Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweistufige Ausschlussfrist in AGB
Leitsatz (amtlich)
Ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers geregelt, dass von der Gegenseite abgelehnte Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen sind, um deren Verfall zu verhindern, genügt die Erhebung der Kündigungsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern.
Orientierungssatz
1. Mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage macht der Arbeitnehmer alle durch die Kündigung bedrohten regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich geltend (Wahrung der ersten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist).
2. Ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers geregelt, dass von der Gegenseite abgelehnte Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen sind, um deren Verfall zu verhindern, genügt die Erhebung der Kündigungsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern (Wahrung der zweiten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist).
3. Das vom Arbeitnehmer bezogene Arbeitslosengeld ist ab dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses von der Verzinsung der Bruttoschuld auszunehmen.
4. Leistet der Arbeitgeber nach Erlass eines vorläufig vollstreckbaren Urteils zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die dem Arbeitnehmer zugesprochene Vergütung, enden insoweit sein Schuldnerverzug und seine Verzinsungspflicht.
Normenkette
BGB § § 305 ff., § 615
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.03.2007; Aktenzeichen 15 Sa 109/06) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 22.06.2006; Aktenzeichen 17 Ca 10223/05) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. März 2007 – 15 Sa 109/06 – aufgehoben, soweit es über die Vergütungsansprüche des Klägers für den Zeitraum Juli bis Oktober 2005 entschieden hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Victoria Lebensversicherung AG für die Monate Juli bis Oktober 2005 Versicherungsbeiträge auf die dortige Lebensversicherung des Klägers mit der Nummer T 9537571.5-00619 in Höhe von 409,04 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Februar 2006 aus 400,00 Euro und aus weiteren 9,04 Euro seit dem 24. Mai 2006 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. auf das Versicherungskonto des Klägers mit der Nummer 3066724-7 809,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2006 aus 720,00 Euro und aus weiteren 89,88 Euro seit dem 24. Mai 2006 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche.
Der Kläger war seit 1992 bei der beklagten Bank, zuletzt auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 15. Mai 1999, als Filialleiter beschäftigt. § 15 des Vertrags lautet:
“Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen”.
Die Beklagte zahlte spätestens zum 15. des laufenden Monats eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 5.464,00 Euro, 40,00 Euro brutto Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen und ein Essensgeld von 85,00 Euro brutto. Auf eine Lebensversicherung des Klägers leistete die Beklagte monatlich 102,26 Euro und auf eine Versorgung des Klägers beim Versorgungswerk des Bankgewerbes 202,47 Euro. Ab 1. September 2005 erhöhte die Beklagte die Gehälter ihrer Mitarbeiter um 1,6 %.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 30. Juni 2004 zum 31. Dezember 2004 und mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 zum 30. Juni 2005. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht gab dieser Klage durch Urteil vom 12. Mai 2005 statt, das Landesarbeitsgericht verwarf die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 23. Dezember 2005.
Der Kläger hat im Oktober 2005 zunächst Zahlungsklage für die Monate Januar bis Juni 2005 erhoben. Mit dem am 27. Januar 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 6. Februar 2006 dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellten Schriftsatz hat er die Klage um Vergütungsansprüche für Juli bis Dezember 2005 erweitert. Er hat insoweit eine monatliche Vergütung von 5.589,00 Euro brutto nebst Zinsen abzüglich eines monatlichen Arbeitslosengeldes von 2.080,20 Euro netto geltend gemacht. Mit einer zweiten, beim Arbeitsgericht am 2. Februar 2006 eingegangenen Klageerweiterung hat der Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2005 Zahlung von monatlich 100,00 Euro auf ein Konto bei seiner Lebensversicherung und von monatlich 180,00 Euro an eine Versorgungskasse, das im Juli 2005 fällig gewordene Urlaubsgeld von 307,00 Euro brutto sowie ab 1. September 2005 eine monatliche Gehaltserhöhung von 87,00 Euro verlangt. Mit einer dritten Klageerweiterung vom 18. Mai 2006 hat er für die Lebensversicherung monatlich insgesamt 102,26 Euro und für die Altersversorgung monatlich insgesamt 202,47 Euro geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage am 22. Juni 2006 stattgegeben. Mit Schreiben vom 17. August 2006 hat die Beklagte abgerechnet und die entsprechenden Nettobeträge ausgezahlt. Auf die insoweit beschränkte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich der Ansprüche für die Monate Juli bis Oktober 2005 abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren für diese Monate weiter.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist stehe seinem Anspruch für die Monate Juli bis Oktober 2005 nicht entgegen.
