Leitsatz

1. Bauabzugsteuer i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG kann auch für die Errichtung von Freiland-Photovoltaikanlagen anfallen, da die Begriffe Bauwerk und Bauleistung normspezifisch auszulegen sind. Die der Bauabzugsteuer unterliegenden Bauwerke sind insbesondere nicht auf Gebäude oder unbewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt, sondern kommen auch bei Scheinbestandteilen, Betriebsvorrichtungen und technischen Anlagen in Betracht.

2. Ob die Einkünfte des Leistenden in Deutschland steuerpflichtig sind, spielt für die Bauabzugsteuer grundsätzlich keine Rolle.

3. Die Bauabzugsteuer ist mit Unionsrecht vereinbar, da die dadurch verursachte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Steuerbeitreibung gerechtfertigt ist.

 

Normenkette

§ 48 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3, § 48a Abs. 1, § 48b, § 48c Abs. 2, 3, § 48d Abs. 1 Sätze 1 und 6 EStG, § 20a, § 21 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 167 Abs. 1 Satz 1 AO, Art. 56 AEUV

 

Sachverhalt

Die Klägerin beauftragte 2010 die in Spanien ansässige A S.A., auf einem von der Klägerin gepachteten Grundstück in Z-Stadt (Inland) eine Freiland-Fotovoltaikanlage zu errichten. Der Vertrag umfasste die Planung und Lieferung sowie den Aufbau der gesamten Anlage einschließlich der Solarpanele, Stützen, Streben, Schaltanlagen usw. Zu den Verpflichtungen der A S.A. gehörten auch der Bau von Schotterpisten und Gräben, Zementarbeiten, das Einrammen von Pfählen in den Boden, um daran die Module der Fotovoltaikanlage zu befestigen, sowie die Einebnung und teilweise Betonierung von Flächen, um die in Betoncontainern gelieferten Trafostationen aufzustellen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung von ... EUR, wovon ... EUR auf Lohn- und Gehaltskosten zuzüglich Reisekosten für die Montage entfielen.

Die A S.A. legte keine Freistellungsbescheinigung i.S.d. § 48b EStG vor und hatte eine solche Bescheinigung auch nicht beantragt. Sie errichtete in den Jahren 2010 und 2011 noch eine weitere Freiland-Fotovoltaikanlage im Inland. Darüber hinaus hatte die A S.A. keine weiteren Baustellen oder Niederlassungen in Deutschland.

In Z-Stadt fand die Baugrunduntersuchung durch einen Subunternehmer Anfang Oktober 2010 statt. Am 26.10.2010 wurde die Baustelle eingerichtet und eingezäunt. Die technische Abnahme durch das zuständige Versorgungsunternehmen fand am 18.4.2011 statt, die vorläufige Abnahme der Anlage durch die Klägerin am 14.6.2011.

Mit Schreiben vom 5.3.2012 forderte das FA die Klägerin auf, Bauabzugsteuer anzumelden und abzuführen. Entsprechende Anmeldungen gingen auch in der Folge nicht beim FA ein.

Dieses erließ daher im Februar 2016 mehrere monatsbezogene Bescheide über die Festsetzung von Steuerabzugsbeträgen bei Bauleistungen gemäß § 167 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 48 ff. EStG. Als Bemessungsgrundlage dienten die tatsächlichen Zahlungen der Klägerin an die A S.A., wie sie in verschiedenen Monaten erfolgten, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Einspruch und Klage gegen die Bescheide blieben ohne Erfolg (Hessisches FG, Entscheidung vom 16.5.2017, 4 K 63/17, EFG 2017, 1351).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin wurde ebenfalls zurückgewiesen. Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Hinweis

1. Mit der Besprechungsentscheidung hat der BFH nicht lediglich über die bauabzugsteuerrechtliche Behandlung von Freiland-Fotovoltaikanlagen, d.h. von sog. Solarparks, entschieden. Er hat dabei auch zahlreiche Grundsatzfragen zur Bauabzugssteuer geklärt.

2. Die bauabzugsteuerrechtliche Behandlung von Solarparks war längere Zeit unklar. Die Finanzverwaltung hat durch verschiedene Erlasse erst 2015 verlauten lassen, dass der Bau einer solchen Anlage die Voraussetzungen der Bauabzugsteuer erfüllen "kann", der Nichtabzug der Steuer aber bis 31.12.2015 nicht beanstandet werde. Endgültige Klarheit ist somit erst mit dem vorliegenden Urteil eingetreten.

3. Materiell-rechtlich hing die Entscheidung, ob die Fotovoltaikanlage Bauabzugsteuer auslöst, allein von der Beurteilung des Tatbestandsmerkmals "Erbringen von Bauleistungen" und dem damit verknüpften Begriff des Bauwerks ab. Der BFH hat sich für eine weite Auslegung des Bauwerksbegriffs ausgesprochen und sich hierbei von engeren Bauwerksbegriffen des Zivil- wie des Umsatzsteuerrechts abgegrenzt. Danach ist der Bauwerksbegriff i.S.d. § 48 EStG insbesondere nicht auf Gebäude oder Grundstücke beschränkt, sondern erfasst auch technische Anlagen, wie vorliegend zur Energieerzeugung.

4. Während der BFH es vor einigen Jahren in einem AdV-Verfahren noch als zweifelhaft bezeichnet hatte, ob materiell-rechtlich ein zusätzliches ungeschrie­benes (negatives) Tatbestandsmerkmal existiert, so schafft die Besprechungsentscheidung jetzt Klarheit: Die Bauabzugsteuer hängt nicht davon ab, ob der Leistende mit seinen Einkünften in Deutschland der Steuerpflicht unterliegt. Es kam im Streitfall also von vornherein nicht darauf an, ob die spanische Gesellschaft, die die Anlage errichtet hatte, im Inland der (beschränkten) Körpers...

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