Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsvertrag. Geschäftsführerdienstvertrag. Wechsel von einem Arbeitsverhältnis in ein Geschäftsführerdienstverhältnis. Unklarheitenregel. Schriftform und Andeutungstheorie
Leitsatz (amtlich)
Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag, wird vermutet, dass das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführerdienstverhältnisses einvernehmlich beendet wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist. Durch einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag wird in diesen Fällen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt.
Orientierungssatz
1. Durch den Geschäftsführerdienstvertrag werden die vertraglichen Beziehungen der Parteien zueinander auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage entfällt. Mit dem Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags und der damit einhergehenden Bestellung zum Geschäftsführer werden für den Beschäftigten bereits von Gesetzes wegen zahlreiche neue Rechte und Pflichten aus dem GmbHG begründet. Einem Arbeitnehmer muss deshalb klar sein, dass mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags und der Bestellung zum Geschäftsführer sein Arbeitsverhältnis endet.
2. Es besteht vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls kein Zweifel iSv. § 305c Abs. 2 BGB daran, dass ein Arbeitnehmer mit Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags seine vertraglichen Beziehungen ausschließlich auf diese neue vertragliche Grundlage stellt und damit zugleich das zuvor bestandene Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit beendet. Diese Rechtsfolge entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit über zehn Jahren und der ganz hM im Schrifttum. Sie ist für Arbeitnehmer in leitender Position, die in der Regel solche Vereinbarungen abschließen, objektiv erkennbar.
3. Zweifel iSv. § 305c Abs. 2 BGB bestehen auch nicht vor dem Hintergrund der im Schrifttum erörterten Auswirkungen des zum 1. Mai 2000 in Kraft getretenen § 623 BGB. Die Einhaltung der Formvorschrift ist von der vorrangigen Auslegung der getroffenen Vereinbarung zu unterscheiden. Formvorschriften beschränken bei formbedürftigen Rechtsgeschäften nicht die bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigenden Umstände. Lediglich bei der Prüfung der Frage, ob die einschlägigen Formvorschriften beachtet worden sind, ist festzustellen, ob der im Wege der Auslegung ermittelte Parteiwille in der vorgeschriebenen Form der Erklärungen zum Ausdruck gekommen ist.
4. Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Auflösungsvertrag bedarf nach § 623 BGB der Schriftform. Ist die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht ausdrücklich vereinbart, ist im Wege der Auslegung der getroffenen schriftlichen Vereinbarung festzustellen, ob der Wille, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, in der schriftlichen Vereinbarung zum Ausdruck gekommen ist. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat. Schließt ein Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen schriftlichen Dienstvertrag, der Grundlage der Bestellung zum Geschäftsführer ist, findet der Wille der Vertragsparteien, das zuvor begründete Arbeitsverhältnis zu beenden, in dem schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag hinreichend deutlich Anklang.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 305c Abs. 2, § 623; GmbHG § 35
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 04.07.2006; Aktenzeichen 1 Sa 632/05) |
ArbG Dresden (Urteil vom 22.06.2005; Aktenzeichen 3 Ca 3918/04) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 4. Juli 2006 – 1 Sa 632/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte.
Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst auf Grund eines Arbeitsvertrags vom 18. September 2001 ab dem 1. Januar 2002 als Steuerberaterin beschäftigt. Am 23. August 2002 schloss die Klägerin mit der Beklagten, vertreten durch den geschäftsführenden Gesellschafter, einen Geschäftsführerdienstvertrag. Das Geschäftsführerdienstverhältnis begann am 23. August 2002 und war auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2003 kündigte die Beklagte den Geschäftsführerdienstvertrag zum 31. Dezember 2003. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 23. Juni 2003 mit, sie lege ihr Amt als Geschäftsführerin mit sofortiger Wirkung nieder. Mit Schreiben vom 19. Juli 2004 kündigte die Beklagte vorsorglich ein etwaiges Arbeitsverhältnis fristlos.