Der Kläger hat insoweit beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.837,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.896,00 Euro brutto seit dem 16. Juli 2005, aus 5.589,00 Euro brutto seit dem 16. August 2005, aus 5.676,00 Euro brutto seit dem 16. September 2005 und aus 5.676,00 Euro brutto seit dem 16. Oktober 2005 abzüglich auf das Arbeitsamt übergeleiteter Ansprüche in Höhe von 8.320,80 Euro netto zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Victoria Lebensversicherung AG Versicherungsbeiträge auf die Lebensversicherung des Klägers mit der Nummer T 9537571.5-00619 in Höhe von 409,04 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. auf das Versicherungskonto des Klägers mit der Nummer 3066724-7 weitere 809,88 Euro monatlich nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich vorrangig auf Verfall berufen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und im Wesentlichen zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).
I. Die Klageansprüche sind entstanden. Die Beklagte schuldet die Bruttovergütung und ihre Beiträge zur Lebensversicherung und Versorgungskasse für die Zeit von Juli bis Oktober 2005 abzüglich des vom Kläger bezogenen Arbeitslosengelds gemäß §§ 611, 615 BGB. Die Voraussetzungen des Anspruchs, Bestand des Arbeitsverhältnisses und Annahmeverzug der Beklagten, sind zwischen den Parteien nicht streitig.
1. Dem Kläger steht als monatliche Bruttovergütung für die Kalendermonate Juli und August 2005 ein Betrag von 5.589,00 Euro und für September und Oktober 2005 von 5.676,00 Euro zu.
2. Neben dem jeweiligen monatlichen Bruttogehalt und den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von monatlich 40,00 Euro kann der Kläger das Essensgeld in Höhe von 85,00 Euro brutto monatlich beanspruchen. Nach § 615 Satz 1 BGB erhält der Gläubiger keinen eigenständigen, neuen Anspruch. Er behält vielmehr den ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Für die Höhe des Anspruchs gilt das Lohnausfallprinzip. Der Gläubiger ist so zu stellen, als hätte er vertragsgemäß gearbeitet. Dabei sind alle Entgeltbestandteile zu berücksichtigen. Davon werden nur solche Leistungen nicht erfasst, die davon abhängig sind, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet oder dass ihm tatsächlich Aufwendungen entstehen. Dazu können Essenszuschüsse gehören, die nur eine bestimmte reale Mehrbelastung abgelten sollen (BAG 18. September 2002 – 1 AZR 668/01 – AP BGB § 615 Nr. 99 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 1, zu I 3 der Gründe; ErfK/Preis 8. Aufl. § 615 BGB Rn. 78). Hier wurde das von der Beklagten geschuldete Essensgeld unabhängig vom Verhalten des Klägers und deshalb, wie die Beklagte in den von ihr selbst gefertigten Abrechnungen zu Recht ausweist, stets als Bruttobetrag geleistet.
3. Darüber hinaus schuldet die Beklagte für Juli 2005 ein zusätzliches Urlaubsgeld von 307,00 Euro brutto.
4. Von den monatlichen Bruttovergütungen ist das vom Kläger tatsächlich bezogene Arbeitslosengeld abzuziehen, weil insoweit der Anspruch des Klägers gemäß § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen ist. In welcher Höhe der Abzug vorzunehmen ist, kann der Senat nicht beurteilen, denn das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, wann der Kläger welche Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat. Im Hinblick hierauf ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
5. Die von der Beklagten geschuldeten Bruttobeträge sind jeweils ab dem 16. jeden Monats mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB), wobei das abzusetzende Arbeitslosengeld ab dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses auszunehmen ist (vgl. BAG 13. Juni 2002 – 2 AZR 391/01 – BAGE 101, 328, 340 f.). Außerdem endete der Schuldnerverzug der Beklagten und damit die Verpflichtung zur Leistung von Verzugszinsen mit dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte (BGH 24. Juni 1981 – IVa ZR 104/80 – NJW 1981, 2244). Auch im Hinblick auf diese tatsächlichen Umstände ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
6. Die Beklagte schuldet ferner die Arbeitgeberleistungen zur Lebensversicherung und zur Versorgungskasse für die Monate Juli bis Oktober 2005 in Höhe von jeweils 102,26 Euro und 202,47 Euro monatlich. Insoweit ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif.
