Leitsatz
Für die Annahme einer stillen Gesellschaft können – vor allem in Grenzfällen – von den Vertragsparteien gewählte Formulierungen indizielle Bedeutung haben; entscheidend ist, was die Vertragsparteien wirtschaftlich gewollt haben und ob der – unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde – Vertragswille auf die Merkmale einer stillen Gesellschaft gerichtet ist. Dabei darf der für eine stille Gesellschaft erforderliche gemeinsame Zweck der Gesellschafter nicht mit ihren Motiven für ihre Beteiligung vermengt werden.
Dass Kapitalanleger und Fondsgesellschaft beide das Ziel verfolgen, durch Handel an internationalen Finanzterminmärkten mittelfristig einen Kapitalzuwachs zu erreichen, reicht für die Annahme eines gemeinsamen Zwecks nicht aus. Nämliches gilt für die Kapitaleinzahlung des Anlegers und die anschließende Verwendung des gezeichneten Kapitals. Ein gemeinsamer Zweck verlangt zwischen Anleger und Anlagegesellschaft ein substanzielles "Mehr" als die bloße Kapitalhingabe und dessen Verwendung.
Ein Genussrecht liegt vor, wenn dem Rechtsinhaber zwar schuldrechtliche Ansprüche, nicht aber gesellschaftsrechtlich geprägte Mitgliedschaftsrechte vermittelt werden.
Einnahmen aus Genussrechten, denen sowohl eine Beteiligung am Gewinn als auch am Aufgabe- bzw. Liquidationserlös verbunden ist, fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 7 EStG, § 230 HGB
Sachverhalt
Die Kläger und Revisionskläger wurden im Streitjahr 1998 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und wenden sich gegen den Ansatz von Einnahmen als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Das beklagte Finanzamt setzte mit ESt-Änderungsbescheid für 1998 einen Betrag von 21 166 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen (Beteiligung an einem Handelsgewerbe in Form einer stillen Gesellschaft) an. Die Änderung beruhte auf einer Kontrollmitteilung, wonach sich die Klägerin mit 20 000 DM aufgrund eines Begebungsvertrags im Jahr 1993 an einer Fondsgesellschaft beteiligt hatte. Die Fondsgesellschaft bezeichnete die Beteiligungsanteile als "Genussrechte", über die von der Fondsgesellschaft ein Genussschein ausgestellt wurde. Bei der Fondsgesellschaft handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft (Anlage-Holding-Gesellschaft mit beschränkter Haftung) mit Sitz auf den Bermudas, die das im Rahmen der Genussrechtszeichnung zur Verfügung gestellte Kapital für Rechnung der Genussrechtsinhaber in sog. Futures-Geschäfte investierte. Inhaber der Stammaktien der Fondsgesellschaft waren zu 49 % eine auf den Bermudas ansässige Tochtergesellschaft der ebenfalls dort registrierten Y-Ltd. und zu 51 % die Z-Ltd.
Zur Kapitalbeschaffung hatte die Fondsgesellschaft Genussrechte im Gesamtnominalbetrag von mehreren Millionen DM begeben, deren Laufzeit bis zum 30.11.2001 befristet war. Den Genussrechtsinhabern wurde jedoch das Recht eingeräumt, das Genussrechtsverhältnis durch Kündigung zu bestimmten Zeitpunkten, erstmals zum 01.07.1996, zu beenden. Die für den Fall der Kündigung vereinbarte Rückgabegebühr war von der Laufzeit des Vertragsverhältnisses abhängig und nahm mit zunehmender Vertragsdauer ab.
Der Begebungvertrag garantierte die Rückzahlung des Genussrechtskapitals zum 30.11.2001. Nach dem Begebungsvertrag sollten Fonds- und Tochtergesellschaft alle Geschäfte im eigenen Namen tätigen, jedoch sollte die Verwaltung des Genussrechtskapitals ausschließlich für Rechnung der Genussrechtsinhaber erfolgen. Eine laufende Gewinnausschüttung war vertraglich ausgeschlossen. Vielmehr war die Thesaurierung aller anfallenden Überschüsse vorgesehen, die somit nur im Rahmen der Beendigung des Genussrechtsverhältnisses realisiert werden konnten. Im Fall der vorzeitigen Kündigung des Genussrechtsverhältnisses durch den Inhaber des Genussrechts war die Fondsgesellschaft zur Auszahlung des anteiligen Nettovermögenswerts zum jeweiligen Stichtag verpflichtet. Eine Erfolgsbeteiligung der Fondsgesellschaft, der Tochtergesellschaft oder der ebenfalls zur Absicherung der Rückzahlungsgarantie eingeschalteten Bank war vertraglich ausgeschlossen.
Die Kapitalanlage zielte darauf ab, mittelfristig einen bedeutenden Kapitalzuwachs zu erwirtschaften. Den Anlegern stand es frei, ihre Genussrechte an Dritte zu veräußern. Ihnen standen auch bestimmte Kontrollrechte zu. Die Klägerin gab ihr Genussrecht am 01.07.1998 an die Fondsgesellschaft zurück und erzielte hierbei einen Rückgabepreis von 42 466,63 DM. Den verbleibleibenen Nettobetrag unterwarf das FA als Ertrag aus einer Beteiligung in Form einer stillen Gesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Besteuerung.
Die Klage wies das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 03.12.2004, 10 K 225/01, Haufe-Index 1304561, EFG 2005, 530, als unbegründet ab.
Entscheidung
Der BFH hob auf die Revision der Kläger das angefochtene Urteil auf und gab der Klage statt. Entgegen der Auffassung des FG habe die Beteiligung der Klägerin an der Fondsgesellschaft keine typische stille Gesellschaft i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG begründet. Schon nach dem ...