Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Mitunternehmerstellung im PKH-Verfahren
Leitsatz (NV)
Bei Würdigung der Erfolgsaussichten einer Klage gegen Gewinnfeststellungsbescheide im Verfahren der Prozeßkostenhilfe sind Mitunternehmerinitiative und -risiko des Klägers im summarischen Verfahren zu prüfen. In diesem Verfahren bietet die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags einen weitaus glaubhafteren Beweis für die Mitunternehmerstellung des Klägers, als die nachträgliche, kurze Zeit später abgeschlossene und den notariellen Vertrag wieder einschränkende privatschriftliche Änderung des Gesellschaftsvertrags, wonach der Kläger nur als Strohmann für seinen Vater, den weiteren Gesellschafter, handeln sollte.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der 1968 geborene Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt Prozeßkostenhilfe (PKH) für eine Klage wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1989, 1990 und 1991. Streitig ist, ob er gemeinsam mit seinem Vater G als Mitunternehmer gewerblich tätig war. Am 16. Mai 1989 schloß der Kläger mit seinem Vater einen Gründungsvertrag betreffend die "Einzelfirma A und B", der den nachstehenden Inhalt hatte:
"Hiermit wird zwischen G und B folgende Vereinbarung, die die Grundlage der o.g. Einzelfirmen und der Zusammenarbeit bildet, vereinbart:
1. Die gesamte Tätigkeit des B beschränkt sich absolut auf den Erwerb der Arbeitnehmerüberlassung. B verzichtet auf Entlohnung und Gewinnausschüttung aus den Geschäften des G, die aus organisatorischen Gründen über die Einzelfirmen laufen müssen.
2. G erhält die gesamten Gewinne und hat somit auch alle Verluste, Verbindlichkeiten gegenüber Fremdfirmen und Behörden selbst zu tragen.
G erklärt sich dadurch bereit, allen gesetzlichen Verpflichtungen eigenverantwortlich nachzukommen, insbesondere über ein Steuerberaterbüro seinen Verpflichtungen gegenüber den Finanzämtern, Krankenkassen und anderen Behörden (außer den Landesarbeitsämtern) sowie den Arbeitnehmern der Einzelfirma nachzukommen, über die Folgen einer Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ist G in Türkisch und Deutsch aufgeklärt.
3. B verzichtet auf Rechte, Forderungen an der Firma bzw. G."
Am 13. Oktober 1989 schloß der Kläger sodann mit seinem Vater einen notariell bekundeten Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer Kommanditgesellschaft, die als Dienstleistungsunternehmen insbesondere Schiffs- und Industriemontagen wie Schweißen, Reinigen und Abbauen, sowie den Vertrieb von Textilien, Lebensmitteln, Möbeln im Im- und Export und Reisegeschäfte zum Gegenstand haben sollte. Der Vertrag sah u.a. vor, daß der Vater G Komplementär und der Kläger Kommanditist mit einer Einlage von 200 DM sein sollten. Der Kläger wurde mit der Geschäftsführung beauftragt und erhielt Prokura (§6 des Vertrags). Am Gewinn und Verlust sollten beide Gesellschafter "im gleichen Verhältnis" teilnehmen (§8 des Vertrages); der Komplementär hatte Anspruch auf ein monatliches Festgehalt von 1 500 DM (§7 des Vertrags). Als Beginn der Gesellschaft war der 1. Oktober 1989 vorgesehen. Nach §9 des Vertrags war beim Ausscheiden eines Gesellschafters eine Beteiligung am Geschäftswert ausgeschlossen.
Mit Datum vom 15. Oktober 1989 -- einem Sonntag -- unterzeichneten Vater und Sohn eine privatwirtschaftliche sog. "Erweiterung des Gesellschaftsvertrags der G-KG" folgenden Inhalts:
"Hiermit erkläre ich, B, mich gegenüber G bereit, folgende Vereinbarung, die die Grundlage unserer Firma und Zusammenarbeit bildet, mit meiner Unterschrift anzuerkennen:
1. Ich, B, erkläre mich bereit, alle nötigen Maßnahmen durchzuführen, um eine Erlangung der Arbeitnehmerüberlassung durch das Landesarbeitsamt zu bewirken.