a) Ob diese Beträge dem Kläger als Netto- oder als Bruttobeträge zustehen, bleibt offen. Die Gerichte für Arbeitssachen können nicht mit Bindungswirkung für die Steuerbehörden und Krankenkassen festlegen, ob ein Betrag abgabenpflichtig ist oder nicht. Eine Verurteilung zu einer Nettozahlung kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber aus arbeitsrechtlichen Gründen gehalten ist, alle etwaigen Abgaben zu tragen, die auf eine von ihm geschuldete Geldleistung zu entrichten sind (BAG 26. Mai 1998 – 3 AZR 96/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 207 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 90; 28. April 1982 – 4 AZR 642/79 – BAGE 38, 332). Hierfür hat der Kläger nichts vorgetragen.
b) Die Arbeitgeberleistungen zur Lebensversicherung und zur Versorgungskasse sind jeweils ab Rechtshängigkeit gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 291 BGB zu verzinsen. Die Verzinsungspflicht begann nach § 187 Abs. 1 BGB jeweils einen Tag nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit (BAG 30. Oktober 2001 – 1 AZR 65/01 – BAGE 99, 266, 273; Senat 15. November 2000 – 5 AZR 365/99 – BAGE 96, 228, 233).
II. Die Klageansprüche sind nicht gemäß § 15 des Arbeitsvertrags verfallen.
1. Der Kläger hat mit der am 23. Juli 2004 gegen die Kündigung vom 30. Juni 2004 erhobenen Klage, die er am 3. November 2004 gegen die Kündigung vom 21. Oktober 2004 erweiterte, alle hiervon abhängigen Ansprüche aus Annahmeverzug wirksam schriftlich geltend gemacht. Die Beklagte musste erkennen, dass der Kläger nicht nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern auch die durch die Kündigung bedrohten regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sichern wollte (vgl. nur Senat 28. November 2007 – 5 AZR 992/06 – NZA 2008, 293; 26. April 2006 – 5 AZR 403/05 – BAGE 118, 60, 62 mwN).
2. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage hat der Kläger die Ansprüche zugleich auch iSd. § 15 des Arbeitsvertrags “eingeklagt”.
a) Der Arbeitsvertrag der Parteien beinhaltet Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, die von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen gleichlautend verwendet und dem Kläger bei Vertragsabschluss gestellt wurden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., BAG 24. Oktober 2007 – 10 AZR 825/06 – Rn. 13 ff., AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26 mwN; Senat 31. August 2005 – 5 AZR 545/06 – BAGE 115, 372, 381). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners (Däubler in Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert AGB Kontrolle im Arbeitsrecht 2. Aufl. § 305c BGB Rn. 29). Der Verwender ist demgemäß verpflichtet, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen; sie müssen so gestaltet sein, dass der nicht rechtskundige Durchschnittsarbeitnehmer die benachteiligende Wirkung ohne Einholung von Rechtsrat erkennen kann (Reinecke BB 2005, 378, 379).
b) Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (Senat 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372, 381). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 653/05 – Rn. 36, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 52 mwN). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Landesarbeitsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung durch das Bundesarbeitsgericht.
c) Welche Bedeutung einer im AGB enthaltenen einzelvertraglichen Ausschlussfrist zukommt, die vom Arbeitnehmer ein Einklagen oder eine gerichtliche oder eine klageweise Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen verlangt, ist vom Bundesarbeitsgericht nach Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB noch nicht entschieden.
d) Die von der Beklagten als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in § 15 des Vertrags gewählte Formulierung, wonach Ansprüche einzuklagen sind, kann von einem nicht rechtskundigen Durchschnittsarbeitnehmer nicht so verstanden werden, dass nur die Erhebung einer bezifferten Leistungsklage diesem Erfordernis genügt. Er darf sie vielmehr so verstehen, dass jede prozessuale Auseinandersetzung über den Anspruch seine Obliegenheit erfüllt.
