Leitsatz (amtlich)
Die Klausel eines Werkwohnungsüberlassungsvertrages, wonach der Vermieter (Arbeitgeber) die Miete bei der Gehalts- bzw. Lohnzahlung einbehalten darf, ist eine zulässige Aufrechnungsvereinbarung (Bestätigung von BAG AP Nr. 1 zu § 392 BGB). Eine solche Klausel verstößt insbesondere nicht gegen das Truckverbot (§ 115 GewO).
Normenkette
BGB §§ 387-388, 565b; MietSchG § 20; GewO § 115; BetrVG 1972 § 87
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 04.07.1973; Aktenzeichen 2 Sa 116/73) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. Juli 1973 – 2 Sa 116/73 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht seit langem ein Arbeitsverhältnis. Im Jahre 1960 überließ die Beklagte dem Kläger eine Werkwohnung in U., K. 5, zu einem Mietzins von damals 83,– DM für zwei und ein halbes Zimmer, Küche und Bad. § 4 Nr. 3 des Mietvertrages lautet:
„Der Vermieter ist berechtigt, die Miete bei der Gehalts- bzw. Lohnzahlung einzubehalten.”
Eigentümerin des Grundstücks war die C. P.gesellschaft mbH, Düsseldorf (CP), von der die Beklagte die Werkwohnung gemietet hatte. Die CP verkaufte die Grundstücke U., K. 1, 3, 5 sowie A. 1, 3, 5, 7, 9, 11 mit insgesamt 66 Werkwohnungen für Betriebsangehörige der Beklagten am 6. Dezember 1971 an die H. L.versicherung a.G. (HL); ebenfalls am 6. Dezember 1971 schlossen die HL sowie die F. Anlagen- und Produktionsgesellschaft mbH, diese zugleich für die Beklagte – beide in dem Vertrag als FM bezeichnet –, einen Belegungsvertrag. In diesem wird der Beklagten für die Werkwohnungen ein Belegungsrecht eingeräumt. In dem Vertrag heißt es u.a. in § 2 Nr. 6:
„FM ist bereit, während der Dauer des Belegungsrechtes die Mieten von ihren Mitarbeitern im Gehaltsabzugswege einzuziehen und global an die HL abzuführen. Insoweit erhält FM Inkasso-Vollmacht.”
Die Hausgrundstücke wurden der HL am 1. Mai 1972 übergeben. Die HL hat die Miete für die Werkwohnungen neu festgesetzt und den Mietern neue Mietverträge vorgelegt. In § 33 der Mietverträge heißt es:
„Miete und Nebenkosten sowie evtl. Nachzahlungen werden von der NDP [Beklagten] im Lohn- oder Gehaltsabzugswege eingezogen. Der Mieter stimmt hiermit unwiderruflich dieser Regelung zu.”
Die Beklagte hat auch nach dem 1. Mai 1972 die Mieten für die Werkwohnungen vom Lohn des Klägers sowie der übrigen Mieter einbehalten und an die HL abgeführt. Am 19. Dezember 1972 richteten 28 der insgesamt 66 Mieter ein Schreiben an die Beklagte, in dem sie erklärten, mit dem Abzug der Miete vom Lohn nicht länger einverstanden zu sein.
Der Kläger, der die Miete selbst an die HL abführen will, hat beantragt,
festzustellen, daß das Recht der Beklagten, die Werkwohnungsmiete vom Lohn des Klägers einzubehalten, mit dem Verkauf der Werkwohnungen an die H. L.versicherung a.G., Hannover, A., seit dem 1. Februar 1973 erloschen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihrer Auffassung nach ist das Mietverhältnis der Parteien durch die Abmachungen zwischen der früheren und der jetzigen Eigentümerin der Werkwohnungsgrundstücke unberührt geblieben. Sie meint, danach sei das bisherige Mietabzugsverfahren nach wie vor vertraglich gedeckt. Es rechtfertige sich außerdem aus der Inkassovollmacht gemäß § 2 Nr. 6 des Belegungsvertrages vom 6. Dezember 1971 sowie weiter aus einer zusätzlichen dem Kläger mitgeteilten Abtretung der Zahlungsansprüche aus dem Mietverhältnis durch die HL an die Beklagte vom 14. März 1973.
Die HL ist dem Rechtsstreit nach Streitverkündung als Streithelferin der Beklagten beigetreten.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach dem Klageantrag verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten und der HL hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger das Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtslage in allen Punkten im wesentlichen zutreffend beurteilt:
1. Das streitige Mietabzugsverfahren war entgegen der Ansicht der Revision nicht bereits vor dem Übergang des Grundstückseigentums an die HL unwirksam. Die Revision sieht die Regelung als unvereinbar mit § 115 GewO an (Truckverbot). Diese Annahme scheidet aber aus, weil Arbeits- und Mietverhältnis hier nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbständig nebeneinander bestehen. Das Mietverhältnis ist zwar im Sinne des § 20 Satz 1 MietSchG (heute: § 565 b BGB) mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis begründet. Die Überlassung der Werkwohnung zu einem günstigen Mietpreis ist auch als Gegenleistung der Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis anzusehen. Damit wird jedoch nicht etwa entgegen § 115 Abs. 1 GewO ein Teil des Arbeitslohnes in Sachwerten geleistet. Vielmehr ist die Vermietung der Werkwohnung zu den im Überlassungsvertrag geregelten Bedingungen eine zusätzlich zu dem Arbeitslohn zwischen den Parteien vereinbarte Sonderleistung der Beklagten, die den Vorschriften der §§ 565 b bis 565 e BGB unterliegt.