Die Klägerin hat geltend gemacht, das auf Grund des Arbeitsvertrags vom 18. September 2001 begründete Arbeitsverhältnis sei durch den Geschäftsführerdienstvertrag nicht aufgehoben worden. Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei unwirksam.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die vorsorglich ausgesprochene fristlose Kündigung vom 19. Juli 2004 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei mit dem Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags vom 23. August 2002 beendet worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.
I. Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage ist nicht begründet. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung vom 19. Juli 2004 hat zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden. Das durch den Arbeitsvertrag vom 18. September 2001 begründete Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags vom 23. August 2002 mit sofortiger Wirkung wirksam beendet worden. Das Arbeitsverhältnis hat während der Zeit der Bestellung als Geschäftsführerin nicht geruht und ist nach dem 31. Dezember 2003 nicht wieder aufgelebt.
1. Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber oder mit der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft, bei der er angestellt ist, einen Geschäftsführerdienstvertrag, wird vermutet, dass hierdurch zugleich das bisherige Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Beginns des Geschäftsführerdienstverhältnisses aufgelöst wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist.
a) Durch den Geschäftsführerdienstvertrag werden die vertraglichen Beziehungen der Parteien zueinander auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage entfällt.
aa) Mit dem Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags und der damit einhergehenden Bestellung zum Geschäftsführer werden für den Beschäftigten bereits von Gesetzes wegen zahlreiche neue Rechte und Pflichten aus dem GmbHG begründet, die sich von den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen deutlich unterscheiden. Der Geschäftsführer vertritt gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG die Gesellschaft nach außen, so dass der Arbeitnehmer mit der Bestellung zum Geschäftsführer jedenfalls in formaler Hinsicht eine Arbeitgeberstellung einnimmt. Den Geschäftsführer trifft des Weiteren die Außenhaftung nach § 43 GmbHG sowie die Haftung nach § 64 Abs. 2 GmbHG bei verspäteter Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Schon diese gesellschaftsrechtlichen Regelungen stehen der Annahme entgegen, das Geschäftsführerdienstverhältnis stehe dem zuvor bestehenden Arbeitsverhältnis gleich. Auch wenn die Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft wegen fortbestehender weitreichender Weisungsgebundenheit arbeitsvertraglicher Natur sein sollten (dazu BAG 26. Mai 1999 – 5 AZR 664/98 – AP GmbHG § 35 Nr. 10 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 76), hätte das der Geschäftsführerbestellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ungeachtet der vertraglichen Vereinbarungen schon auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten eines Geschäftsführers einen neuen Inhalt.
bb) Den gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen wird verfahrensrechtlich durch § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Rechnung getragen. Der als Geschäftsführer Beschäftigte kann nach dieser Bestimmung seine Ansprüche gegen die Gesellschaft nicht vor den Arbeitsgerichten geltend machen (vgl. BAG 23. August 2001 – 5 AZB 9/01 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 54 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 36). Das gilt ebenso für den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft (BAG 20. August 2003 – 5 AZB 79/02 – BAGE 107, 165). Die Bestellung zum Geschäftsführer hat auch kündigungsschutzrechtliche Folgen. Im Falle einer Kündigung kann sich der Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 14 Abs. 1 KSchG nicht auf den gesetzlichen Kündigungsschutz berufen, auch wenn er tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft steht. Nur der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft kann nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts diesen Schutz beanspruchen, wenn er in einem Arbeitsverhältnis steht (15. April 1982 – 2 AZR 1101/79 – BAGE 39, 16; aA Zimmer/Rupp GmbHR 2006, 572, 574). Er kann diesen Schutz aber nicht vor den Arbeitsgerichten geltend machen, sondern muss vor den ordentlichen Gerichten Klage erheben (BAG 20. August 2003 – 5 AZB 79/02 – aaO).
cc) Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Regelungen muss einem Arbeitnehmer klar sein, dass mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags und der Bestellung zum Geschäftsführer sein Arbeitsverhältnis endet. Ohne besondere, vom gekündigten Geschäftsführer darzulegende Umstände ist bei verständiger Auslegung der rechtsgeschäftlichen Erklärungen (§§ 133, 157 BGB) kein Grund dafür ersichtlich, dass der alte Vertrag fortgelten soll. Hierbei handelt es sich nicht um eine Lückenfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, sondern um die Feststellung des Inhalts des vertraglich Vereinbarten durch Auslegung des Vertrags selbst.
