Grundsätzen (vgl. H 15.8 Abs. 1 EStH 2007, „Mitunternehmerinitiative, Mitunternehmerrisiko, Stiller Gesellschafter”) folgende Gesichtspunkte zu beachten:
Die Frage, ob eine atypische oder eine typische stille Gesellschaft vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Danach reicht es für die Annahme einer atypischen stillen Gesellschaft jedenfalls nicht aus, dass sie lediglich im Vertragswerk als solche bezeichnet wird. Maßgebend ist vielmehr, welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag im einzelnen enthält und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Wirkungen diese Regelungen im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe seiner Besonderheiten haben (BFH-Urteil vom 18.2.1993, BFH/NV 1993 S. 647 m.w.N.).
Aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung ist die Mitunternehmerstellung eines Beteiligten nicht nur anhand des Vertrags über die stille Gesellschaft zu beurteilen. In die Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind vielmehr auch darüber hinausgehende wirtschaftliche und rechtliche Beziehungen zwischen dem Stpfl. und der Gesellschaft, wie z.B. ein Geschäftsführungsvertrag, Pacht- und Darlehensverträge oder eine direkte bzw. indirekte Beteiligung am Inhaber des Handelsgeschäfts (z.B. einer GmbH oder GmbH & Co. KG) selbst (BFH-Urteil vom 20.11.1990, BB 1991 S. 1022).
B. Mitunternehmerschaft
I. Allgemeines
Ein stiller Gesellschafter ist dann Mitunternehmer, wenn er Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Für die Annahme einer Mitunternehmerschaft müssen zwar beide Merkmale vorliegen, können aber mehr oder weniger ausgeprägt sein. Eine schwach ausgeprägte Mitunternehmerinitiative reicht für die Annahme einer Mitunternehmerstellung aus, wenn das Mitunternehmerrisiko besonders stark ausgeprägt ist und umgekehrt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11.12.1990, BB 1991 S. 1023, m.w.N.).
II. Mitunternehmerrisiko
Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt.
Eine solche Beteiligung kann allerdings dann keine Mitunternehmerschaft begründen, wenn sie keine wirtschaftliche Bedeutung hat, weil von vornherein nur eine lediglich theoretische, kaum realitätsbezogene Möglichkeit besteht, dass sich stille Reserven bilden und der stille Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft einen Anteil hieran erlangt (BFH-Urteil vom 18.2.1993, a.a.O., mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 22.1.1981, BStBl 1982 II S. 424).
Der Geschäftswert muss nach Methoden berechnet werden, die im Geschäftsverkehr bei der Bewertung von Unternehmen gebräuchlich sind; die Vereinbarung einer hiervon abweichenden Globalabfindung genügt nicht (BFH-Urteil vom 27.5.1993, BStBl 1994 II S. 700 mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 25.6.1981, BStBl 1982 II S. 59). Sind im Unternehmen nur durchschnittliche oder geringe Beträge zu erwarten, kann die Bewertung auch nach dem Stuttgarter Verfahren durchgeführt werden (BFH-Urteil vom 7.12.1989, BFH/NV 1991 S. 364).
Können die stillen Gesellschafter wie Darlehensgeber über die ihnen zustehenden Gewinnanteile ohne Rücksicht auf den Stand ihrer Beteiligung verfügen, ist also insbesondere die in § 232 Abs. 2 HGB ebenso wie in § 169 Abs. 1 HGB für den Kommanditisten vorgesehene Verpflichtung zur Auffüllung der durch Verlust geminderten Kapitalkonten abbedungen, so bleibt ihr unternehmerisches Risiko sogar hinter dem eines typischen stillen Gesellschafters zurück (BFH-Beschluss vom 9.6.1982, IV B 11/82 – nicht veröffentlicht).
Ist ein stiller Gesellschafter am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt, so ist er bereits dann Mitunternehmer, wenn er annähernd die Rechte hat, die einem stillen Gesellschafter nach dem Regelstatut des HGB zustehen. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Einsichts- und Kontrollrechte des § 233 HGB (BFH-Urteil vom 11.12.1990, a.a.O. unter c.).
III. Mitunternehmerinitiative
Ist das Mitunternehmerrisiko dagegen weniger stark ausgeprägt, kann dies durch eine verstärkte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werden. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BFH die Beteiligung am Verlust, an den stillen Reserven und am Geschäftswert für die Annahme einer Mitunternehmerschaft dann entbe...