Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verfahrensmangel fehlender Begründung
Leitsatz (NV)
Führt das FG in seinem klageabweisenden Urteil aus, eine aus Billigkeitsgründen ergangene Übergangsregelung sei "im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden", so hat es hinreichend deutlich gemacht, daß es sich wegen der Zweigleisigkeit von Steuerfestsetzungs- oder -feststellungsverfahren einerseits und Billigkeitsverfahren andererseits gehindert sieht, im anhängigen Verfahren gegen den Feststellungsbescheid darüber zu entscheiden, ob die nach §163 AO 1977 ergangene Übergangsregelung anzuwenden ist.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und der Beteiligten zu 1 bis 3 (auch Kläger des Verfahrens vor dem FG) als unbegründet ab. Dabei ging es davon aus, daß den Klägern die erhöhten Absetzungen nach §14 Abs. 5 des Berlinhilfegesetzes (BGH) 1970 i.V.m. §14 BGH 1964 nicht zu gewähren seien, weil sie erst nach Fertigstellung des Gebäudes der Grundstücks GmbH & Co. KG (KG) als Kommanditisten beigetreten seien und damit nicht als Bauherren, sondern nur als vom Gesetz nicht begünstigte Erwerber des Gebäudes in Betracht kämen. Der Steuerpflichtige, der einer Personengesellschaft erst nach Fertigstellung des Gebäudes beitrete, sei nicht Bauherr des Gebäudes, sondern Erwerber. Allerdings sei die Finanzverwaltung bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Februar 1974 VIII R 114/69 (BFHE 112, 131, BStBl II 1974, 704) davon ausgegangen, daß Bauherr die Gesellschaft selbst sei (Abschn. 42a Abs. 5 der Einkommensteuer- Richtlinien -- EStR -- 1972), und habe aus Gründen des Vertrauensschutzes angeordnet, daß die Regelung weiter anzuwenden sei, wenn der Beitritt zu einer Gesellschaft vor dem 1. Januar 1975 stattgefunden habe (Schreiben des Bundesministers der Finanzen -- BMF -- vom 30. April 1975, BStBl I 1975, 611). Diese aus Billigkeitsgründen ergangene Übergangsregelung sei jedoch vom Gericht im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden.
Mit der nicht zugelassenen Revision trägt der Kläger im wesentlichen vor: Das angefochtene Urteil sei in entscheidenden Punkten nicht mit Gründen versehen (§116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). So stütze sich die Vorentscheidung zwar auf die Nichtanwendung des Schreibens des BMF in BStBl I 1975, 611. Dies werde in dem angefochtenen Urteil jedoch nicht begründet, sondern lediglich erklärt, das Schreiben des BMF sei "vom Gericht im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden". Wegen dieser fehlenden Begründung könne nicht nachvollzogen werden, ob das FG die Regelung des §176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) berücksichtigt habe und wie es einen Gleichheitsverstoß wegen Nichtanwendung der Übergangsvorschrift ausschließen wolle. Im übrigen verstoße das Urteil des FG auch gegen §172 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977, denn ohne seine, des Klägers Zustimmung habe auf den Einspruch des anderen Kommanditisten ein Abhilfebescheid nicht ergehen können. Durch die später ergangene Einspruchsentscheidung habe dieser Mangel nicht geheilt werden können.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den geänderten Feststellungsbescheid 1972 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet, abweichend von §115 Abs. 1 FGO, die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Ohne vorherige Zulassung durch das FG oder den BFH ist die Revision daher nur zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i.S. von §116 Abs. 1 FGO gerügt werden.
Ein solcher Verfahrensmangel ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen der in §116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (Senatsbeschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). Der Vortrag des Klägers, in dem angefochtenen Urteil werde nicht begründet, warum die Übergangsregelung im Schreiben des BMF in BStBl I 1975, 611 nicht anwendbar sei, ergibt nicht schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. von §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
Nach der Rechtsprechung des BFH fehlen die Entscheidungsgründe zwar nicht nur dann, wenn die Entscheidung überhaupt nicht mit Gründen versehen ist. Diese Voraussetzung ist vielmehr auch dann erfüllt, wenn das FG seine Entscheidung hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunkts nicht begründet hat (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 4. Juni 1997 IV R 79/96, BFH/NV 1998, 2, m.w.N.). Entgegen dem Vortrag des Klägers hat das FG durchaus begründet, warum die Übergangsregelung nicht anwendbar sei. Es hat -- wenn auch in gedrängter Form -- ausgeführt, die fragliche, aus Billigkeitsgründen ergangene Übergangsregelung des BMF (in BStBl I 1975, 611) sei "im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden". Damit hat das FG hinreichend deutlich gemacht, daß es sich wegen der Zweigleisigkeit von Steuerfestsetzungs- oder Feststellungsverfahren einerseits und Billigkeitsverfahren andererseits gehindert sieht, im anhängigen Verfahren gegen den Feststellungsbescheid darüber zu entscheiden, ob die nach §163 AO 1977 ergangene Übergangsregelung anzuwenden ist. Über eine begehrte Billigkeitsmaßnahme nach §163 Abs. 1 AO 1977 kann nämlich nicht im Rahmen der Gewinnfeststellung, sondern nur durch gesonderten Verwaltungsakt entschieden werden (BFH- Urteile vom 28. November 1980 VI R 226/77, BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319, und vom 12. Januar 1989 IV R 87/87, BFHE 155, 487, BStBl II 1990, 261).
Soweit der Kläger weiter geltend macht, das angefochtene Urteil verstoße gegen §172 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977, und es sei nicht nachvollziehbar, ob das FG die Regelung des §176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 berücksichtigt habe und wie es einen Gleichheitsverstoß wegen Nichtanwendung der Übergangsvorschrift ausschließen wolle, rügt er letztlich nur eine unzutreffende Rechtsanwendung. Darauf aber kann eine zulassungsfreie Revision nach §116 Abs. 1 FGO nicht gestützt werden. Ein Mangel i.S. des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO wie des §119 Nr. 6 FGO liegt nämlich selbst dann nicht vor, wenn im angefochtenen Urteil Gründe übergangen sind, die das Gericht zwar hätte bedenken müssen, die es tatsächlich aber nicht bedacht hat (Beschluß des BFH vom 28. April 1993 II R 123/91, BFH/NV 1994, 46; s. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997 §119 Tz. 25, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 154138 |
BFH/NV 1999, 189 |