Deshalb stehen auch die Mietzinsforderung des Arbeitgebers bzw. Vermieters einerseits und die Lohnforderung des Mieters bzw. Arbeitnehmers andererseits selbständig nebeneinander. Beide Forderungen sind nach den allgemeinen Vorschriften gegeneinander aufrechenbar. Es kann insoweit auch ein Aufrechnungsvertrag geschlossen werden; dies hat das Bundesarbeitsgericht schon in AP Nr. 1 zu § 392 BGB dargelegt. Es ist nicht zu erkennen, daß schutzwerte Arbeitnehmerbelange durch eine solche Aufrechnungsvereinbarung berührt würden.
2. Das Klageverlangen scheitert daran, daß der Grundstücksübergang auf die HL den Werkwohnungsmietvertrag der Parteien unberührt gelassen hat. Die Beklagte hat eine ihr nicht gehörende, sondern selbst – zu Betriebszwecken – angemietete Wohnung an den Kläger als Werkwohnung vermietet. Rechtlich zutreffend bewertet das Landesarbeitsgericht diesen Mietvertrag im Verhältnis zur Grundstückseigentümerin (zunächst der CP, dann der HL) als Untermietverhältnis i.S. des § 549 BGB. Der Eigentumswechsel an der gemieteten Sache (dem Grundstück) berührt nicht den Bestand von Untermietverhältnissen; denn zwischen Eigentümer und Untermieter besteht keine schuldrechtliche Beziehung. Der Eigentümer kann daher nicht unmittelbar vom Untermieter den Mietzins fordern.
Die HL hat zwar den Versuch gemacht, das Untermietverhältnis der hier streitenden Parteien durch ein unmittelbares Mietverhältnis zwischen ihr und dem Kläger zu ersetzen. Im Belegungsvertrag hat sie hierzu die Zustimmung der Beklagten gewonnen. Es fehlt aber die Zustimmung des Klägers, der nach seiner Darstellung noch im Mietverhältnis zur Beklagten steht.
3. Eine Teilkündigung allein des § 4 Nr. 3 des Werkwohnungsvertrages durch den Kläger scheidet aus. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt. Die Teilkündigung würde den Kläger auch nicht an das mit der Klage erstrebte Ziel führen. Selbst der Wegfall der Mietabzugsklausel könnte, solange das Mietverhältnis zwischen den hier streitenden Parteien besteht, das Recht der Beklagten, mit ihrer Mietzinsforderung gegen die Lohnforderung des Klägers aufzurechnen, grundsätzlich nicht berühren. Die Aufrechnung wäre weiterhin auf der gesetzlichen Grundlage des § 387 BGB zulässig, und zwar als einseitige Willenserklärung der Beklagten. Die Besonderheit des § 4 Nr. 3 des Werkwohnungsvertrages ist allein, daß der darin enthaltene Aufrechnungsvertrag einseitige Aufrechnungserklärungen der Beklagten entbehrlich macht.
4. Die Revision meint weiter, der Eigentümerwechsel habe dem Mieteinzugsverfahren die Geschäftsgrundlage genommen. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wäre aber nur dann beachtlich, wenn dadurch die Beibehaltung des Mieteinzuges für den Kläger unzumutbar würde. Inwiefern dies der Fall sein soll, ist schon aus dem eben, zu 3, erörterten Grund nicht ersichtlich.
Wenn der Kläger einen Wegfall der Geschäftsgrundlage in der Steigerung der Miete durch die HL sieht, steht dem der Mietüberlassungsvertrag entgegen. Dort ist die Miete auf „vorläufig” 83,– DM festgesetzt (§ 3). Mietzinsänderungen waren also nicht ausgeschlossen. Der Mietzinsabzug nach § 4 Nr. 3 des Vertrages ist unabhängig von der Miethöhe eingeführt worden.
5. Schließlich sieht die Revision die Mietabzugsregelung im Vertrag des Klägers und den Verträgen seiner Arbeitskollegen als unwirksam an, weil der Betriebsrat bei ihrer Einführung trotz entgegengesetzter Hinweise des Klägers nicht mitgewirkt habe. Dieser Vortrag kann aus revisionsrechtlichen Gründen nicht beachtet werden. Der Kläger ist erstmals im zweiten Rechtszug (vgl. Schriftsatz vom 25. Mai 1973 – Bl. 75 ff. VorA – unter II, 3) auf die betriebsverfassungsrechtlichen Fragen eingegangen. Er hat dort die Unvereinbarkeit der Regelung allein mit den Vorschriften des neuen Betriebsverfassungsrechts gerügt. Daß die Regelung viele Jahre hindurch ohne Billigung des Betriebsrats praktiziert worden sei, läßt sich den dortigen Ausführungen nicht entnehmen; es erscheint auch ganz unwahrscheinlich, daß der Betriebsrat die viele Jahre geübte Regelung nicht gekannt und hingenommen haben sollte.
6. Nach allem war die Revision zurückzuweisen.
Unterschriften
gez. Dr. Hilger, Siara, Dr. Heither, Dr. Sohler, Heidenreich
Fundstellen
Haufe-Index 1436739 |
Nachschlagewerk BGH |