Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Hausangestellten. Kündigungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Die verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB gelten nicht für Arbeitsverhältnisse, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind.
Orientierungssatz
1. Nach § 622 Abs. 2 BGB gelten verlängerte Kündigungsfristen, wenn das Arbeitsverhältnis „in dem Betrieb oder Unternehmen” für eine bestimmte Zeit bestanden hat. Damit sind Arbeitsverhältnisse ausgenommen, die – wie das einer Haushaltshilfe – ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind. Ein Privathaushalt ist weder ein Unternehmen noch ein Betrieb (Rn. 11 ff.).
2. Die Auslegung von § 622 Abs. 2 BGB, wonach Arbeitsverhältnisse, die nach ihrem Inhalt ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, nicht von seinem Anwendungsbereich erfasst werden, ist unter Beachtung des dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Regelungsspielraums verfassungskonform (Rn. 19 ff.).
3. Während in Unternehmen grds. davon auszugehen ist, dass ein ordentlich gekündigtes Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf einer – ggf. auch längeren – Kündigungsfrist in zumutbarer Weise als Austauschverhältnis fortgesetzt werden kann, würde einem „Haushaltsinhaber” abverlangt, entweder den Arbeitnehmer weiter in seiner – des Arbeitgebers – räumlich-gegenständlichen Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 GG) zu beschäftigen oder auf die Arbeitsleistung zu verzichten und den Arbeitnehmer – falls überhaupt zulässig – unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Fristende freizustellen (Rn. 26 ff.).
4. Der Senat musste nicht über die Frage befinden, inwieweit der Anwendungsbereich des Unionsrechts durch die vorstehende Auslegung von § 622 Abs. 2 BGB eröffnet ist. Selbst wenn dies der Fall wäre und sich die gegenüber Arbeitnehmern von Unternehmen unterschiedliche Behandlung der ausschließlich in Privathaushalten Beschäftigten am Maßstab des in Art. 21 Abs. 1 GRC niedergelegten primärrechtlichen Verbots ua. einer (mittelbaren) Diskriminierung wegen des Geschlechts sowie von Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/54/EG beurteilte, wäre die in Betracht kommende mittelbare Benachteiligung von weiblichen Hausangestellten durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die eingesetzten Mittel wären zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich (Rn. 38).
5. Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitsvertrag ausschließlich für seinen privaten Haushalt abschließt, handelt nicht als Unternehmer iSv. § 14 Abs. 1 BGB, weil die Führung eines Privathaushalts keine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit darstellt (Rn. 14).
Normenkette
BGB § 14 Abs. 1, § 622 Abs. 1-2, 4, 6; GG Art. 3, 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1; GRC Art. 7; AEUV Art. 267 Abs. 3; EMRK Art. 8; Richtlinie 2006/54/EG Art. 14 Abs. 1 Buchst. c; ILO-Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte Art. 7 Buchst. k, Art. 10 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. September 2019 - 8 Sa 352/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Rz. 2
Die Klägerin war seit Februar 2006 als Haushaltshilfe im Privathaushalt des Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende vereinbart.
Rz. 3
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31. Januar 2018 außerordentlich fristlos. Diese Kündigung wurde rechtskräftig für unwirksam befunden.
Rz. 4
Die Klägerin hat gemeint, eine durch Umdeutung gewonnene ordentliche Kündigung, die ihr erst am 1. Februar 2018 zugegangen sei, habe das Arbeitsverhältnis nicht mit der vereinbarten Kündigungsfrist zum 31. März 2018, sondern mit der Frist des § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB zum 31. Juli 2018 aufgelöst.
