Leitsatz
Wenn die unterhaltsbedürftige Verlobte aufgrund des Zusammenlebens mit dem Steuerpflichtigen keine Sozialhilfe erhält, ist bei der Ermittlung des nach § 33a Abs. 1 EStG abzugsfähigen Betrages entgegen den Anweisungen im BMF-Schreiben v. 28. März 2003 keine Opfergrenze zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Der Kläger lebte mit seiner Verlobten, welche keine eigenen Einkünfte hatte, in einer eheähnlichen Gemeinschaft. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 machte er Unterhaltsleistungen für seine Verlobte in Höhe von 7.188 EUR geltend, wovon das Finanzamt nach Anwendung der sog. Opfergrenze nur 2.471 EUR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigte. Im Klageverfahren vertrat er die Auffassung, dass die sog. Opfergrenze in seinem Fall nicht zu berücksichtigen sei. Da seine Verlobte wegen des Zusammenlebens mit ihm keine öffentlichen Gelder erhalten habe, hätte er sich von ihr trennen müssen, um ihr den Lebensunterhalt zu ermöglichen. Dies sei vor dem Hintergrund der beabsichtigten Eheschließung und im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Ehe und Familie nicht zumutbar gewesen.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Verlobte des Klägers eine Person im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG, weil bei ihr zum Unterhalt bestimmte öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpdlichtigen gekürzt wurden. Darauf, ob die Verlobte einen förmlichen Antrag auf Gewährung der Sozialhilfe gestellt hat oder nicht, kommt es nicht an, weil ein solcher Antrag von dem Sozialamt abgelehnt worden wäre. Dies reicht für die Bejahung des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG aus. Für die Anwendung dieser Vorschrift in der bis zum VZ 2000 geltenden Fassung wird von der Rechtsprechung gefordert, dass eine konkrete Kürzung der Sozialhilfe statt gefunden, und diese auch nachgewiesen werden musste. 33a Abs. 1 Satz 2 EStG ist jedoch durch das Steueränderungsgesetz 2001 dahingehend geändert worden, dass das Wort "soweit" durch das Wort "wenn" ersetzt worden ist. Wegen dieser Gesetzesänderung werden von § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG nunmehr auch Fälle erfasst, in denen Sozialhilfe nicht beantragt worden ist, sie aber im Falle eines Antrages wegen der Unterhaltsleistungen des Steuerpdlichtigen abgelehnt worden wäre. Diese Auslegung des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG deckt sich mit der Intention des Gesetzgebers, wonach die Gesetzesänderung dazu führen soll, dass schon die gesetzlich vorgesehene Kürzung der Sozialhilfe für die Bejahung des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG ausreicht. Da das FG es im Streitfall als erwiesen angesehen hat, dass der Unterhalt für die Verlobte allein von dem Kläger erbracht wurde, war auch keine Aufteilung der gesamten Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs. 1 Satz 6 EStG vorzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch bei der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen grundsätzlich die sog. Opfergrenze zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nicht für Unterhaltspflichten gegenüber Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern. Insoweit besteht nämlich die Pflicht, alle verfügbaren Mittel mit diesen Personen zu teilen. Durch § 122 BSHG werden nicht eheliche Lebensgemeinschaften bei der Ermittlung der Sozialhilfe wie Ehegatten behandelt. Aufgrund dieser sozialrechtlichen Ausgangslage besteht für den Kläger eine rechtliche Zwangslage, seine vorhandenen Mittel mit dem bedürftigen Lebensgefährten zu teilen. Deshalb sind die Unterhaltszahlungen an die Verlobte ohne Ansatz einer Opfergrenze zu berücksichtigen (a.A. BMF, Schreiben v. 28.3.2003, BStBl 2003 I S. 243)
Hinweis
Da gegen das vorstehende Urteil Revision eingelegt wurde (Az. III R 23/07), sollten Betroffene bei vergleichbaren Sachverhalten gegen die ablehnende Entscheidung des Finanzamtes Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.02.2007, 13 K 206/05