Ewald Dötsch, Prof. Dr. Franz Dötsch
Leitsatz
1. Voraussetzungen der Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe bei einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG.
2. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F., der eine Bilanzänderung mit Zustimmung des FA zulässt, ist jedenfalls dann bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1998 anzuwenden, wenn der Antrag auf Zustimmung zur Bilanzänderung vor dem 1.1.1999 gestellt wurde und ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf die Erteilung der Zustimmung bestand. Die in § 52 Abs. 9 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 getroffene Regelung, dass die die Bilanzänderung einschränkende Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 anzuwenden sei, ist verfassungskonform einzuschränken.
3. Verfolgt der Steuerpflichtige mit seinem Antrag auf Zustimmung zu einer Bilanzänderung das Ziel, eine Rücklage gem. § 6b EStG zu bilden oder fortzuführen, so darf das FA die Zustimmung nur aus Gründen verweigern, die sich aus den vom Gesetzgeber mit § 4 Abs. 2 Satz 2 und § 6b EStG verfolgten Zielen ergeben.
4. Eine Personengesellschaft darf eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG auch dann noch bilden, wenn eine Reinvestition wegen einer bevorstehenden Betriebsaufgabe nicht mehr in Betracht kommt und Gesellschaftsvermögen bereits an die Gesellschafter ausgekehrt ist; es genügt, dass die spätere Übertragung der Rücklage auf ein begünstigtes Reinvestitionsobjekt am Bilanzstichtag noch möglich war.
Normenkette
§§ 4 Abs. 2 Satz 2, 6b Abs. 3, 16 Abs. 1 und 3 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin (KG) beabsichtigte ursprünglich den Handel mit Holz und Möbeln. Ihre Tätigkeit erschöpfte sich indessen darin, ein 1975 erworbenes Grundstück zu vermieten. Daneben erwarb sie Wertpapiere, aus denen sie Zinsen erzielte. Ende Juli 1992 verkaufte sie das Grundstück und übereignete es dem Käufer im Januar 1993. Im Oktober 1993 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin, die Gesellschaft zu liquidieren und die Wertpapiere zu veräußern. Am 25.10.1993 erklärte die Klägerin gegenüber dem Finanzamt die Betriebsaufgabe. Die Wertpapiere wurden im September 1994 veräußert; die Erlöse wurden an die Gesellschafter verteilt. Das FA behandelte den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks als laufenden Gewinn des Streitjahres 1993. Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte die Klägerin primär, diesen Gewinn nach §§ 16, 34 EStG dem halben Steuersatz zu unterwerfen. Hilfsweise beantragte sie, das FA zu verpflichten, einer Änderung der Bilanz zum 31.12.1993 mit der Maßgabe zuzustimmen, dass für den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung (rd. 660000 DM) eine § 6b-Rücklage gebildet werde. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte im Hilfsantrag Erfolg.
Entscheidung
1. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg. Der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz nach den §§ 16, 34 EStG. Es liegt weder eine Betriebsveräußerung noch eine Betriebsaufgabe vor. Die Klägerin hat mit der Veräußerung des Grundstücks nicht ihren ganzen Betrieb veräußert. Eine begünstigte Betriebsaufgabe scheidet ebenfalls aus. Geht man davon aus, dass die Klägerin den Entschluss zur Betriebseinstellung erst mit dem Gesellschafterbeschluss vom 23.10.1993 gefasst hat, stellt sich die Veräußerung des Grundstücks noch nicht als Teil des Betriebsaufgabevorgangs dar. Unterstellt man hingegen zugunsten der Klägerin, dass die Veräußerung des Grundstücks bereits auf einem früher gefassten Betriebsaufgabeentschluss beruhte, ist der für eine steuerbegünstigte Betriebsaufgabe unschädliche Aufgabezeitraum überschritten. Die Aufgabehandlungen hätten sich dann nämlich über drei Veranlagungszeiträume erstreckt. Für diese lange Abwicklungsdauer bestand im Streitfall kein hinreichender Grund.
2. Der Hilfsantrag ist begründet. Die § 6b-Rücklage kann im Weg der Bilanzänderung noch bis zur Bestandskraft des Gewinnfeststellungsbescheids nachgeholt werden. Das FA musste der von der Klägerin begehrten Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 EStG zustimmen. Das FA hätte den Antrag nur ablehnen können, wenn er zu einer Verzögerung der Erledigung des Besteuerungsverfahrens geführt hätte, der durch die Bearbeitung des Antrags beim FA anfallende Arbeitsaufwand in keinem sachgerechten Verhältnis zum Interesse des Steuerpflichtigen an der Bilanzänderung gestanden hätte oder der von der Klägerin angeführte sachliche Grund nicht mit dem von § 6b EStG verfolgten Ziel vereinbar gewesen wäre (vgl. BFH, Urteil vom 24.3.1998, I R 20/94, BStBl II 1999, 272). Solche Verweigerungsgründe lagen im Streitfall nicht vor. Die durch das StBereinG 1999 geänderte Fassung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG stand der Anwendung dieser Grundsätze nicht entgegen.
Hinweis
1. Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe i.S. v. § 16 EStG setzen voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb eines kurzen Zeitraums unter Aufdeckung der stillen Reserven verwertet werden. Bis zu welcher Zeitspanne ein solcher kurzer Zeitraum noch angenommen werden kann, ist Tatfrage und kann nicht st...