Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliche Folgen der Anpassung von Betriebsrenten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anpassung von Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung kann nach § 16 BetrAVG ganz oder teilweise abgelehnt werden, wenn und soweit dadurch eine übermäßige Belastung des Unternehmens verursacht würde.
2. Als übermäßig ist die Belastung dann anzusehen, wenn es mit einiger Wahrscheinlichkeit unmöglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen.
3. Die dazu erforderliche Prognose muß auf die Unternehmensentwicklung der zurückliegenden Zeit gestützt werden. Hat sich die Anpassungsentscheidung verzögert oder findet eine gerichtliche Nachprüfung statt, so darf die positive oder negative Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag nicht außer Betracht bleiben.
4. Die Einschränkung des Personalbestandes erlaubt für sich betrachtet keine Voraussagen für die Unternehmensentwicklung. Ebenso können negative Bilanzergebnisse in einzelnen zurückliegenden Jahren nur in Verbindung mit anderen Daten aussagekräftig sein.
5. Soweit das Unternehmen Versorgungsrückstellungen in seiner Bilanz ausweist, sind die steuerlichen und wirtschaftlichen Vorteile, die sich auf diese Weise erzielen lassen, bei der Anpassungsprüfung zu berücksichtigen.
Normenkette
BGB §§ 242, 315; BetrAVG § 16
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 17.01.1983; Aktenzeichen 12 Sa 83/82) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.05.1982; Aktenzeichen 27 Ca 343/81) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Anpassung seiner Betriebsrente nach § 16 BetrAVG.
Der Kläger war bei der Beklagten als Faßbierfahrer beschäftigt. Nach seinem Ausscheiden im Jahre 1973 erhielt er neben der Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung von der Beklagten ein betriebliches Ruhegeld, das zunächst 160,-- DM monatlich betrug. Ab 1. Januar 1977 erhöhte die Beklagte die Betriebsrente auf 200,-- DM monatlich.
Zum 1. Juli 1980 hat die Beklagte eine Anpassungsprüfung vorgenommen. Sie hat für den Kläger und weitere 391 Betriebsrentner eine Erhöhung abgelehnt, da deren Gesamtversorgungsgrad, bezogen auf die Nettoeinkommen vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer, deutlich angestiegen sei. Für den Kläger hat die Beklagte eine Steigerung des Versorgungsgrades seit 1973 bis 1980 von 118,34 % auf 123,91 % errechnet. Ferner hat die Beklagte geltend gemacht, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens habe eine Anpassung der Renten an die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht zugelassen. Sie hat sich zur Begründung auf folgende unstreitigen Tatsachen berufen:
Von 1977 bis 1981 hat die Beklagte die Zahl ihrer aktiven Arbeitnehmer von 983 auf 698, d.h. um 29 %, verringert. Das Verhältnis von Betriebsrentnern und aktiven Arbeitnehmern beträgt 1 : 1. Am 31. Dezember 1978 wurde die bei der Beklagten bestehende Unterstützungskasse für neu eintretende Arbeitnehmer geschlossen. Die Kasse verfügte im Jahre 1980 nur noch über 3,5 Mio. DM als Deckungskapital bei Verbindlichkeiten für laufende Leistungen und Anwartschaften in Höhe von 15,34 Mio. DM. Infolge der Unterdotierung mußte die Beklagte die laufenden Renten aus den Unternehmenserträgen zahlen. Im Jahre 1980 konnte die Beklagte keine Pensionsrückstellungen in steuerlich zulässiger Höhe vornehmen; sie ging daher dazu über, die Rückstellungen auf drei Jahre zu erstrecken.
Ausweislich der Handelsbilanzen sowie der Gewinn- und Verlustrechnungen erzielte die Beklagte in den Jahren 1977 bis 1980 folgende Ergebnisse:
1977 1,46 Mio. DM
1978 -3,65 Mio. DM
1979 1,25 Mio. DM
1980 1,25 Mio. DM
Der Verlust des Jahres 1978 konnte in der Bilanz durch eine entsprechend hohe Entnahme aus der gesetzlichen Rücklage ausgeglichen werden. Bisher ist dieser Betrag der Rücklage nicht wieder zugeführt worden.