Rz. 5
Sie hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - sinngemäß beantragt
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1. |
festzustellen, dass zwischen den Parteien bis zum 31. Juli 2018 ein Arbeitsverhältnis bestand; |
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2. |
den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere Urlaubsabgeltung iHv. 1.456,71 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2018 zu zahlen; |
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3. |
den Beklagten zu verurteilen, an sie weiteres Urlaubsgeld iHv. 396,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2018 zu zahlen. |
Rz. 6
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
Rz. 8
A. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die - im Wege der Umdeutung gewonnene - ordentliche Kündigung des Beklagten vom 31. Januar 2018 mit der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende mit Ablauf des 31. März 2018 aufgelöst worden. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung stellt keine unzulässige Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist dar (vgl. dazu BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 11 ff., BAGE 150, 337). § 622 Abs. 2 BGB fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
Rz. 9
I. Nach § 622 Abs. 2 BGB gelten verlängerte Kündigungsfristen, wenn das Arbeitsverhältnis „in dem Betrieb oder Unternehmen“ für eine bestimmte Zeit bestanden hat. Damit sind Arbeitsverhältnisse ausgenommen, die - wie das der Klägerin als Haushaltshilfe - ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind.
Rz. 10
1. Wortlaut, Systematik und Historie des Gesetzes sprechen dafür, dass solche Arbeitsverhältnisse nicht von § 622 Abs. 2 BGB erfasst sind.
Rz. 11
a) Ein privater Haushalt ist kein Unternehmen. Bei einem solchen handelt es sich um eine organisatorische Einheit, mit der ein Unternehmer in einem Betrieb oder mehreren zusammengefassten Betrieben wirtschaftliche oder ideelle Zwecke fortgesetzt verfolgt (BAG 10. Juli 1996 - 10 AZR 76/96 - zu 1 der Gründe; 30. Juni 1994 - 8 AZR 544/92 - zu C II 1 c aa (1) der Gründe, BAGE 77, 174). Das ist bei einem auf bloße Konsumtion angelegten Privathaushalt nicht der Fall.
Rz. 12
b) Ein privater Haushalt unterfällt auch nicht dem allgemeinen Betriebsbegriff (vgl. BAG 19. Januar 1962 - 1 ABR 14/60 - zu II 2 der Gründe, BAGE 12, 184). Dieser erfasst nur organisatorische Einheiten von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht allein in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt (BAG 27. Juni 2019 - 2 AZR 38/19 - Rn. 21; 2. März 2017 - 2 AZR 427/16 - Rn. 15). In letzterem erschöpft sich aber die Führung eines Privathaushalts.
Rz. 13
c) Der Einwand, die Befriedigung von Eigenbedarf liege hinter dem arbeitstechnischen Zweck, den als solchen auch ein Privathaushalt erfülle (vgl. Richardi/Maschmann in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 1 Rn. 50; Kocher NZA 2013, 929, 931), greift deshalb nicht durch, weil die begriffliche Trennung von Betrieb und Unternehmen nicht bedeutet, dass es sich um entgegengesetzte Organisationen handeln müsste (vgl. Richardi/Maschmann in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 1 Rn. 11). Vielmehr ist ein Betrieb stets eine Teilorganisation eines Unternehmens bzw. dessen arbeitstechnisches Spiegelbild, wenn das Unternehmen nur eine Produktions- oder Dienstleistungsstätte hat (vgl. BAG 9. Dezember 1975 - 1 ABR 80/73 - zu III 4 a der Gründe, BAGE 27, 374; 5. März 1974 - 1 ABR 19/73 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 26, 36). Das belegt der Blick auf § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG, wonach bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an einem anderen Arbeitsplatz „in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens“ zu berücksichtigen sind. Danach handelt es sich bei Betrieben um Einheiten, die zur Erfüllung eines Unternehmenszwecks beitragen, der sich nicht in der Befriedung von Eigenbedarf erschöpfen darf. Damit ist die Verwendung des Begriffs „Betrieb“ in § 622 Abs. 2 BGB nicht überflüssig. Durch diesen wurden noch vor der Einführung von § 613a BGB (BGBl. 1972 I S. 13) Fälle des Übergangs eines Betriebs von einem Unternehmen auf ein anderes erfasst. Insoweit kommt dem Zusatz gegenwärtig noch klarstellende Bedeutung zu. Zugleich verdeutlicht die Benennung der Einheiten „Betrieb“ und „Unternehmen“, dass nicht auf die dritte denkbare Einheit „Konzern“ abzustellen ist (vgl. BeckOGK/Klumpp Stand 1. März 2020 BGB § 622 Rn. 45).