b) Diese Rechtslage entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit Anfang der neunziger Jahre. Sie ist durch ein Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts im Jahre 1993 (7. Oktober 1993 – 2 AZR 260/93 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 16 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 9) unter teilweiser Korrektur älterer Rechtsprechung (17. August 1972 – 2 AZR 359/71 – BAGE 24, 383, 386 f.; 9. Mai 1985 – 2 AZR 330/84 – BAGE 49, 81, 90 f.) begründet und seitdem fortgeführt worden (vgl. 28. September 1995 – 5 AZB 4/95 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 24 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 12; 8. Juni 2000 – 2 AZR 207/99 – BAGE 95, 62; 25. April 2002 – 2 AZR 352/01 – AP ZPO 1977 § 543 Nr. 11 = EzA ZPO § 543 Nr. 11; 24. November 2005 – 2 AZR 614/04 – AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 19 = EzA KSchG § 1 Nr. 59; 14. Juni 2006 – 5 AZR 592/05 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 62 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 40). Das Bundesarbeitsgericht hat hiermit der gegen die älteren Entscheidungen erhoben Kritik Rechnung getragen (vgl. dazu Fleck FS Hilger/Stumpf S. 197, 210; Hueck ZfA 1985, 25, 32; Martens Anm. AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 3). Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum zustimmend aufgenommen worden (vgl. Bauer/Baeck/Lösler ZIP 2003, 1821, 1822; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck GmbHG 18. Aufl. § 35 Rn. 173; Boemke ZfA 1998, 209, 224; Haase GmbHR 2004, 279, 281; Jaeger NZA 1998, 961, 964; Kamanabrou Anm. AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 19; Nägele BB 2001, 305 ff.; Reinecke ZIP 1997, 1525, 1532; Roth/Altmeppen GmbHG 5. Aufl. § 6 Rn. 39; Schrader/Straube GmbHR 2005, 904, 906). Insoweit besteht auch kein Unterschied zu sonstigen Änderungen der vertraglichen Beziehungen. Steigt ein Angestellter innerhalb des Unternehmens auf und werden ihm Aufgaben eines leitenden Angestellten iSv. § 14 Abs. 2 KSchG übertragen, führt dies zu einer Verschlechterung des Bestandsschutzes, weil der Arbeitgeber gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG einen Auflösungsantrag nicht zu begründen braucht und sich so gegen Zahlung einer Abfindung von dem Angestellten trennen kann, ohne dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG erfüllt sein müssen. Für den leitenden Angestellten wird das Kündigungsschutzgesetz im Gegensatz zum nicht leitenden Angestellten dann zum “Abfindungsgesetz” und verliert seine Funktion als “Bestandsschutzgesetz”. Den Eintritt dieser Rechtsfolge kann der Arbeitnehmer jedoch unbestritten nicht mit dem Hinweis auf ein ruhendes “normales” Arbeitsverhältnis ausschließen, wenn nicht besondere Vereinbarungen getroffen worden sind.
2. Im vorliegenden Fall sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass abweichend von der vermuteten Beendigung des Arbeitsverhältnisses das ursprüngliche Arbeitsverhältnis als Steuerberaterin während der Bestellung zur Geschäftsführerin ab dem 23. August 2002 ruhend fortbestanden hat. Der alleinvertretungsberechtigte geschäftsführende Geschäftsführer der Beklagten hat am 23. August 2002 mit der Klägerin einen Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen, der im Einzelnen die sich aus der Bestellung zur weiteren Geschäftsführerin der Beklagten ergebenden Rechte und Pflichten regelte. Es ist weder vorgetragen noch sonst wie erkennbar, dass die Klägerin nur pro forma als “Strohmann” zur Geschäftsführerin der Beklagten ernannt wurde. Unerheblich ist die Behauptung der Klägerin, sie habe nicht gewusst, dass sie mit dem Abschluss des Dienstvertrags ihren Status als Arbeitnehmerin verliere. Hierbei handelt es sich um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum.
3. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei dem Geschäftsführerdienstvertrag vom 23. August 2002 um einen von der Beklagten vorformulierten Vertrag handelt, auf dessen Inhalt die Klägerin keinen Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) und der deshalb der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegt, ergibt sich kein anderes Auslegungsergebnis.
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372; BGH 14. Juli 2004 – VIII ZR 339/03 – NJW 2004, 2961, zu II 1a der Gründe). Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3; BGH 19. Januar 2005 – XII ZR 107/01 – BGHZ 162, 39; Staudinger/Schlosser BGB [2006] § 305c Rn. 106 mwN).
b) Es besteht kein Zweifel iSv. § 305c Abs. 2 BGB daran, dass die Klägerin mit Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags ihre vertraglichen Beziehungen ausschließlich auf diese neue vertragliche Grundlage gestellt hat und damit zugleich das zuvor bestandene Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit beendet hat. Diese Rechtsfolge entspricht bereits der oben (unter I 1b der Gründe) dargestellten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der ganz hM im Schrifttum. Sie ist für Arbeitnehmer in leitender Position, die in der Regel solche Vereinbarungen abschließen, objektiv erkennbar. Ein Arbeitnehmer, der mit der Unterzeichnung des Geschäftsführerdienstvertrags und der Bestellung zum Geschäftsführer die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten übernimmt und damit Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, muss – soweit nichts anderes vereinbart ist – davon ausgehen, dass mit der vereinbarten Aufnahme der Tätigkeit als Geschäftsführer sein Arbeitsverhältnis endet. Ein vernünftiger Zweifel, der die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB rechtfertigen könnte, besteht daher nicht.
c) Zweifel bestehen auch nicht vor dem Hintergrund der im Schrifttum erörterten Auswirkungen des zum 1. Mai 2000 in Kraft getretenen § 623 BGB (hierzu Baeck/Hopfner DB 2000, 1914; Bauer GmbHR 2000, 767; Bauer/Baeck/Lösler ZIP 2003, 1821; Fischer NJW 2003, 2417; Haase GmbHR 2004, 279; Hümmerich/Schmidt-Westphal DB 2007, 222; Krause ZIP 2000, 2284; Langner DStR 2007, 535; Sasse/Schnitger BB 2007, 154, 156; Schrader/Straube GmbHR 2005, 904; Zirnbauer FS zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein S. 553). Die Einhaltung der Formvorschrift ist von der vorrangigen Auslegung der getroffenen Vereinbarung zu unterscheiden (BGH 17. Februar 2000 – IX ZR 32/99 – NJW 2000, 1569; Baeck/Hopfner DB 2000, 1914, 1915; Langner DStR 2007, 535, 537; Schrader/Straube GmbHR 2005, 904, 906). Formvorschriften beschränken bei formbedürftigen Rechtsgeschäften nicht die für die Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen Umstände (vgl. MünchKommBGB/Busche 5. Aufl. § 133 Rn. 29 mwN). Allein bei der Prüfung der Frage, ob die einschlägigen Formvorschriften beachtet worden sind, ist festzustellen, ob der im Wege der Auslegung ermittelte Parteiwille in der vorgeschriebenen Form der Erklärungen zum Ausdruck gekommen ist.
4. Die im schriftlichen Dienstvertrag vom 23. August 2002 konkludent vereinbarte Aufhebung des mit Vertrag vom 18. September 2001 begründeten Arbeitsverhältnisses ist nicht nach § 623 iVm. § 125 BGB nichtig.
a) Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Auflösungsvertrag bedarf nach § 623 BGB der Schriftform. Ist die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht ausdrücklich vereinbart, ist im Wege der Auslegung der getroffenen schriftlichen Vereinbarung festzustellen, ob der Wille, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, in der schriftlichen Vereinbarung zum Ausdruck gekommen ist. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat (BAG 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 – BAGE 112, 58, 61; BGH 17. Februar 2000 – IX ZR 32/99 – NJW 2000, 1569, zu II 3 der Gründe; 12. Juli 1996 – V ZR 202/95 – NJW 1996, 2792, zu III 1 der Gründe).