Das in den einzelnen Jahren aus der Gewinn- und Verlustrechnung ermittelte Betriebsergebnis ergab - vor Steuern - folgende Beträge:
1977 3,51 Mio. DM
1978 1,199 Mio. DM
1979 1,605 Mio. DM
1980 0,646 Mio. DM
Korrigiert um Gewerbe-, Kapital-, Lohnsummen-, Vermögens- und Grundsteuer wurden folgende Betriebsergebnisse erzielt:
1977 1,864 Mio. DM
1978 -0,223 Mio. DM
1979 0,697 Mio. DM
1980 -0,029 Mio. DM
In den Jahren 1979 und 1980 zahlte die Beklagte eine Dividende in Höhe von jeweils 6 % und im Jahre 1981 in Höhe von 7 %.
Eine Anpassung der Betriebsrenten im Jahre 1980 um 10 % hätte liquide Mittel in Höhe von 50.000,-- DM im laufenden Jahr beansprucht. Der buchmäßige Aufwand für die entsprechende Erhöhung des Deckungskapitals hätte 800.000,-- DM betragen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sei nicht so schwierig wie von der Beklagten dargestellt. Die Ablehnung der Anpassung sei unbillig. Die Beklagte selbst habe ihre wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 1980 als "befriedigend" und im Jahre 1981 als "gut" bezeichnet. Der hohe Personalabbau sei auf eine starke Inanspruchnahme der "59er Regelung" zurückzuführen; viele ältere Arbeitnehmer seien ausgeschieden, teilweise gegen Abfindungen bis zu 60.000,-- DM. Die Zahl der Rentner sei ebenfalls stark zurückgegangen. Schließlich habe die Beklagte bei zwei ehemaligen außertariflichen Angestellten die Betriebsrenten um 40,-- DM bzw. 46,-- DM monatlich angepaßt und damit Maßstäbe gesetzt.
Mit der Klage hat der Kläger entsprechend einer Teuerungsrate von 9,9 %, die sich in der Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 31. Dezember 1979 ergeben hat, dreizehn rückständige Monatsbeträge mit je 19,80 DM für die Monate Juli 1980 bis Juli 1981 geltend gemacht. Er hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 257,40 DM
brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 14. September
1981 zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, ihm ab August 1981 ein monatliches Ruhe-
geld von 219,80 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, aus dem von ihr vorgelegten Zahlenmaterial ergebe sich, daß ihre wirtschaftliche Lage im Jahre 1980 eine Anpassung noch nicht zugelassen habe. Nachdem sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse seit dem Jahre 1982 verbessert hätten, sei sie inzwischen dazu übergegangen, die Betriebsrenten in größerem Umfang anzupassen. Sie erwarte, daß die Anpassungsprüfung im Jahre 1983 auch für den Kläger positiv ausfalle.
Das Arbeitsgericht hat dem Begehren des Klägers entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kann der Kläger sein Anpassungsbegehren nicht stützen. Selbst wenn die Beklagte im Jahre 1980 die Rente zweier ehemaliger außertariflicher Angestellter angehoben haben sollte, so folgte daraus noch nicht, daß sie auch die Renten des Klägers und der anderen früheren gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten anheben müßte. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes käme nur in Betracht, wenn die Beklagte die Renten bei Gruppen von Rentnern angepaßt hätte, die Anpassung aber bei einzelnen Rentnern aus unsachlichen Gründen abgelehnt hätte. Daß die Beklagte so verfahren sei, hat der Kläger nicht dargelegt. Auch die Revision ist hierauf nicht mehr eingegangen.
II. Dem Berufungsgericht ist aber nicht zu folgen, soweit es aus den von der Beklagten mitgeteilten Daten schließt, die gesetzlichen Voraussetzungen einer Anpassung nach § 16 BetrAVG seien nicht erfüllt. Hierzu sind weitere Feststellungen erforderlich.