Rz. 14
d) Die Herausnahme von Arbeitsverhältnissen, die nach ihrem Inhalt nur in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, aus dem Anwendungsbereich von § 622 Abs. 2 BGB mangels Zugehörigkeit zu einem Unternehmen steht im Einklang damit, dass ein Arbeitgeber, der einen Arbeitsvertrag allein für seinen Privathaushalt abschließt, nicht als Unternehmer iSv. § 14 Abs. 1 BGB handelt, weil die Führung eines privaten Haushalts keine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit darstellt (vgl. LAG Düsseldorf 10. Mai 2016 - 14 Sa 82/16 - zu II A 1 der Gründe; LAG Baden-Württemberg 26. Juni 2015 - 8 Sa 5/15 - zu I der Gründe).
Rz. 15
e) Hausangestellte in Privathaushalten bzw. im Haushalt beschäftigte Arbeitnehmer sind in § 1 Abs. 2 Satz 1 ArbSchG und § 17 Abs. 1 ASiG ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Gesetze ausgenommen. Dies bestätigt, dass arbeitsrechtliche Schutzvorschriften bei diesen Arbeitsverhältnissen nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedenfalls teilweise unanwendbar sein können (zu den Gründen für die Ausnahme vom öffentlichen Arbeitsschutzrecht vgl. BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel Stand 1. März 2020 ArbSchG § 1 Rn. 59).
Rz. 16
f) Hingegen lässt sich aus dem expliziten Ausschluss vom Geltungsbereich anderer Bestimmungen nicht folgern, Arbeitsverhältnisse, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, sollten von § 622 Abs. 2 BGB erfasst sein. In der Entstehungsgeschichte der Vorschrift findet sich kein Hinweis auf die Verwendung eines von den allgemeinen Definitionen (Rn. 11 ff.) abweichenden, Privathaushalte nicht ausschließenden Unternehmens- oder Betriebsbegriffs. Der Zusatz „in demselben Betrieb oder Unternehmen“ wurde durch das Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) in § 622 Abs. 2 BGB aufgenommen und die Bestimmung insoweit an § 1 Abs. 1 KSchG angepasst. Nach der seinerzeit ganz herrschenden Auffassung waren private Haushalte mangels Unternehmens- und Betriebseigenschaft schon von der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes 1951 ausgenommen (vgl. die Nachweise bei Steinke RdA 2018, 232, 235). Das Bundesarbeitsgericht hatte im Jahr 1962 in anderem Zusammenhang bestätigt, dass ein Privathaushalt kein Betrieb ist (BAG 19. Januar 1962 - 1 ABR 14/60 - zu II 2 der Gründe, BAGE 12, 184 zur - fehlenden - Tariffähigkeit eines Verbands zur Vertretung von Hausgehilfinnen). Durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Kündigungsfristengesetz - KündFG) vom 7. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1668) hat der Gesetzgeber den Zusatz „in demselben Betrieb oder Unternehmen“ bloß redaktionell geändert in „in dem Betrieb oder Unternehmen“ und damit an dessen Regelungsinhalt festgehalten (Steinke RdA 2018, 232, 236). Mit dem Gesetz zur Änderung des Mutterschutzrechts vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2110) hat er weibliche Hausangestellte hinsichtlich des mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzes gleichgestellt, in den Materialien aber „die Beschäftigung im Familienhaushalt“ ausdrücklich mit „dem regelmäßigen Arbeitsplatz im Betrieb“ kontrastiert (BT-Drs. 13/6110 S. 12; vgl. auch LAG Düsseldorf 10. Mai 2016 - 14 Sa 82/16 - zu II A 2 b dd der Gründe; Steinke RdA 2018, 232, 241).
