Leitsatz
Ernstlich zweifelhaft ist, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen im Niedrigpreissegment hinsichtlich der Leistungsbeschreibung voraussetzt, dass die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung angegeben wird oder ob insoweit die Angabe der Warengattung ("Hosen", "Blusen", "Pulli") ausreicht.
Normenkette
§ 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG, Art. 226 Nr. 6 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 69 Abs. 3 FGO, § 377 HGB
Sachverhalt
Die Antragstellerin war in den Streitjahren 2012 bis 2013 im Großhandel mit Textilien und Modeaccessoires im Niedrigpreissegment tätig. Die Waren wurden jeweils in großen Mengen eingekauft, wobei die Preise des jeweiligen Artikels überwiegend im unteren und mittleren einstelligen Eurobereich lagen, nur vereinzelt zwischen 10 EUR und 12 EUR. Sie machte den Vorsteuerabzug aus Rechnungen mehrerer Firmen geltend, in denen die Artikel lediglich mit Angaben wie "Tunika, Hosen, Blusen, Top, Kleider, T-Shirt, Pulli, Bolero, teilweise auch Da-Pullover (langärmlig in 3 Farben) oder Da-Tops (langärmlig in 4 Farben)" bezeichnet waren. Das FA versagte den Vorsteuerabzug. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Antragstellerin Klage vor dem FG und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Das FG lehnte den Aussetzungsantrag ab (Hessisches FG, Urteil vom 14.12.2018, 1 V 590/18).
Entscheidung
Die Beschwerde der Antragstellerin hatte Erfolg. Der BFH gewährte Aussetzung der Vollziehung, da an der Versagung des Vorsteuerabzugs ernstliche Zweifel bestünden. Das Beschwerdeverfahren sei nicht geeignet, die aufgeworfenen Rechtsfragen zu klären. Die Entscheidung – insbesondere über die unionsrechtlichen Zweifel an § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG – müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Hinweis
1. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
2. Diese Rechnung muss nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG die "Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände" enthalten. Unionsrechtlich schreibt Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL insoweit vor, dass Rechnungen die "Art der gelieferten Gegenstände" bezeichnen müssen.
3. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss nur die in Art. 226 genannten Angaben enthalten. Der BFH sieht es als klärungsbedürftig an, ob der nationale Gesetzgeber mit dem Erfordernis der handelsüblichen Bezeichnung in § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG unzulässigerweise über Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL hinausgeht, da eine handelsübliche Bezeichnung weitergehende Angaben erfordern könnte als die bloße Angabe der Art des gelieferten Gegenstands. Möglicherweise genügt daher als handelsübliche Bezeichnung die Angabe der Art der Gegenstände.
4. Erfordert die handelsübliche Bezeichnung Angaben, die über die bloße Bezeichnung der Art der Gegenstände hinausgehen, könnte mit einer Vorlage an den EuGH zu rechnen sein, damit geklärt werden kann, ob eine derartige Bedingung mit der MwStSystRL vereinbar ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 14.3.2019 – V B 3/19