1. Gemäß § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Rentenleistungen zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
a) Das Gesetz verlangt eine Billigkeitsentscheidung des Arbeitgebers. Diese muß der Versorgungsempfänger durch die Gerichte überprüfen lassen können. Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 2 und 3 BGB ist geboten. Diese Auslegung entspricht dem Zweck des Gesetzes und wird durch die Entstehungsgeschichte des § 16 BetrAVG belegt. Eine in § 6 k des Gesetzesentwurfs enthaltene Verweisung auf § 315 BGB ist nur deshalb nicht in die endgültige Fassung aufgenommen worden, weil sie für entbehrlich gehalten wurde (BT-Drucks. 7/2843 S. 34 und Sitzungsberichte des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 134. Sitzung S. 9064 ff.; vgl. ferner Urteile des Senats vom 1. Juli 1976 - 3 AZR 37/76 - AP Nr. 2 zu § 16 BetrAVG, zu B I 1 d und II der Gründe und BAG 28, 279, 288 = AP Nr. 4 zu § 16 BetrAVG, zu V der Gründe).
b) Bei der Ausübung seines billigen Ermessens muß der Arbeitgeber nach § 16 BetrAVG die Belange der Versorgungsberechtigten einerseits und seine eigene wirtschaftliche Lage andererseits beachten. Beide Merkmale bedürfen der Konkretisierung. Für sich betrachtet bieten sie weder objektive Kriterien noch Wertungsgesichtspunkte. Die Konkretisierung muß sich daher am Zweck der Regelung orientieren.
§ 16 BetrAVG will eine Anpassung der Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung erreichen, ohne der Wirtschaft eine schematische Indexierung aufzuerlegen (BT-Drucks. 7/2843 S. 12 zu § 6 des Entwurfs). Die Vorstellungen des Gesetzgebers werden deutlich, wenn man die Vorgeschichte berücksichtigt: Schon vor der Schaffung des § 16 BetrAVG hatte die Rechtsprechung eine Anpassungsprüfung und gegebenenfalls eine Anpassung der Renten an den Kaufkraftverlust verlangt. Der Senat hatte diese Auffassung seinerzeit mit dem rechtlichen Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründet und ausgeführt, die billigenswerten Interessen des Arbeitgebers sowie die Bedrängnisse des Pensionärs seien zu berücksichtigen. Als Maßstab für eine nachhaltige Störung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung hatte der Senat einen Kaufkraftverlust von mindestens 40 % angesehen (Urteil vom 30. März 1973, BAG 25, 146 ff. = AP Nr. 4 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Geldentwertung). Der Gesetzgeber des Betriebsrentengesetzes hat diesen schwer bestimmbaren Grenzwert im Interesse der Vereinfachung und Vereinheitlichung durch ein rein zeitliches Tatbestandsmerkmal ersetzt, nämlich den dreijährigen Anpassungsturnus. Hinsichtlich der maßgebenden Kriterien für die Bewertung der Interessen von Arbeitgeber und Rentner ist der Gesetzgeber hingegen der Rechtsprechung gefolgt (Blomeyer, NZA 1985, 1, 5). Auch nach § 16 BetrAVG sind die Interessen beider Seiten zu berücksichtigen. Mithin enthält die Vorschrift eine konkretisierende Regelung für den Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Kaufkraftverlust von Betriebsrenten: Nach drei Jahren gilt der Kaufkraftverlust als Anpassungsgrund, und zwar unabhängig von der Höhe der Teuerungsrate. Der Arbeitnehmer muß die eingetretene Äquivalenzstörung für die Zukunft nicht mehr ohne weiteres tragen. Wenn die wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers nicht entgegenstehen, kann er nunmehr eine Anpassung verlangen.