Rz. 17
g) Ein anderes Ergebnis folgt nicht mit Blick auf das ILO-Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte (ILO-Übereinkommen Nr. 189). Die Ratifizierung dieses Abkommens in der Bundesrepublik Deutschland hatte keine Änderung der nationalen Gesetzeslage zur Folge (BGBl. 2013 II S. 922). Nach Ansicht der Bundesregierung waren keine Ergänzungen der innerstaatlichen Vorschriften erforderlich (BT-Drs. 17/12951 S. 1). Im ILO-Übereinkommen Nr. 189 ist eine Gleichbehandlung von Hausangestellten im Hinblick auf den formellen, zeitlich begrenzten Kündigungsschutz nicht vorgeschrieben. Nach dessen Art. 10 Abs. 1 sind von den Mitgliedern lediglich Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, die Gleichbehandlung von Hausangestellten sicherzustellen in Bezug auf die normale Arbeitszeit, die Überstundenvergütung, die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und den bezahlten Jahresurlaub, wobei die besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit zu berücksichtigen sind. Nach Art. 7 Buchst. k ILO-Übereinkommen Nr. 189 hat der Arbeitgeber die Hausangestellten über die Bedingungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einschließlich einer vom Hausangestellten oder vom Arbeitgeber „gegebenenfalls“ einzuhaltenden Kündigungsfrist zu informieren.
Rz. 18
2. Der Zweck der Kündigungsfristenregelung in § 622 Abs. 2 BGB, länger beschäftigten, typischerweise älteren Arbeitnehmern einen verbesserten temporären Kündigungsschutz zu gewähren und damit ihre Chancen zu erhöhen, möglichst nahtlos ein neues Arbeitsverhältnis mit vergleichbarem Verdienst und vergleichbaren Arbeitsbedingungen zu begründen (vgl. BAG 24. Oktober 2019 - 2 AZR 158/18 - Rn. 45), steht dem Ausschluss von Arbeitsverhältnissen nicht entgegen, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind. Zwar sind die betreffenden Arbeitnehmer insoweit nicht weniger schutzbedürftig (Steinke RdA 2018, 232, 240). Doch handelt es sich bei den durch § 622 Abs. 2 BGB verlängerten Kündigungsfristen um das Ergebnis einer Abwägung mit den gegenläufigen Interessen der Arbeitgeber, die nach einer wirksamen Kündigung noch für eine bestimmte Zeit an das Arbeitsverhältnis gebunden bleiben (vgl. BT-Drs. 12/4902 S. 8). Diese Abwägung kann trotz gleicher Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer für verschiedene Sachverhalte bzw. aufgrund spezifischer Interessen bestimmter Arbeitgeber unterschiedlich ausfallen (vgl. BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - zu C I 4 g und h der Gründe, BVerfGE 82, 126; 16. November 1982 - 1 BvL 16/75 ua. - zu 2 der Gründe der abweichenden Meinung des Richters Katzenstein, BVerfGE 62, 256). So zeigen die gesetzliche Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO und die Tariföffnungsklausel in § 622 Abs. 4 BGB, dass § 622 Abs. 2 BGB keine umfassende Geltung beansprucht.
Rz. 19
3. Die Auslegung von § 622 Abs. 2 BGB, wonach Arbeitsverhältnisse, die nach ihrem Inhalt ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, nicht von seinem Anwendungsbereich erfasst werden, ist unter Beachtung des dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Regelungsspielraums verfassungskonform (aA LAG Baden-Württemberg 26. Juni 2015 - 8 Sa 5/15 - zu I der Gründe). Sie verstößt weder gegen die sich aus Art. 3 GG ergebenden Gleichheitsgebote noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Einer diesbezüglichen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es daher nicht.
Rz. 20
a) Die Gleichheitssätze des Art. 3 GG werden durch die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 BGB auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen ist, nicht verletzt.
Rz. 21
aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG 26. Mai 2020 - 1 BvL 5/18 - Rn. 94). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfG 26. Mai 2020 - 1 BvL 5/18 - Rn. 95).
Rz. 22
bb) Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Das Geschlecht darf auch aufgrund des Gleichberechtigungsgebots in Art. 3 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht zum Anknüpfungspunkt und zur Rechtfertigung für rechtlich oder faktisch benachteiligende Ungleichbehandlungen herangezogen werden. Das Diskriminierungsverbot gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie - oder gänzlich - andere Ziele verfolgt. Es ist jedoch nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Eine grundsätzlich unzulässige Anknüpfung an das Geschlecht kann auch dann vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwiegend Frauen nachteilig trifft, denn Art. 3 Abs. 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen (vgl. BVerfG 8. Juni 2016 - 1 BvR 3634/13 - Rn. 22).
