Karl-Heinz Steinke, Dr. Walter Schmidt
In den ersten 3 Kapiteln wurde aufgezeigt, wie wir den aktuellen Entwicklungsstand im Controlling einschätzen. Dieses Kapitel versucht zu zeigen, welche Trends in Richtung Controlling 4.0 sich – darauf aufbauend – bereits abzeichnen. Dabei stellen sich nicht nur Fragen der Digitalisierung und Vernetzung und hieraus resultierender disruptiver Veränderungen neu. Es geht auch um die Integration neuer Anforderungen für eine nachhaltige und verantwortbare Unternehmenspolitik in einer anhaltend volatilen Welt. Dabei geht es nicht nur um einen neuen Umgang mit Kennzahlen oder neuen Instrumenten des Controllings. Tradierte Einstellungen und Sichtweisen müssen hinterfragt, gewohnte Abläufe und Strukturen infrage gestellt werden. Das bedeutet: Es geht auch um eine Veränderung der Controllingkultur. Noch ist nicht absehbar, ob sich alle der nachstehend aufgeführten Trends durchsetzen werden. Aber alle am Controlling Beteiligten sind gut beraten, die Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und sich auf die damit einhergehenden Veränderungen rechtzeitig einzustellen.
Alle Trends werden beeinflusst von der Geschwindigkeit und dem Grad, wie sich Digitalisierung und Vernetzung weiterentwickeln. Anfang 2017 hat das vom internationalen Big-Data-Experten Bernard Marr geleitete Advanced Performance Institute (Großbritannien) 6 Schlüsselfaktoren benannt
- Die Art, wie wir mit Maschinen kommunizieren, verändert sich grundlegend (wirksame Schlüsseltechnologien: Internet of Things, machine learning, virtual and augmented reality, voice recognition, natural language processing, automated vehicles, wearables);
- Das Kundenverhalten entwickelt sich ständig weiter und die Menschen präferieren Marken, die dieser Entwicklung folgen können (wirksame Schlüsseltechnologien: predictive analytics, machine learning, distributed computing, clickstream analytics, sensors);
- Die Veränderungen in der technologischen Gestaltung der Arbeitsplätze kann Mitarbeiter motivieren und belohnen oder entmutigen (wirksame Schlüsseltechnologien: wearables, predictive analytics, influence algorithms);
- Effektive Prognosen von Fehlern und Ausfällen werden zunehmend die Informationsbasis und Automatisierung der Geschäftsprozesse beeinflussen (wirksame Schlüsseltechnologien: predictive analytics, machine learning, Internet of Things);
- Blockchain oder ähnliche Technologien können der nächste große Disruptor (Anstoß für grundlegende Veränderungen) sein (wirksame Schlüsseltechnologien: blockchain, distributed computing, Internet of Things);
- Die Zahl der großen Gewinner aus App-getriebenen Geschäftsmodellen wird abnehmen und neue Anwendungen werden weniger akzeptiert (wirksame Schlüsseltechnologien: social media, mobile web, instant messaging).
Diese Faktoren werden auch die Veränderungen im Controlling beeinflussen, auf die wir im Folgenden eingehen wollen. Controller sollten sich mit diesen Faktoren beschäftigen und zumindest die Prinzipien und grundsätzlichen Wirkungen der sie tragenden Technologien verstehen. Nur dann können sie neue Geschäftsmodelle mitentwickeln, die auf diesen Prinzipien beruhen.
Ein Onlineshop bspw. darf ja nicht nur eine Webausgabe des analogen Verkaufskatalogs sein, verbunden mit ein paar Möglichkeiten interaktiver Kommunikation mit Kunden.
- Er muss das Surfverhalten der Nutzer erfassen und analysieren können.
- Er muss diese Daten mit anderen Faktoren verknüpfen können, die für das Kaufverhalten und seine Vorhersage wichtig sind – Diskussionen in sozialen Medien, Daten aus globalen Verkaufsportalen, lokale Besonderheiten (z. B. das aktuelle Wetter, interessante Events) und deren Zuordnung zu den Nutzern sowie das Erkennen wiederkehrender Muster.
- Er muss mit anderen Fertigungs-, Liefer- und Rücknahmeprozessen verbunden werden, die wesentlich schneller und reibungsloser ablaufen – andernfalls wenden sich die Nutzer anderen Onlineangeboten zu.
- Er muss täglich, mitunter sogar stündlich aktualisiert und erneuert werden. Dafür sind Verkaufsmitarbeiter erforderlich, die Spaß an solchen Arbeitsplätzen und Tätigkeiten entwickeln und bereit sind, sich das jeweils neueste analytische Wissen auf diesem Gebiet durch ständige Weiterentwicklung anzueignen.
- Er muss unkomplizierte Bestell-, Bezahl- und Beurteilungsfunktionen bereitstellen, damit der Kunde – wenn er bereit ist zu kaufen – das mit wenigen Klicks realisieren kann.
- Er muss gegenüber allen Beteiligten die durchgehende Datensicherheit gewährleisten.
- Er muss nach einer zu definierenden Anlaufphase in der Lage sein, zumindest seine Kosten wieder einzuspielen.
- Und das übrige Geschäft muss genügend Überschüsse erwirtschaften, um die Investitionen in den Aufbau und die erste Phase des Betreibens eines Onlineshops finanzieren zu können.
Der Controller muss nicht für alle Punkte eine konkrete Lösung erarbeiten. Aber er muss den Prozess koordinieren und moderieren können, in dessen Ergebnis ein Geschäftsmodell für den Onlineshop entsteht, das all diese Punkte (und eventuell noch weitere Spezifika) einschließt.
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