2. Da der Kaufkraftverlust der Betriebsrenten in den drei Jahren vor dem Prüfungsstichtag als Anpassungsgrund gilt, müssen die Belange der Rentner vergangenheitsbezogen beurteilt werden.
a) Ansatzpunkt für die Beurteilung des Anpassungsbedarfs ist das Ausmaß der Verteuerung. Eine schematische Anbindung der betrieblichen Versorgungsleistungen an die Gehaltsentwicklung oder die Entwicklung der Sozialversicherungsrenten war nicht gewollt (BT-Drucks. 7/2843 S. 12 zu § 6 k; BAG 28, 279, 290 = AP Nr. 4 zu § 16 BetrAVG, zu VI 1 der Gründe; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Band I, 2. Aufl., § 16 Rz 18). Die Verteuerung läßt sich ablesen an der Veränderung des Preisindexes für die Lebenshaltung. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung den Preisindex angewendet, der für die Lebenshaltung eines Vierpersonenarbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen vom Statistischen Bundesamt ermittelt wird (BAG 25, 146 = AP Nr. 4 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Geldentwertung; BAG 28, 279, 291 = AP Nr. 4 zu § 16 BetrAVG, zu VI 1 der Gründe). Hieran hält der Senat fest.
b) Die Rentner können nicht in jedem Falle den vollen Ausgleich des Kaufkraftverlustes verlangen. Die Berücksichtigung ihrer Belange reicht nur bis zur vollen Beteiligung an der Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen. Bereits in seinem Urteil vom 15. September 1977 (BAG 29, 294, 314 f. = AP Nr. 5 zu § 16 BetrAVG, zu B II 3 b (1) der Gründe) hat der Senat darauf hingewiesen, daß eine entsprechende Begrenzung geboten ist, weil der Arbeitgeber sonst Unverständnis und Unzufriedenheit der aktiven Arbeitnehmer befürchten müsse. Gebilligt hat der Senat daher die Anwendung einer "reallohnbezogenen Obergrenze", bei der verglichen wird, welche Entwicklung die Betriebsrenten und die durchschnittlichen Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer in einem Unternehmen genommen haben. Hat die aktive Belegschaft keinen vollen Teuerungsausgleich erhalten, so müssen sich auch die Betriebsrentner mit einer entsprechend geringeren Anpassungsrate begnügen (vgl. im einzelnen BAG 36, 39, 50 = AP Nr. 11 zu § 16 BetrAVG, zu III 3 der Gründe).
Abzulehnen sind hingegen Obergrenzen, die die Steigerung der Sozialversicherungsrenten als Teuerungsausgleich berücksichtigen. Das hat der Senat wiederholt entschieden (BAG 32, 317 und 36, 39 = AP Nr. 8 und 11 zu § 16 BetrAVG) und daran hält er fest.
c) Im Streitfall ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß eine Rentenanpassung nicht deswegen verweigert werden kann, weil sich der Versorgungsgrad des Klägers, d.h. seine Gesamtversorgung im Vergleich zu dem Nettoeinkommen eines aktiven Arbeitnehmers, verbessert hat. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Nettolöhne der vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer der Beklagten von 1977 bis 1980 stärker gestiegen sind als die Inflationsrate. Da ein voller Teuerungsausgleich die reallohnbezogene Obergrenze nicht erreicht, ist die Klage begründet, wenn nicht die wirtschaftliche Lage der Beklagten entgegensteht.
3. Im Gegensatz zu den Belangen der Rentner kann die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers aus der Sicht des Anpassungstermins nur zukunftsbezogen beurteilt werden. Erst nach dem Stichtag wirkt die Erhöhung der Renten als Geldabfluß aus dem Unternehmen.
a) Auf die Zukunft bezogen bedeutet die Frage nach der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers, daß die durch den Teuerungsausgleich verursachten Belastungen ermittelt und in ihren Auswirkungen für die weitere Entwicklung des Unternehmens abgeschätzt werden müssen. Das Gesetz verlangt daher eine Prognose, wie sie der Betriebswirtschaftslehre nicht fremd ist und auch in anderen Zusammenhängen, z. B. bei der unternehmerischen Planung und Kreditgewährung, gefordert wird (vgl. Heubeck/Löcherbach, DB 1982, 913 ff.; Heubeck/Rössler/Sauerberg, BB 1980 Beilage 13, zu III, S. 3). Absolut eindeutig kann eine langfristige Prognose nicht sein. Für die Anpassungsprüfung muß daher eine durch Tatsachen gestützte Wahrscheinlichkeit genügen.