Rz. 23
cc) Die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 BGB führt bei länger beschäftigten Arbeitnehmern zu einer unterschiedlichen Länge der Kündigungsfrist, die davon abhängt, ob ihr Arbeitsverhältnis ausschließlich in einem privaten Haushalt oder auch in einem Unternehmen durchzuführen ist. Ebenso kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Beschäftigung von Frauen in privaten Haushalten signifikant überwiegt und die Ungleichbehandlung insoweit eine mittelbare Benachteiligung bewirkt. Die Nichteinbeziehung der Arbeitsverhältnisse von Haushaltsangestellten in den Geltungsbereich von § 622 Abs. 2 BGB ist durch gewichtige objektive Gründe gerechtfertigt, die eine Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen und nichts mit einer nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotenen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.
Rz. 24
(1) Die Regelung, wonach sich die Kündigungsfristen nur dann abhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängern, wenn eine Tätigkeit in einem Unternehmen vereinbart ist, kann zu einer ggf. beträchtlichen Ungleichbehandlung führen. Bei Arbeitsverhältnissen in einem Unternehmen beträgt die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB bis zu sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. Demgegenüber verbleibt es für in privaten Haushalten Beschäftigte - unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses - bei der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats.
Rz. 25
(2) Zwischen beiden Arbeitnehmergruppen bestehen objektive und diskriminierungsfreie Unterschiede von solchem Gewicht, dass sich die aus der Auslegung von § 622 BGB ergebende unterschiedliche Ausgestaltung der Kündigungsfristen noch innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums (Rn. 21 f.) hält.
Rz. 26
(a) Das Gesetz geht davon aus, dass ein ordentlich gekündigtes Arbeitsverhältnis grds. bis zum Fristende als Austauschverhältnis aufrechterhalten bleiben kann. Verlängerte Kündigungsfristen führen dann zwar zu einer begrenzten Fortsetzung der Vertragsbeziehung, die aber nicht mit einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung für den Arbeitgeber verbunden ist. Denn der für die Dauer der Kündigungsfrist zu zahlenden Vergütung steht eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gegenüber. Allerdings bedingen verlängerte Kündigungsfristen eine (erhebliche) wirtschaftliche Belastung, wenn dem Arbeitgeber eine - sinnvolle - Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Fristende nicht möglich oder nicht zumutbar ist (vgl. BT-Drs. 12/7302 S. 169 zu § 127 InsO -Entwurf = § 113 InsO).
Rz. 27
(b) Wird ein außerhalb eines Privathaushalts durchgeführtes Arbeitsverhältnis von einer Vertragspartei ordentlich gekündigt, ist regelmäßig von der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ende einer - ggf. auch verlängerten - Kündigungsfrist auszugehen. Dass dies in besonderen Einzelfällen anders liegen kann, durfte der Gesetzgeber außer Betracht lassen. Für Fallgruppen, in denen es typischerweise zu Äquivalenzstörungen durch längere Kündigungsfristen kommen könnte, hat er in § 113 Satz 2 InsO in Abwägung mit den sozialen Belangen der Arbeitnehmer eine „eigene“ Kündigungsfrist als Höchstfrist bestimmt (vgl. BT-Drs. 12/7302 S. 169; BAG 23. Februar 2017 - 6 AZR 665/15 - Rn. 49, BAGE 158, 214). Zudem hat er mit § 622 Abs. 4 BGB die Möglichkeit einer Abweichung von den gesetzlich verlängerten Kündigungsfristen durch die Tarifvertragsparteien - auch zu Lasten der Arbeitnehmer - und unter völliger Abkehr vom Modell des § 622 Abs. 2 BGB - eröffnet (vgl. BAG 18. Oktober 2018 - 2 AZR 374/18 - Rn. 36; siehe auch BAG 23. April 2008 - 2 AZR 21/07 - Rn. 30, BAGE 126, 309 zu einer Regelung, die verlängerte Kündigungsfristen nur für Betriebe mit idR mindestens 20 Beschäftigten vorsieht).
