BMF, Schreiben v. 24.4.1997, IV A 4 - S 0340 - 4/97/IV C 5 - S 1300 - 60/97, BStBl 1997 I S. 414
Mein Schreiben vom 20. Dezember 1996 - IV C 5 - S 1300 - 146/96 -; TOP 15 der Sitzung AO I/97 vom 26. Bis 28. Februar 1997 in Bonn
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 17.4.1996, I R 82/95 (BStBl 1996 II S. 608) die Auffassung vertreten, ein Klageverfahren in Sachen Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 3 EStG sei nicht allein deswegen in der Hauptsache erledigt, weil die reguläre Festsetzungsfrist für den Erlaß von Steuernachforderungsbescheiden oder Haftungsbescheiden abgelaufen ist. Er begründet seine Auffassung damit, daß die Festsetzungsfrist für die Nachforderung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO bis zu 13 Jahren nach dem Ende des Kalenderjahrs, in dem der Steueranspruch entstanden ist, dauern könne. Da der Vergütungsschuldner nach § 73 e Satz 2 EStDV eine Steueranmeldung abzugeben habe, richte sich der Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Diese Vorschrift setze eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung oder Steueranmeldung voraus, unerheblich sei daher aber, daß diese Pflicht nicht den Vergütungsgläubiger treffe.
Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze dieses BFH-Urteils nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden, soweit der Bundesfinanzhof eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO aufgrund der Steuererklärungs- bzw. Steueranmeldungspflicht eines Dritten bejaht.
Die Frist für die Stellung von Freistellungs- und Erstattungsanträgen im Steuerentlastungsverfahren nach § 50 d EStG beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem dem Gläubiger die jeweilige Vergütung zugeflossen ist. Der Beginn der Festsetzungsfrist wird nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt, weil der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger/Antragsteller hinsichtlich dieser Vergütung nicht zur Abgabe einer Steuererklärung/Steueranmeldung verpflichtet ist.
Die Steueranmeldungspflicht eines Dritten (z.B. des Vergütungsschuldners) löst keine Anlaufhemmung hinsichtlich der Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerpflichtigen aus. Die durch eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bewirkte Verlängerung der Festsetzungsfrist kann nicht an Umstände anknüpfen, die der Steuerpflichtige weder beeinflussen noch notwendigerweise kennen muß. Die Verlängerung der Festsetzungsfrist ist an das Bestehen einer eigenen Handlungspflicht des Steuerpflichtigen oder seiner Vertreter bzw. der für ihn zum Handeln Verpflichteten geknüpft (vgl. BFH-Urteil vom 16.2.1994, II R 125/90, BStBl 1994 II S. 866). Mit den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens ist es nicht vereinbar, die Verjährung des Steueranspruchs aus Gründen hinauszuschieben, die der Steuerpflichtige nicht kennt.
Dieses Schreiben wird in die AO-Kartei aufgenommen.
Normenkette
§ 50d EStG
Fundstellen
BStBl I, 1997, 414