Hierfür hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung erste Anhaltspunkte entwickelt: Die Anpassung an den Teuerungsverlust kann nach § 16 BetrAVG ganz oder teilweise abgelehnt werden, soweit dadurch eine übermäßige Belastung des Unternehmens verursacht würde. Um eine Anpassung verweigern zu können, muß keine wirtschaftliche Notlage gegeben oder absehbar sein. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt nicht erst dann die Ablehnung einer Anpassung, wenn die Mehrbelastung einen Zusammenbruch des Unternehmens verursachen könnte. Andererseits genügt zur Begründung des Anpassungsbegehrens auch nicht die Feststellung, das Unternehmen werde die zu erwartenden Mehrkosten irgendwie aus der betrieblichen Substanz decken können. Das versorgungspflichtige Unternehmen soll vielmehr langfristig nicht so geschwächt werden, daß es ausgezehrt wird oder durch die Anpassungsbelastung Arbeitsplätze in Gefahr geraten. Eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung darf nicht verhindert werden (BAG 29, 294, 316 = AP Nr. 5 zu § 16 BetrAVG, zu B III der Gründe; 35, 301, 305 = AP Nr. 13 zu § 16 BetrAVG, zu I der Gründe). Die Kosten einer Anpassung müssen daher aus den Erträgen eines Unternehmens und dessen Wertzuwachs finanzierbar sein.
b) Um die bisher nur allgemein beschriebenen Merkmale der "wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers" in die betriebliche und gerichtliche Praxis umsetzen zu können, sind konkretisierende Merkmale zu entwickeln, die es zulassen, billige von unbilligen Anpassungsentscheidungen abzugrenzen, und zwar auf möglichst klare und einfache Weise. Aus der Sicht der Betriebswirtschaft liegt dazu bisher nur ein Modell vor, das die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung entwickelt hat (BetrAV 1980, 156 ff. und Heubeck/Rössler/Sauerberg, BB 1980 Beilage Nr. 13). Aus rechtswissenschaftlicher Sicht hat Blomeyer (NZA 1985, 1, 5 f.) zu dem Problem Stellung genommen.
(1) Das sog. ABA-Modell stellt den Gedanken der Substanzerhaltung und gesunden Weiterentwicklung des Unternehmens in den Mittelpunkt. Es prüft die wirtschaftliche Lage des Unternehmens unter den Gesichtspunkten seiner Ertragslage, seiner Vermögenslage sowie nach dem Grad seiner Substanzerhaltung. Dazu werden Kennzahlen verwendet und ein Definitionenkatalog aufgestellt. Das Modell erscheint - jedenfalls für die juristische Praxis - kompliziert, aufwendig und schwer durchschaubar. Ob es als taugliche Methode zur Darstellung der für § 16 BetrAVG maßgeblichen Kriterien ohne Abstriche gelten kann und auch hinreichend praktikabel ist, läßt sich derzeit noch nicht beurteilen. Dem Senat ist kein Fall bekannt, in dem ein Arbeitgeber oder ein Gericht sich auf das Modell gestützt hätten. Immerhin sind Zweifel denkbar, ob die von der ABA vorgeschlagene Methode alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Das Modell scheint Wertberichtigungen nur zu Lasten einer Anpassungsmöglichkeit vorzusehen (Eliminierung von Scheingewinnen, Berücksichtigung künftiger Lohntrends), während Wertzuwächse des Unternehmens und durch Rückstellungen erzielbare Nettoüberschüsse offenbar nicht erfaßt werden sollen (vgl. auch die Einwendungen gegen die Praktikabilität des Modells von Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl., § 16 Rz 188 bis 190; Schulin, Anm. zu EzA § 16 BetrAVG Nr. 13, zu 1).