Rz. 28
(c) Der Gesetzgeber durfte aufgrund einer nicht evident unzulässigen Einschätzung der tatsächlichen Voraussetzungen im Rahmen zulässiger Typisierung (dazu BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - zu C I 4 f und g der Gründe, BVerfGE 82, 126) davon ausgehen, dem Arbeitgeber sei die Beschäftigung eines Hausangestellten in seinem - des Arbeitgebers - privaten Haushalt nach einer wirksamen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den Lauf einer sich nach § 622 Abs. 2 BGB bestimmenden Kündigungsfrist nicht zumutbar. Arbeitsleistungen von Hausangestellten sind regelmäßig durch eine besondere Nähe des Arbeitnehmers zur privaten Lebensführung des Arbeitgebers und ggf. von dessen Familienmitgliedern gekennzeichnet. Sie werden vertragsgemäß in dem (höchst-)persönlichen, zur Wahrung der Menschenwürde besonders wichtigen, dem Kernbereichsschutz des Art. 13 Abs. 1 GG unterliegenden Rückzugsraum des „Haushaltsinhabers“ erbracht (vgl. BVerfG 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 ua. - Rn. 197, BVerfGE 141, 220), zu dem auch umfriedete Außenbereiche zählen (vgl. BeckOK GG/Kluckert Stand 15. Mai 2020 GG Art. 13 Rn. 1 f.). Wenn aber die tatsächliche Beschäftigung des Hausangestellten dem Arbeitgeber für die Dauer der Kündigungsfrist aus besonders geschützten Gründen unzumutbar ist, bliebe ihm allenfalls eine - unterstellt zulässige - Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung. Eine solche führte indes zu einer groben Äquivalenzstörung und damit zu einer beträchtlichen wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers, die der Gesetzgeber ebenfalls für nicht zumutbar erachten durfte.
Rz. 29
(d) Bei dem vom Gesetzgeber in zulässiger Weise verfolgten Schutz des privaten Rückzugraums (Beschäftigung) bzw. der Vermeidung einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung durch eine „einseitige“ Vergütungszahlung über einen ggf. beträchtlichen Zeitraum (Freistellung) handelt es sich um gewichtige objektive Gründe, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben und die sämtliche Arten von ordentlichen Kündigungen („personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt“) gleichermaßen erfassen (vgl. BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - zu C I 4 h der Gründe, BVerfGE 82, 126).
Rz. 30
(aa) Das Vorliegen dieser Gründe wird nicht deshalb in Zweifel gezogen, weil auch reine Betriebs-, Geschäfts- oder Arbeitsräume dem Schutz von Art. 13 Abs. 1 GG unterfallen. Bei diesen Räumlichkeiten ist das Schutzbedürfnis durch den Zweck erheblich gemindert, den sie nach dem Willen des Inhabers besitzen (BVerfG 17. Februar 1998 - 1 BvF 1/91 - zu B V 2 der Gründe, BVerfGE 97, 228). Es handelt sich nicht um einen gleichermaßen geschützten (höchst-)persönlichen Rückzugsraum des Arbeitgebers (vgl. Steinke RdA 2018, 232, 238 und 241).
Rz. 31
(bb) Die vom Gesetzgeber getroffene Unterscheidung unterliegt auch nicht deshalb Bedenken, weil ein Unternehmer seine Betriebs-, Geschäfts- oder Arbeitsräume in seinem Wohnhaus unterhalten kann. Die zum Unternehmen gehörenden Räume genießen auch in diesem Fall grds. ein im Verhältnis zu privaten Wohnräumen erheblich geringeres Schutzniveau (Rn. 30). Zwar mag dies anders liegen, wenn die Betriebs-, Geschäfts- oder Arbeitsräume mit den Privaträumen im gleichen Haus verbunden sind (vgl. BeckOK GG/Kluckert Stand 15. Mai 2020 GG Art. 13 Rn. 3) oder ein und derselbe Raum sowohl privat als auch unternehmerisch genutzt wird. Doch ergeben sich bei einer zulässigen typisierenden Betrachtung gleichwohl erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Beschäftigungsmöglichkeit für die Dauer einer nach § 622 Abs. 2 BGB verlängerten Kündigungsfrist. Da der Vertragsinhalt eines Hausangestellten gleichsam einen „Objektbezug“ aufweist, ist regelmäßig ein Einsatz außerhalb des privaten Haushalts für den Lauf der Kündigungsfrist nicht vertragsgerecht und unzulässig. Demgegenüber schulden Arbeitnehmer eines Unternehmens in aller Regel nicht bloß Tätigkeiten am oder ausgerechnet im privaten Wohnbereich des Arbeitgebers.
