Dipl.-Finanzwirt Helmut Bur
Leitsatz
Gibt der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Bescheinigung eines Versorgungswerks in seiner Einkommensteuererklärung Altersvorsorgeaufwendungen in einer Höhe an, die das Doppelte der tatsächlichen Aufwendungen beträgt, so ist das Finanzamt nach Kenntnisnahme von der tatsächlichen Höhe der Aufwendungen auch dann nicht durch die Grundsätze von Treu und Glauben an einer auf § 173 Abs. 1 AO gestützten Änderung des Bescheids gehindert, wenn ihm seinerseits eine Verletzung von Ermittlungspflichten zur Last fällt, es die Angaben in der Steuererklärung also zum Anlass einer Nachfrage beim Steuerpflichtigen hätte nehmen müssen.
Sachverhalt
Die Steuererklärungen für 2006 und 2007 wurden unter Mitwirkung einer Wirtschaftsprüfer- / Steuerberatergesellschaft erstellt. In der Steuererklärung für 2006 trugen die miteinander verheirateten Antragsteller, beide Arbeitnehmer, - jeweils in der Spalte für den als angestellter Arzt berufstätigen Antragsteller - in Zeile 61 "Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen und zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 der Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)" 5.148 EUR ein. In Zeile 63 "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen" trugen die Antragsteller 10.296 EUR ein. In Zeile 65 "Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung" trugen die Antragsteller 5.148 EUR ein.
Bei der Veranlagung für 2007 lag dem Finanzamt ein Schreiben der Sächsischen Ärzteversorgung (SÄV) vor, in welchem dem Antragsteller bescheinigt wird, dass auf dessen Konto im Jahr 2007 10.865,52 EUR eingegangen seien.
In einer Kontrollmitteilung vom 9.3.2011 forderte das Landesamt für Steuern und Finanzen das Finanzamt auf, die berücksichtigten Sonderausgaben zu kontrollieren, "insbesondere hinsichtlich möglicher Mehrfacherklärung / -erfassung aufgrund einer Bescheinigung des Versorgungsträgers zusätzlich zum Ausweis der Beiträge auf der Lohnsteuerbescheinigung."
Mit nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheiden v. 23.2.2012 berücksichtigte das Finanzamt die Altersvorsorgeaufwendungen nur noch mit 12.973 EUR (2006) bzw. 13.576 EUR (2007). Die Antragsteller legten hiergegen Einspruch ein. Den Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist es nicht ernstlich zweifelhaft, dass das FA die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 ändern durfte.
Neue Tatsache ist hier, dass die Antragsteller Altersvorsorgeaufwendungen nur i. H. v. etwa der Hälfte der in den Zeilen 61, 63 und 65 insgesamt erklärten Beträge hatten, weil sie die in Zeile 63 ("Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen") eingetragenen Beträge nicht zusätzlich zu den in den Zeilen 61 und 65 angegebenen Beträgen zahlten. Dies war dem Finanzamt bei der ersten Veranlagung nicht bekannt. Aus der Bescheinigung der SÄV, die dem Finanzamt für das Jahr 2007 vorlag, geht nur hervor, in welcher Höhe dort Beiträge eingegangen sind, aber nicht, dass darin die Beiträge auf der Lohnsteuerbescheinigung enthalten sind. Dies ist dem Finanzamt erst nachträglich durch die Kontrollmitteilung v. 9.3.2011 bekannt geworden.
Der Grundsatz von Treu und Glauben steht nach Auffassung des FG einer Änderung der Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn dem Finanzamt Tatsachen aufgrund der Verletzung seiner Ermittlungspflichten unbekannt geblieben wären, der Steuerpflichtige seinerseits aber die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt hätte. Die Antragsteller sind ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, denn sie haben den steuerlich relevanten Sachverhalt nicht richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung unterbreitet. Das Finanzamt hat zwar auch seine Ermittlungspflicht verletzt. Es hatte hier Anlass, wegen der Eintragung in Zeile 63 weiter zu ermitteln, da die SÄV keine gesetzliche Rentenversicherung ist und der Antragsteller kein Nichtarbeitnehmer ist.
Im Falle einer beiderseitigen Pflichtverletzung ist nach ständiger Rechtsprechung eine Abwägung vorzunehmen. Die Pflichtverletzung der Antragsteller überwiegt nach Auffassung des FG hier eindeutig. Das folgt schon aus der Regel, dass in Fällen, in denen sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt haben, den Sachverhalt aufzuklären, den Steuerpflichtigen die Verantwortung trifft, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann. Hier kommt hinzu, dass bei den Erklärungen eine Wirtschaftsprüfer- / Steuerberatergesellschaft mitgewirkt hat. Auf die Richtigkeit der von einem Steuerberater erstellten Steuererklärung darf das Finanzamt in besonderem Maße vertrauen.
Hinweis
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