b) Schließt ein Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen schriftlichen Dienstvertrag, der Grundlage der Bestellung zum Geschäftsführer ist, besteht die tatsächliche Vermutung, dass damit zugleich das zuvor begründete Arbeitsverhältnis aufgelöst wird. Der neue Vertrag ist – wie oben ausgeführt (unter I 1 der Gründe) – ausschließliche Grundlage der rechtlichen Beziehungen der Parteien, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. Damit sind durch den schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag die zuvor vereinbarten Rechte und Pflichten der Parteien konkludent aufgehoben. Dieser Wille der Vertragsparteien, das zuvor begründete Arbeitsverhältnis zu beenden, kommt in dem schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag hinreichend deutlich zum Ausdruck (in diesem Sinne auch Baeck/Hopfner DB 2000, 1914, 1915; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck § 35 Rn. 173; MünchKommBGB/Henssler 4. Aufl. § 623 Rn. 25; Kamanabrou DB 2002, 146, 150; Langner DStR 2007, 535, 539; ErfK/Müller-Glöge 7. Aufl. § 623 BGB Rn. 12; Roth/Altmeppen § 6 Rn. 39; Schrader/Straube GmbHR 2005, 904, 907; enger Krause ZIP 2000, 2284, 2289; KR-Spilger 8. Aufl. § 623 BGB Rn. 239; Staudinger/Oetker BGB [2002] § 623 Rn. 65). Der von § 623 BGB bezweckte Übereilungsschutz steht dem nicht entgegen (aA Bauer GmbHR 2000, 767, 769; Fischer NJW 2003, 2417, 2418). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass mit dem schriftlichen Dienstvertrag eine Vertragsurkunde vorliegt, die dem Arbeitnehmer verdeutlicht, dass nunmehr die vertraglichen Beziehungen zu seinem Arbeitgeber auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Der von § 623 BGB bezweckten Warnung des Arbeitnehmers wird damit genügt. Hinzu kommt, dass Geschäftsführerdienstverträge anders als manche einfache Auflösungsvereinbarungen in der Regel erst nach längeren Verhandlungen geschlossen werden.
c) Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist vorliegend eine formwirksame Beendigung des am 18. September 2001 begründeten Arbeitsverhältnisses zum 23. August 2002 erfolgt. Die Klägerin hat einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen. Mit dem Dienstvertrag wurden die vertraglichen Beziehungen zur Beklagten neu geregelt. Dem Geschäftsführerdienstvertrag und dem sonstigen Vortrag der Parteien sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Vereinbarung eines Ruhens des bis dahin bestehenden Arbeitsverhältnisses zu entnehmen.
5. Der Dienstvertrag wurde auf Seiten der Beklagten vom alleinvertretungsberechtigten geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten unterzeichnet. Mit dem Abschluss des Dienstvertrags hat damit ein zur Vertretung der Beklagten Berechtigter das zu jener Zeit bestehende Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zugleich einvernehmlich aufgelöst. Auf Grund dieser tatsächlichen Umstände bedarf die im Schrifttum erörterte Frage der wirksamen Vertretung der Gesellschaft zum Abschluss des Auflösungsvertrags, wenn nicht vertretungsberechtigte Gesellschafter den Dienstvertrag schließen, keiner Erörterung (vgl. dazu Bauer/Baeck/Lösler ZIP 2003, 1821, 1823 ff.; Fischer NJW 2003, 2417, 2419; Gravenhorst GmbHR 2007, 710; Hümmerich/Schmidt-Westphal DB 2007, 222; Langner DStR 2007, 535).
II. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahren zu tragen.
Unterschriften
Fischermeier, Dr. Armbrüster, Linck, Kapitza, D. Knauß
Fundstellen
Haufe-Index 1800599 |
BAGE 2009, 294 |
BB 2008, 390 |
DB 2007, 2093 |
DStR 2007, 1774 |