Rz. 32
(e) Die Ungleichbehandlung und die sie rechtfertigenden Gründe stehen auch in Anbetracht der Auswirkungen der Ungleichbehandlung auf die Berufsfreiheit der Hausangestellten aus Art. 12 Abs. 1 GG noch in einem angemessenen Verhältnis (vgl. BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 82, 126).
Rz. 33
(aa) Zwar fällt der ausschließlich im privaten Haushalt tätige Arbeitnehmer hinsichtlich der Frist für eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung ggf. um (über) sechs Monate hinter einem genauso lange in einem Betrieb oder Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zurück. Jedoch betrifft dies nur den formellen, zeitlich begrenzten Kündigungsschutz. Seine Berufsfreiheit ist dadurch allenfalls geringfügig betroffen (vgl. BAG 24. Oktober 2019 - 2 AZR 158/18 - Rn. 38).
Rz. 34
(bb) Demgegenüber haben die betreffenden Arbeitgeber ein erhebliches, auf den Kernbereichsschutz von Art. 13 Abs. 1 GG zurückzuführendes Interesse daran, den Arbeitnehmer weder für einen Zeitraum von bis zu sechs weiteren Monaten in ihrem (höchst-)persönlichen Rückzugsbereich beschäftigen noch bei einer Freistellung auf die nach § 611a Abs. 1 BGB vorgesehene Gegenleistung verzichten zu müssen. Das gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Arbeitgeber den Zutritt zu seinem privaten Rückzugsbereich zunächst gestattet hat. Damit begibt er sich seines grundrechtlichen Schutzes jedenfalls nicht für die Zeit nach einer wirksamen Kündigung des der Zutrittsgewährung zugrunde liegenden Arbeitsvertrags (vgl. Steinke RdA 2018, 232, 238).
Rz. 35
(cc) Das vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (26. Juni 2015 - 8 Sa 5/15 - zu I der Gründe) angeführte Argument, es liege eine besonders intensive Benachteiligung der Hausangestellten vor, weil sie nicht den materiellen Kündigungsschutz nach § 1 KSchG genössen und ihnen auch der verlängerte formelle Kündigungsschutz gemäß § 622 Abs. 2 BGB versagt werde, verfängt ungeachtet der Vermischung der beiden Regelungskreise jedenfalls für solche Fälle - darunter der hiesige - nicht, in denen den betreffenden Arbeitnehmern nach § 23 Abs. 1 KSchG aufgrund der zu geringen Beschäftigtenzahl ohnehin nicht der allgemeine Kündigungsschutz zukäme. Insofern fehlt es schon an einer an den Betriebs- oder Unternehmensbegriff anknüpfenden Ungleichbehandlung.
Rz. 36
dd) Die - vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Regelung - einheitliche Anwendung der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB auf die Arbeitsverhältnisse der Hausangestellten unabhängig von der Dauer ihrer Arbeitsverhältnisse verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es kann dahinstehen, ob die tatsächliche Ungleichheit zwischen kürzer und länger beschäftigten Arbeitnehmern so groß sein kann, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BVerfG 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - Rn. 49; 13. Februar 2007 - 1 BvR 910/05 ua. - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 118, 1). Jedenfalls liegt für die Gleichbehandlung der Arbeitsverhältnisse von Haushaltangestellten ein vernünftiger, einleuchtender Grund vor. Das anerkennenswerte Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht entweder in seinem persönlichen Rückzugsraum beschäftigen oder auf die Arbeitsleistung verzichten und ihn unter Fortzahlung der Vergütung freistellen zu müssen, erfasst sämtliche betroffenen Arbeitsverhältnisse gleichermaßen. Es ist nicht davon abhängig, wie lange der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber beschäftigt war.
