Leitsatz
1. Die Aussetzung des Verfahrens kommt nicht mehr in Betracht, wenn das Verwaltungsverfahren, von dessen Ausgang die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt, abgeschlossen ist. Das ist der Fall, wenn die zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren, in dem das vorgreifliche Rechtsverhältnis festzustellen ist, durch bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt abgeschlossen hat.
2. Remonstriert das FA gegen die Bescheinigung der zuständigen Behörde über das Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG, führt dies weder zur Fortsetzung des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens noch wird dadurch ein neues Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, über welches die zuständige Behörde förmlich zu entscheiden hat.
3. Bei Überprüfung der Ermessensentscheidung des FG hat der BFH sein eigenes Ermessen auszuüben.
Normenkette
§ 74 FGO, § 7h Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 EStG, § 177 BauGB
Sachverhalt
Die Kläger erwarben vom Bauträger eine noch zu erstellende Eigentumswohnung im Dachgeschoss eines Sanierungsobjekts. Die zuständige Kommunalbehörde bescheinigte die Voraussetzungen von § 7h Abs. 1 EStG. Das FA änderte jedoch nach einer Außenprüfung den Feststellungsbescheid für das Gesamtobjekt und stellte die förderungsfähigen Aufwendungen mit "0" fest. Das Dachgeschoss sei bautechnisch neu. Dagegen haben die Kläger Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Das FA hat erfolglos bei der zuständigen Kommunalbehörde gegen die seines Erachtens unrichtige Bescheinigung remonstriert und setzt das Verfahren mithilfe seiner vorgesetzten Behörde bei dem zuständigen Landesministerium fort. Daneben beantragte es bis zum Abschluss der Remonstration die Aussetzung des Verfahrens. Das FG hat dem Antrag stattgegeben (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.6.2016, 6 K 277/10).
Entscheidung
Auf die Beschwerde der Kläger hat der BFH den Aussetzungsbeschluss des FG aufgehoben. Das FG muss das Verfahren fortführen und dabei berücksichtigen, dass das FA an die Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 EStG gebunden ist. Die Klage dürfte danach Erfolg haben.
Hinweis
1. Der alte Streit, ob das FA einen die Förderung nach § 7h Abs. 1 EStG ausschließenden "Neubau" selbst feststellen darf, geht in eine neue Runde. Es bahnt sich eine gesetzliche Neuregelung an.
a) Zwar ist höchstrichterlich geklärt, dass die kommunalen Behörden in der Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 EStG mit bindender Wirkung auch darüber entscheiden, dass kein Neubau vorliegt (BFH, Urteil vom 22.10.2014, X R 15/13, BFHE 247, 562, BFH/NV 2015, 420). Maßgeblich sind die städtebaulichen Begriffe (§ 177 BauGB), für deren Vollzug die Kommunalbehörden zuständig und kompetent sind. An den Inhalt der Bescheinigung ist das FA deshalb gebunden. Es handelt sich um einen ressortfremden Grundlagenbescheid, den das FA ohne eigene Prüfungskompetenz vollziehen muss.
b) In der Praxis halten sich die Finanzbehörden allerdings nicht immer an diese Rechtslage. Sie wollen, so scheint es, unbedingt verhindern, dass Neubauten im steuerlichen Sinne gefördert werden, und laufen, wenn sie die kommunalen Bescheinigungen für falsch halten, dagegen Sturm.
c) Gegen die Bescheinigung kann das FA nur remonstrieren. Ein Widerspruchsrecht steht ihm nicht zu. Remonstration meint in diesem Zusammenhang die formlose Anregung des FA an die zuständige Behörde oder deren vorgesetzte Behörde, die Bescheinigung zu überprüfen und zu ändern oder aufzuheben. Welche Wirkungen ergeben sich daraus?
2. Ist gegen den Folgebescheid bereits ein Klageverfahren anhängig, kommt dessen Aussetzung nicht in Betracht. Das hat der BFH in dem Besprechungsbeschluss entschieden. Das FA muss den Grundlagenbescheid vielmehr vollziehen, auch wenn es ihn für unrichtig hält.
a) Die Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) kommt in Betracht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das u.a. von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Das ist im Hinblick auf die Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 EStG grundsätzlich der Fall. Die Aussetzung ist aber nur möglich bis zur (abschließenden) Entscheidung der Verwaltungsbehörde. Daraus ergibt sich, dass sie nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens ausgeschlossen ist. Mit Erlass der Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 EStG ist das Verwaltungsverfahren bei der bescheinigenden Kommunalbehörde abgeschlossen.
b) Die Remonstration ändert daran nichts. Es handelt sich nicht um eine förmliche Fortsetzung des Verfahrens. Die Aussetzung des Verfahrens darf nicht bewirken, dass der Remonstration im Ergebnis eine nicht vorgesehene aufschiebende Wirkung zukommt.
3. Vor Gericht können die Finanzbehörden in dieser Frage nicht mehr gewinnen. Sie suchen derweil ihr Heil im Gesetzgebungsverfahren.
a) Nach einem Beschluss des Bundesrats (BR-Drucks. 406/16, Beschluss vom 23.9.2016, 14) soll § 7h EStG um einen Abs. 1a ergänzt werden. Danach soll Abs. 1 keine Anwendung finden, sofern die Maßnahmen zur Herstellung eines neuen ...