aa) Das in einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist in der zweiten Stufe enthaltene Erfordernis des Einklagens von Annahmeverzugsansprüchen, die von einem Kündigungsschutzprozess abhängen, verlangt aus der Sicht des Durchschnittsarbeitnehmers nicht mehr als die Erhebung der Kündigungsschutzklage selbst, die bereits eine ausreichende schriftliche Geltendmachung der von dem Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängigen Ansprüche darstellt. Die zweite Stufe verdeutlicht dem Arbeitnehmer nach allgemeinem Sprachgebrauch nur, dass ein Anspruch vor einem Gericht vorgebracht werden muss und eine außergerichtliche Geltendmachung nicht genügt. Wie bei der schriftlichen Geltendmachung kann er davon ausgehen, dass die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine Geltendmachung von hiervon abhängigen Ansprüchen auf Annahmeverzugsvergütung beinhaltet, denn die Kündigungsschutzklage ist in der Regel nicht auf den Erhalt des Arbeitsplatzes beschränkt, sondern zugleich und gerade auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust der Arbeitsstelle möglicherweise verlorengehen. Dem Erfordernis einer Klageerhebung bzw. gerichtlichen Geltendmachung hat der Arbeitnehmer aus seiner Sicht damit zugleich Genüge getan. Von einem nicht rechtskundigen Arbeitnehmer kann insbesondere nicht erwartet werden, dass er den prozessualen Begriff des Streitgegenstands und dessen Bedeutung kennt. Will der Arbeitgeber als Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen erreichen, dass der Arbeitnehmer bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, in Unkenntnis von dessen Ergebnis und unter Inkaufnahme eines unnötigen Kostenrisikos, eine bezifferte Leistungsklage binnen bestimmter Frist jeweils nach Fälligkeit der Annahmeverzugsansprüche und etwaiger anderer Ansprüche erhebt, so muss er dies klar und deutlich zum Ausdruck bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eines weitergehenden Schutzes bedarf der Arbeitgeber nicht, denn durch die Kündigungsschutzklage ist er ausreichend über den Willen des Arbeitnehmers unterrichtet, die durch die Kündigung bedrohten Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten (vgl. auch Senat 26. April 2006 – 5 AZR 403/05 – BAGE 118, 60, 62).
bb) Diese Auslegung ist auch im Streitfall geboten. Auch wenn vom Kläger als Bankangestelltem gewisse Rechtskenntnisse erwartet werden dürfen, beziehen sich diese typischerweise nicht auf die Einhaltung arbeitsrechtlicher Ausschlussfristen.
3. Etwaige, gegebenenfalls auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu zweistufigen Ausschlussfristen in Tarifverträgen zurückgehende Auslegungszweifel (vgl. hierzu Senat 26. April 2006 – 5 AZR 403/05 – BAGE 118, 60, 62 f.; Krause RdA 2004, 106, 115 ff. mit umfangreichen Nachweisen) gingen nach der Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) zu Lasten der Beklagten. Führt nämlich die objektive Auslegung zu dem Ergebnis, dass die vom Arbeitgeber verwendete Klausel nach dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinns und Zwecks objektiv mehrdeutig ist und die Mehrdeutigkeit nicht beseitigt werden kann, greift die arbeitnehmerfreundlichste Auslegung ein (BAG 24. Oktober 2007 – 10 AZR 825/06 – Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26; 12. September 2006 – 9 AZR 675/05 – BAGE 119, 248, 253). Die Ausschlussklausel gilt zwar für beide Vertragsparteien gleichermaßen. Die Fristwahrung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage kommt aber nur zugunsten des Arbeitnehmers in Betracht.
4. Danach kann hier dahinstehen, ob zweistufige Ausschlussklauseln, die dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegen, vor rechtskräftigem Abschluss eines Kündigungsschutzprozesses die davon abhängigen Annahmeverzugsansprüche jeweils binnen einer mit Fälligkeit beginnenden Frist mittels einer bezifferten Leistungsklage geltend zu machen, zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Laux, W. Hinrichs, Heyn
Fundstellen
Haufe-Index 2006772 |
BAGE 2009, 198 |
DB 2008, 1975 |
DStR 2008, 2494 |