Rz. 12
Die Frage der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft hängt von der im jeweiligen Ausland zugrundeliegenden Theorie ab. So folgen der Sitztheorie traditionell EU/EWR-Staaten des kontinentaleuropäischen Rechtskreises (grundsätzlich: Belgien, Estland, Frankreich, Lettland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien); außerdem u. a. Argentinien, Australien, Fürstentum Monaco, Südkorea und die Türkei.
Rz. 13
Der Gründungstheorie folgen innerhalb der EU und des übrigen EWR: Bulgarien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, das Fürstentum Liechtenstein, die Niederlande, Slowakei, Slowenien, Spanien und Ungarn; außerhalb von EU/EWR: z. B. Hongkong, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Schweiz, Tunesien und z. T. lateinamerikanische Staaten.
Rz. 14
Kombinationen von Sitz- und Gründungstheorie in unterschiedlich starker Gewichtung finden sich z. B. in Griechenland, Italien, Kroatien, Schweden, der Tschechischen Republik und der VR China.
Allerdings existieren – wie schon aus deutscher Sicht ausgeführt- keine generellen Kollisionsregeln, sondern sachverhaltsabhängig spezielle Kollisionsnormen: die Rechnungslegung (und Abschlussprüfung) unterliegt dem Recht des Ortes, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat; demnach weist das internationale Bilanzrecht (Bilanzkollisionsrecht) dem Sitzstaat der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft die Auferlegung einer handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht zu.
Rz. 15
Wendet der Sitzstaat der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft die Sitztheorie an, richtet sich die Rechnungslegungspflicht nach dem nationalen Gesellschaftsrecht des Sitzstaates; gleiches gilt bei Anwendung der Gründungstheorie, sofern Sitz- und Gründungsstaat übereinstimmen. Sind diese – bei Anwendung der Gründungstheorie – nicht identisch, richtet sich die Rechnungslegungspflicht nach dem nationalen Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates. Regelmäßig wird das anzuwendende nationale Gesellschaftsrecht – vergleichbar dem deutschen HGB – einen Pflichtenkatalog enthalten, wonach die ausländische Tochter(kapital)gesellschaft zur Buchführung und Aufstellung eines Jahresabschlusses nach dem Handelsrecht des Sitz- bzw. Gründungsstaates verpflichtet ist. Handelt es sich bei dem Sitz- bzw. Gründungsstaat um EU/EWR-Mitgliedstaaten und bei der Auslandskapitalgesellschaft um eine unter die Regelungen der Bilanzrichtlinie fallende Rechtsform, hat die Rechnungslegung nach den Erfordernissen der Bilanzrichtlinie bzw. deren nationalen Umsetzung zu erfolgen.
Rz. 16
Das internationale Bilanzkollisionsrecht kann auch zur Beurteilung der möglichen Rechnungslegungspflicht der deutschen Spitzeneinheit im Ausland herangezogen werden; diese beurteilt sich nach dem Recht des Ortes, an dem der Kaufmann seine Niederlassung und die Gesellschaft ihren Sitz hat.
Insofern unterliegen alle Rechtsformen der gewerblich tätigen deutschen Spitzeneinheit grundsätzlich der Rechnungslegungspflicht in Deutschland und nicht im Ausland. Gleiches gilt bzgl. einer ggf. bestehenden Pflicht zur Konzernrechnunglegung; diese unterliegt dem Recht am Sitz der Niederlassung des Mutterunternehmens, also der deutschen Spitzeneinheit, und damit deutschem und nicht ausländischem Handelsrecht.