(2) Blomeyer (NZA 1985, 1, 5 f.) geht von einer im Grundsatz anderen Ausgangsthese aus. Für ihn soll § 16 BetrAVG nur den "Verrentungsvorteil" ausgleichen. Diesen sieht Blomeyer darin, daß der Arbeitgeber das Deckungskapital für laufende Renten - als Fremd- oder Eigenmittel - längere Zeit nutzen kann. Der Zinsertrag stehe dem Arbeitgeber zur Verfügung, während einmalige Kapitalleistungen, die nicht anzupassen sind, dem Unternehmen sofort in voller Höhe entzogen würden. Aus der Verzinsung des Deckungskapitals für die laufenden Renten sei der Anpassungsbedarf zu finanzieren. Dabei bilde die Teuerungsrate die Obergrenze der Anpassung.
Die Lösung Blomeyers zeigt einen wichtigen Gesichtspunkt auf. Der Arbeitgeber kann mit dem Deckungskapital Gewinne erzielen. § 16 BetrAVG läßt sich aber nicht entnehmen, daß die Anpassung ausschließlich aus Erträgen zu finanzieren ist, die sich aus der Kapitaldeckung der laufenden Rentenverpflichtungen ergeben. Wenn Blomeyer so zu verstehen sein sollte, wäre sein Ansatz zu eng. Das Gesetz ist in Anlehnung an die Anpassungsrechtsprechung des Senats weiter gefaßt. Es erwartet einen Teuerungsausgleich zugunsten der Rentner schon dann, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt bei gesunder Weiterentwicklung die zusätzliche Belastung zuläßt. Ein Grundsatz, nach dem der Anpassungsbedarf nur mit den Erträgen des Deckungskapitals finanzierbar sein muß, würde eine Einschränkung der für die Interessenbewertung maßgebenden Kriterien bedeuten, die sich dem Zweck der gesetzlichen Regelung nach Auffassung des Senats nicht entnehmen läßt.
c) Der vorliegende Rechtsstreit gibt keine Veranlassung, Kriterien zu erörtern, die in allen theoretisch denkbaren Fällen bei unterschiedlichen wirtschaftlichen Lagen maßgeblich sein könnten. Es erscheint zweifelhaft, ob dies bei dem derzeitigen Stand der Diskussion überhaupt möglich wäre. Das Berufungsurteil kann schon nach den vorstehend entwickelten Grundsätzen keinen Bestand haben.
(1) Das Berufungsgericht hat die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rückblickend und abgestellt auf den Anpassungsstichtag (1. Juli 1980) beurteilt. Es hat den mitgeteilten Unternehmensdaten entnommen, die Beklagte habe in den Jahren 1977 bis 1980 mit Schwierigkeiten kämpfen müssen, so daß es am Stichtag nahegelegen habe, die Anpassung abzulehnen. Die Erwiderung des Klägers, die wirtschaftliche Lage der Beklagten habe sich nach einem Einbruch im Jahre 1978 wieder stabilisiert und jedenfalls im Anpassungsjahr drastisch verbessert, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, weil es darauf nicht ankomme. Das ist nicht richtig. Entscheidend für eine Anpassungspflicht der Beklagten ist, ob das Unternehmen in der auf den Anpassungsstichtag folgenden Zeit ohne übermäßige Belastung in der Lage war und sein wird, den Anpassungsbedarf aufzubringen. Die Zeit vor dem Anpassungsstichtag hat nur Bedeutung, soweit sie Schlüsse für die weitere Entwicklung zuläßt. Das Berufungsgericht hätte sich daher dem Vortrag des Klägers nicht verschließen dürfen, sondern ihm nachgehen müssen.
(2) Besondere Bedeutung hat das Berufungsgericht dem Umstand beigelegt, daß die Beklagte ihren Personalbestand in den Jahren 1977 bis 1981 um nahezu ein Drittel verringert hat. Das Berufungsgericht meint, hieraus ergebe sich, daß eine Anpassung der Betriebsrenten nur zu Lasten der aktiven Arbeitnehmer habe vorgenommen werden können. Auch diese Begründung ist nicht überzeugend.
