Leitsatz
1. Eine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 18 JVEG ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar, wenn sie als Ersatz für entgangene Einnahmen aus einer nichtselbständigen Tätigkeit gezahlt wird.
2. Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG ist nicht steuerbar.
3. Auf die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter findet die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 26a EStG dann keine Anwendung, wenn nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreier Aufwendungsersatz gezahlt worden ist.
Normenkette
§ 3 Nr. 12 Sätze 1 und 2, § 3 Nr. 26, Nr. 26a, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 15, § 16, § 18 JVEG
Sachverhalt
Der Kläger, ein angestellter Steuerberater, war auch als ehrenamtlicher Richter tätig. Dafür vereinnahmte er im Streitjahr u.a. Entschädigungen für Zeitversäumnis und Verdienstausfall.
Das FA unterwarf die Entschädigung für Zeitversäumnis der Besteuerung nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 und die Entschädigung für Verdienstausfall nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.2.2016, 12 K 1205/14, Haufe-Index 9334480, EFG 2016, 994). Die Entschädigungen seien beide nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerbar.
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und der Klage teilweise stattgegeben. Die Entschädigung für Zeitversäumnis ist nicht steuerbar. Im Übrigen hat er die Klage abgewiesen. Die Ehrenamtspauschale könne der Kläger nicht in Anspruch nehmen, denn er habe sich u.a. seine Fahrtkosten bereits steuerfrei erstatten lassen.
Hinweis
Eine gute Nachricht sei das Urteil für alle mehr als 60.000 ehrenamtlichen Richter in Deutschland, so die Pressemitteilung des BFH Nr. 17/2017 vom 22.3.2017. Aber stimmt das wirklich?
Natürlich, der Kläger im Besprechungsfall erhält nun 565 EUR für Zeitversäumnis steuerfrei. Er erfährt aber aus dem Urteil zugleich, dass er die Ehrenamtspauschale von 720 EUR nicht erhält, weil er sich seine Fahrtkosten (239,40 EUR) und Parkgebühren (175 EUR) u.a. hat erstatten lassen. Aber der Reihe nach:
1. Ehrenamtliche Richter haben nach § 15 JVEG Anspruch auf Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG – Tagegeld, Verpflegungspauschale) und Ersatz sonstiger Aufwendungen (§ 7 JVEG, z.B. von Kopierkosten). Daneben besteht Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 16 JVEG – derzeit 6 EUR pro Stunde), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 17 JVEG – derzeit 14 EUR pro Stunde) und für Verdienstausfall (§ 18 JVEG – derzeit höchstens 24 EUR pro Stunde).
2. Die Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 18 JVEG ist steuerpflichtig.
a) Die Steuerpflicht ergibt sich aus § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. der Norm, nach der die entgangenen Einnahmen zu besteuern gewesen wären; bei einem angestellten Steuerberater also nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dass tatsächlich Einnahmen entgangen sind, ergibt sich aus der Gewährung der Entschädigung und bedarf grundsätzlich keiner Prüfung durch das FA oder FG.
b) Eine sonstige selbstständige Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) liegt nicht vor. Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter ist mit den gesetzlichen Regelbeispielen nicht vergleichbar.
3. Die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 16 JVEG ist nicht steuerbar. Sie ersetzt insbesondere keine entgangenen oder entgehenden Einnahmen. Der Zeitverlust ist auch keine Leistung i.S.v. § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG – insoweit fehlt es jedenfalls an der Gegenseitigkeit. Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter wird nicht wegen der Entschädigung ausgeübt.
4. Die Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26a EStG) soll pauschal den Aufwand abgelten, der durch die ehrenamtliche Tätigkeit entsteht (kleine Werbungskostenpauschale). Sie kann zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung nicht gewährt werden, wenn der Aufwand bereits steuerfrei ersetzt worden ist. Das war hier in Bezug auf den Ersatz von Fahrtkosten (§ 5 JVEG) und die Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) der Fall.
5. Das bedeutet: Der ehrenamtliche Richter muss sich am Anfang des Jahres aufgrund einer Prognose entscheiden, ob er Ersatz von Fahrtkosten geltend macht oder am Ende des Jahres die Ehrenamtspauschale in Anspruch nimmt. Dafür müsste er wissen, an wie vielen Tagen er bei Gericht erscheinen muss und welche Kosten ihm dafür insgesamt entstehen werden. Das kann aber niemand im Voraus wissen. Die Entscheidung ist also nicht zu treffen. Und am Ende kommt es, wie es kommen muss. Die zur Stärkung des Ehrenamts eingeführte Regel sollte noch einmal überdacht werden. In dieser Form wird sie für ehrenamtliche Richter und viele andere ehrenamtlich Tätige eher zur Falle und zu einem Ärgernis.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.1.2017 – IX R 10/16