Rz. 37
b) Die Herausnahme von Arbeitsverhältnissen, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, aus dem Anwendungsbereich von § 622 Abs. 2 BGB verletzt nicht Art. 12 Abs. 1 GG. Den Hausangestellten bleibt ein gewisser, wenn auch geringer, durch die Grundkündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB vermittelter Schutz. Zugleich wird ihr ebenfalls von Art. 12 Abs. 1 GG verbürgtes Mobilitätsinteresse gestärkt, weil nach § 622 Abs. 6 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch sie keine längere Frist vereinbart werden kann als für die Kündigung durch den Arbeitgeber (vgl. BAG 18. Oktober 2018 - 2 AZR 374/18 - Rn. 47). Dies wiederum kann den Arbeitgeber veranlassen, dem Arbeitnehmer - wie im Streitfall geschehen - vertraglich eine längere Kündigungsfrist einzuräumen, damit dieser sie im Fall einer Eigenkündigung ebenfalls einzuhalten hat. Insgesamt kann auch insofern von einem völlig unangemessenen Ausgleich mit den besonderen Interessen der Arbeitgeber in Privathaushalten (Rn. 28) keine Rede sein.
Rz. 38
II. Der Senat muss nicht über die Frage befinden, inwieweit der Anwendungsbereich des Unionsrechts durch die vorstehende Auslegung von § 622 Abs. 2 BGB eröffnet ist. Selbst wenn dies der Fall wäre und sich die gegenüber Arbeitnehmern von Unternehmen unterschiedliche Behandlung der ausschließlich in Privathaushalten Beschäftigten am Maßstab des in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) niedergelegten primärrechtlichen Verbots ua. der Diskriminierung wegen des Geschlechts sowie von Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/54/EG beurteilte, wäre die in Betracht kommende mittelbare Benachteiligung von weiblichen Hausangestellten aus den vorstehend zu Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG angeführten Gründen (Rn. 25 ff.) durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die eingesetzten Mittel wären zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich (zum diesbezüglichen „Gleichlauf“ von Unions- und Verfassungsrecht vgl. BVerfG 28. April 2011 - 1 BvR 1409/10 - Rn. 54). Die GRC sieht - im Einklang mit Art. 8 EMRK - in ihrem Art. 7 vor, dass jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens und ihrer Wohnung hat. Insoweit kann der Arbeitgeber in einem privaten Haushalt auch nach dem Unionsrecht einen besonderen Grundrechtsschutz beanspruchen, der über den Schutz deutlich hinausgeht, den Betriebs-, Geschäfts- oder Arbeitsräume genießen (vgl. BeckOK InfoMedienR/Gersdorf Stand 1. Mai 2019 EU-GRCharta Art. 7 Rn. 31; Jarass in GRCh 3. Aufl. Art. 7 Rn. 23). Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Es ginge allein um die Anwendung der vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung. Diese ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH 11. September 2019 - C-397/18 - [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 75; 8. Mai 2019 - C-161/18 - [Villar Láiz] Rn. 38 und 40).
Rz. 39
B. Die als unechte Hilfsanträge zu verstehenden Zahlungsanträge fallen dem Senat aufgrund der Abweisung des Feststellungsantrags nicht zur Entscheidung an.
Rz. 40
C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Koch |
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Rachor |
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Niemann |
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Niebler |
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Trümner |
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Fundstellen
Haufe-Index 14035829 |
BAGE 2021, 84 |
DB 2020, 6 |
NJW 2020, 10 |
NJW 2020, 2980 |
NWB 2020, 3387 |
FA 2020, 297 |
NZA 2020, 1241 |
ZTR 2020, 552 |
AP 2020 |
AuA 2021, 55 |
EzA-SD 2020, 3 |
EzA 2021 |
JZ 2020, 1117 |
JZ 2020, 696 |
MDR 2020, 1323 |
ArbRB 2020, 297 |
ArbR 2020, 471 |
GWR 2020, 388 |
NJW-Spezial 2020, 627 |
sis 2020, 564 |