Es trifft zwar zu, daß nach der Rechtsprechung des Senats eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zum Nachteil der aktiven Belegschaft ausschlagen darf. Insoweit müssen die Pensionäre auf ihren früheren Betrieb und die aktiven Arbeitnehmer Rücksicht nehmen, weil diese den Ertrag erwirtschaften, der auch für die künftigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung notwendig ist (BAG 29, 294, 316 = AP Nr. 5 zu § 16 BetrAVG, zu B III der Gründe, und BAG 35, 301, 305 = AP Nr. 13 zu § 16 BetrAVG, zu I der Gründe). Indes verkennt das Berufungsgericht die wirtschaftliche Bedeutung einer Personalreduzierung. Die Verringerung von Arbeitsplätzen ist für sich genommen nicht aussagekräftig. Sie kann zwar ein Zeichen für wirtschaftliche Schwierigkeiten sein, etwa weil das Unternehmen gezwungen ist, seine Kapazitäten erheblich zu verringern oder unwirtschaftlich gewordene Produktionszweige einzustellen. Das hat die Beklagte aber gar nicht behauptet. Vielfach dient die Senkung der Mitarbeiterzahl nur der Rationalisierung. Sie soll hohe Personalkosten abbauen und die Produktivität steigern. Ein solcher Prozeß wird die Wirtschaftskraft des Unternehmens für die Zukunft stärken. Er kann nicht als Argument dafür dienen, den Rentnern müsse ein Ausgleich des Kaufkraftverlustes versagt werden. Eher legt er die gegenteilige Annahme nahe, daß die künftige Entwicklung positiv zu beurteilen ist.
(3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht auch die Schließung der Unterstützungskasse für neu eingestellte Arbeitnehmer im Jahre 1978 nicht dafür, daß von der Beklagten eine Anpassung im Jahre 1980 billigerweise nicht verlangt werden kann. Versorgungswerke sind vielerorts geschlossen worden, und zwar aus unterschiedlichen Gründen und auch ohne wirtschaftliche Zwänge, sogar in florierenden Branchen (vgl. BT-Drucks. 10/2681 vom 2. Januar 1985). Eine wesentliche Rolle hat auch die steuerliche Behandlung der Unterstützungskassen gem. § 4 d EStG gespielt. Daher ist auch diese Maßnahme für sich genommen kein geeignetes Indiz, um die wirtschaftliche Lage der Beklagten als schlecht zu kennzeichnen.
Aber selbst wenn für die Beklagte das schlechte Ergebnis des Jahres 1978 den Ausschlag für die Schließung des Versorgungswerks gegeben hätte, wäre dies kein eindeutiges Anzeichen dafür, daß trotz der seit 1979 erkennbaren deutlichen Aufwärtsentwicklung des Unternehmens eine Anpassung im Jahre 1980 wegen der wirtschaftlichen Lage der Beklagten versagt werden durfte.
III.Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob das Anpassungsbegehren des Klägers gerechtfertigt ist. Das Berufungsgericht wird zu den offenen Tatfragen noch weitere Feststellungen treffen müssen. Hierfür kann der Senat nur folgende ergänzende Hinweise geben:
1. Das Berufungsgericht wird die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten zu berücksichtigen haben, wie sie sich inzwischen darstellt. Die zum Anpassungstermin ohnehin langfristig zu erstellende Prognose darf nicht dadurch erschwert werden, daß die Beurteilungsbasis auf weit zurückliegende Daten beschränkt wird, die sich in der Realität als überholt erwiesen haben können. Bereits in seinem Urteil vom 1. Juli 1976 (BAG 28, 134, 142 = AP Nr. 1 zu § 16 BetrAVG, zu I 2 b der Gründe) hat der Senat für die erstmalige Rentenanpassung nach Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes ausgesprochen, daß die Prüfung für einen weit zurückliegenden Anpassungsstichtag zu wenig wirklichkeitsnahen und unbefriedigenden Ergebnissen führen könne. Diese Überlegung gilt auch dann, wenn ein Gericht mit Verzögerung über ein Anpassungsbegehren entscheiden muß. Die im Zeitablauf belegten wirtschaftlichen Daten können, selbst wenn inzwischen ein weiterer Anpassungstermin verstrichen ist, nicht außer Betracht bleiben, soll nicht die Entscheidungsgrundlage auf eine rein fiktive Beurteilung hinauslaufen, die unter Umständen an der Wirklichkeit vorbeigeht. Die zeitlich unbeschränkte Prüfung kann sich zugunsten der Rentner auswirken, wenn die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens über den Anpassungsstichtag hinaus eine aufsteigende Tendenz zeigt. Sie kann sich aber auch zugunsten des Arbeitgebers auswirken, wenn eine negative Entwicklung eingetreten ist. Maßgebend muß die letzte Tatsachenverhandlung sein.