2. G erhält die gesamten Gewinne und hat somit auch alle Verluste, Verbindlichkeiten gegenüber Fremdfirmen und Behörden selbst zu tragen. G erklärt sich dadurch bereit, allen gesetzlichen Verpflichtungen eigenverantwortlich nachzukommen, insbesondere über ein Steuerberaterbüro seinen Verpflichtungen gegenüber den Finanzämtern, Krankenkassen und anderen Behörden (außer den Landesarbeitsämtern) sowie den Arbeitnehmern der Firma nachzukommen, über die Folgen der Nichteinhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen ist G in Türkisch und Deutsch aufgeklärt.
3. Punkt 2. der Erweiterung soll auch dann gelten, wenn aus Punkt 1. B die Geschäftsführung übernehmen muß.
4. B verzichtet zugleich auf Entlohnung und Gewinnausschüttung und hat keinerlei Rechte, Forderungen an der Firma bzw. G.
5. Sollte durch Punkt 1. B seinen beruflichen und schulischen Leistungen nicht mehr nachkommen können, steht es ihm zu, aus der Firma auszutreten, sollte sich dadurch nichts an der Arbeitnehmerüberlassung ändern."
Die Gesellschaft wurde am 10. August 1990 in das Handelsregister eingetragen; am 5. September 1992 erklärte der Vater des Klägers die Betriebsaufgabe.
Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) ergaben im Jahre 1992, daß die KG 1989 und 1990 weder Aufzeichnungen noch Bücher geführt und in erheblichem Umfang Steuern verkürzt hatte. Das FA schätzte den Gewinn für die Streitjahre 1989 und 1990 und stellte den erklärten Gewinn für 1991 fest; die Gewinne wurden den Gesellschaftern gemäß §8 des Gesellschaftsvertrags jeweils zur Hälfte zugerechnet. Mit seinem Einspruch gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Feststellungsbescheide machte der Kläger erfolglos geltend, er sei nicht als Mitunternehmer, sondern nur als Strohmann für seinen Vater vorgeschoben worden, weil dieser nicht die persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erfüllt habe.
Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragte der Kläger zugleich PKH zur Durchführung des Klageverfahrens unter Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten.
Das Finanzgericht -- FG -- (der Berichterstatter als Einzelrichter nach §6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) lud den Vater des Klägers gemäß §60 Abs. 3 Satz 1 FGO bei und lehnte den Antrag auf Bewilligung von PKH mit der Begründung ab, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn der Kläger sei in den Streitjahren Mitunternehmer gewesen. Die erst im Einspruchsverfahren vorgelegte Vertragserweiterung könne auch rückdatiert worden sein.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er unter zahlreichen Beweisantritten die hinreichende Erfolgsaussicht seiner Klage wie folgt begründet: Er sei nicht als Mitunternehmer mit seinem Vater gewerblich tätig gewesen, denn er habe bei minimaler Unternehmerinitiative keinerlei Unternehmerrisiko getragen. Daß er allein zu dem Zweck, die Arbeitnehmerüberlassung zu ermöglichen, nur nach außen hin aufgetreten sei, ergebe sich aus dem Erweiterungsvertrag. Er, der Kläger, sei weder am Gewinn noch am Verlust der KG beteiligt gewesen, habe auf Entlohnung sowie sämtliche Rechte und Forderungen verzichtet und sich tatsächlich nur um den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung gekümmert. Nur insoweit habe er wenige Arbeiten und insbesondere einige Unterschriften für die KG geleistet; dies genüge jedoch nicht zur Begründung einer Mitunternehmerinitiative. Aus der Erweiterung zum KG-Vertrag gehe schließlich auch hervor, daß er entgegen §6 des Vertrags und dem Inhalt des Handelsregisters tatsächlich nicht als Geschäftsführer aufgetreten sei. Die geringen Befugnisse spiegelten sich auch in der geringen Kommanditbeteiligung von 200 DM wieder. Demgegenüber sei ohne Bedeutung, daß er, der Kläger, Zugriff auf die Konten der Firma gehabt habe. Angesichts der geringen Einlage sei jedenfalls der auf ihn entfallende Gewinn überhöht und die ihn treffende Steuerschuld überhöht. Die unentgeltliche Mitarbeit naher Verwandter sei in türkischen Familien üblich.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und PKH zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§142 FGO i.V.m. §114 der Zivilprozeßordnung).
1. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder mindestens für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.
a) Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Aus dem Vorbringen des Klägers läßt sich weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht auch nicht unter Berücksichtigung des summarischen Charakters des Verfahrens mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, daß er den Gesellschaftsvertrag vom 13. Oktober 1989 nur zum Schein abgeschlossen hat, um damit für seinen Vater oder die KG die Erlaubnis des Landesarbeitsamtes zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu erlangen. Das FG hat insoweit zutreffend ausgeführt, daß die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags einen weitaus glaubhafteren Beweis für die Mitunternehmerstellung des Klägers bietet als die nachträgliche, 2 Tage später abgeschlossene und den notariellen Vertrag wieder einschränkende "Erweiterung des Gesellschaftsvertrags". Demgegenüber sind die Erklärungen, die der Kläger für diesen atypischen Geschehensablauf gibt, wenig überzeugend. Dabei kann dahinstehen, ob tatsächlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Rückdatierung der Nebenabrede zum Gesellschaftsvertrag spricht. Jedenfalls bleibt zweifelhaft, warum der auch formlos gültige Gesellschaftsvertrag notariell beurkundet wurde, dessen Einschränkung oder Rücknahme kurze Zeit später aber angeblich aus Kostengründen nur privatschriftlich erfolgte. Unklar bleibt auch, aus welchen Gründen dem Vater des Klägers die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung versagt worden wäre.
b) War danach der Vortrag des Klägers nicht geeignet, die Beweiskraft der notariellen Urkunde zu erschüttern, so hat das FG nach der im summarischen Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden Prüfung zu Recht auch Mitunternehmerinitiative und -risiko des Klägers bejaht. Der Kläger hat selbst eingeräumt, alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberlassung erfüllt und die Gewerbeanmeldung veranlaßt zu haben; im übrigen habe er die kaufmännischen Tätigkeiten teilweise ausgeführt und sei teilweise als Unternehmer nach außen hin in Erscheinung getreten. Das FG hat hieraus und aus weiteren vom FA ausgeführten Indizien, wie dem Abschluß von Verträgen und der Empfangnahme von Schecks, zutreffend gefolgert, daß der Kläger Mitunternehmerinitiative entwickelt hat. Im Ergebnis zutreffend hat das FG auch ein Mitunternehmerrisiko bejaht. Der Kläger war zwar nicht an einem Geschäftswert beteiligt. Angesichts der ausgeprägten Unternehmerinitiative, die der Kläger als Geschäftsführer und Prokurist der KG entfalten konnte, reicht die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den übrigen stillen Reserven, wie sie in §8 und §9 des Gesellschaftsvertrags vorgesehen war, zur Bejahung eines Mitunternehmerrisikos jedoch aus (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702, und vom 21. September 1995 IV R 65/94, BFHE 179, 62, BStBl II 1996, 66, jeweils m.w.N.).
2. Aus der vom Kläger als Geschäftsführer zu vertretenden Verletzung der Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht hat das FG schließlich zu Recht geschlossen, daß die Schätzungen der Gewinne für die Streitjahre dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden sind. Bei summarischer Prüfung konnte das FG von einer Schätzungsbefugnis des FA ausgehen, zumal der Kläger seine Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren anhaltend verletzt und sich im wesentlichen darauf beschränkt hat, die vom FA herangezogenen Schätzungsgrundlagen zu bestreiten (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Juli 1994 VIII S 1/94, BFH/NV 1995, 92, m.w.N.). Der Kläger hat insoweit lediglich vorgetragen, das Gesellschaftsvermögen der KG habe 50 000 DM betragen, seine Einlage jedoch nur 200 DM; "wenn überhaupt, hätte der Gewinn entsprechend dieser Einlage verteilt werden sollen". Dies widerspricht aber der im Gesellschaftsvertrag geregelten Gewinnverteilung, wonach die Gesellschafter am Gewinn und Verlust im gleichen Verhältnis teilnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 154315 |
BFH/NV 1999, 165 |