2. Das Berufungsgericht wird von den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen wie den Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie den Geschäftsberichten ausgehen können. Jedoch wird nur die Entwicklung über mehrere Jahre eine zuverlässige Beurteilung ermöglichen (vgl. auch BAG Urteil vom 31. Januar 1984 - 3 AZR 514/83 - AP Nr. 15 zu § 16 BetrAVG, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Bei der Bewertung der Daten wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls der Hilfe eines Sachverständigen bedienen müssen, um zu der eigentlichen Frage vordringen zu können, ob die Anpassungslast für das Unternehmen tragbar erscheint. Die Notwendigkeit einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung kann in der Regel nicht unberücksichtigt bleiben. Andererseits werden Wertzuwächse, die ein erfolgreiches Unternehmen im Zeitablauf erwarten darf, zur Finanzierbarkeit des Anpassungsbetrages beitragen können. Insoweit lassen sich Anhaltspunkte aus den Grundsätzen der Unternehmensbewertung ableiten, die aber ebenfalls noch nicht völlig gesichert erscheinen (vgl. Heubeck/Löcherbach, DB 1982, 913 f.).
Besonderes Augenmerk wird das Berufungsgericht den Pensionsrückstellungen widmen müssen. Sie erlauben es dem Unternehmen, Gewinne nicht zu versteuern, sondern bis zu Fälligkeit der einzelnen Rentenbeträge als Betriebskapital zu verwenden (siehe oben zu II 3 b (2)). Der damit erzielbare Investitionsertrag in Verbindung mit der Steuererparnis ist zur Finanzierung des Teuerungsausgleichs heranzuziehen. Reichen dagegen die erzielten Gewinne über Jahre hinweg nicht aus, die erforderlichen Rückstellungen steuerbegünstigt zu bilden, so kann das Unternehmen auch keine entsprechenden Steuervorteile erzielen. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, daß sich die Anpassungsbelastung - bei langfristiger Betrachtung - nachteilig auf die Unternehmenssubstanz auswirken wird.
Möglicherweise kommt daher auch nur eine Teilanpassung in Betracht. In einem Grenzfall hat der Senat sogar Anpassungsleistungen ohne Dauerbindung gebilligt (Urteil vom 31. Januar 1984 - 3 AZR 514/81 - EzA § 16 BetrAVG Nr. 15).
Dr. Dieterich Dr. Peifer Griebeling
Lichtenstein Fieberg
Fundstellen
Haufe-Index 438354 |
BAGE 48, 272-284 (LT1-5) |
BAGE, 272 |
BB 1985, 1731-1734 (LT1-5) |
DB 1985, 1642-1645 (LT1-5) |
BetrR 1986, 108-109 (LT1-5) |
ARST 1985, 127-127 (LT1-5) |
BetrAV 1985, 158-158 (LT1-5) |
BetrAV 1985, 180-183 (LT1-5) |
BlStSozArbR 1985, 263-264 (T) |
JR 1986, 528 |
NZA 1985, 496-499 (LT1-5) |
WM IV 1985, 1185-1188 (LT1-5) |
ZIP 1985, 889 |
ZIP 1985, 889-893 (LT1-5) |
AP § 16 BetrAVG (LT1-5), Nr 17 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 161 (LT1-5) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 161 |
EzA § 16 BetrAVG, Nr 16 (LT1-5) |
MDR 1985, 788-789 (LT1-5) |
VersR 1985, 791-794 (LT1-5) |