Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung von Prozeßkostenhilfe wegen einsetzbaren Vermögens
Leitsatz (NV)
Bei Prüfung der Frage, ob die Prozeßkosten für einen Rechtsstreit aufgebracht werden können, ist auch das Wertpapiervermögen in Betracht zu ziehen. Dabei kann - in den Grenzen der aufgrund der Ermächtigung in § 88 Abs. 4 BSHG ergangenen Verordnung - der Schutz des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Betracht kommen.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114-115; BSHG § 88 Abs. 2-4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger (Kläger) erhob Klage vor dem Finanzgericht (FG) gegen die Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980. Gleichzeitig beantragte er, ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) zur Durchführung des Klageverfahrens zu gewähren. Zum Antrag reichte er eine auf amtlichem Vordruck abgegebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15. Juni 1982 nach.
Das FG lehnte den Antrag ab. Im Klageverfahren könnten sich Prozeßkosten in Höhe von 2 283,18 DM ergeben. Dem Kläger sei zumutbar, diesen Betrag aus seinem Wertpapiervermögen aufzubringen, das laut Erklärung insgesamt 41 463 DM betrage.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. Zur Begründung verweist er u. a. auf seine Schreiben an das FG vom 3. Juni 1986, dem auf amtlichem Vordruck eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 30. Mai 1986 beigefügt war, und auf das Schreiben an das FG vom 12. Juni 1986.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) darf einem Beteiligten PKH nur bewilligt werden, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Denn der Kläger kann die Kosten aus seinem Vermögen aufbringen.
Eine Verschlechterung seiner Vermögenslage im Vergleich zu seiner ersten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die das FG noch seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist nicht erkennbar.
Dem Vorbringen des Klägers läßt sich nicht entnehmen, daß das in der Erklärung vom 15. Juni 1982 angegebene Wertpapiervermögen weggefallen wäre. Zwar hat er in seiner erneuten - auf dem amtlichen Vordruck abgegebenen - Erklärung vom 30. Mai 1986 die Frage nach dem Vorhandensein von Wertpapieren nicht beantwortet und insoweit in der Spalte ,,Verkehrswert" ,,keine" eingetragen. Zur Begründung dafür hat er in seinem Schreiben vom 3. Juni 1986 im wesentlichen ausgeführt, das Wertpapiervermögen könne nicht berücksichtigt werden, weil es als Rücklage für die laufenden Zinszahlungen diene. Nur in diesem Sinne kann damit auch der spätere Hinweis auf den Verbrauch des Wertpapiervermögens gemeint sein (Schreiben vom 12. Juni 1986). Aus den Angaben des Klägers ergibt sich damit lediglich, daß er den Einsatz des - noch vorhandenen - Wertpapiervermögens für nicht zumutbar hält. Dem kann indes nicht gefolgt werden.
Die Frage der Zumutbarkeit ist grundsätzlich in entsprechender Anwendung des § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu beurteilen, wie sich aus § 115 Abs. 2 ZPO ergibt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 142 Anm. 5). In dieser Vorschrift des BSHG ist bestimmt, welches Vermögen einzusetzen ist. Für Wertpapiervermögen als ,,sonstige Geldwerte" kann zwar der Schutz des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Betracht kommen. Dies gilt aber nur in den Grenzen der aufgrund der Ermächtigung in § 88 Abs. 4 BSHG ergangenen Verordnung des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit vom 9. November 1970 (zuletzt geändert durch die Zweite Änderungsverordnung vom 6. Dezember 1979, BGBl I 1979, 2004). Danach ist das genannte Vermögen bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen nur bis zu einem Betrag von 4 000 DM für den Hilfesuchenden zusätzlich eines Betrags von 400 DM für jede Person, die von diesem überwiegend unterhalten wird, als nicht verwertbar anzusehen (§ 1 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung). Wendet man diese Vorschrift auf die Bewilligung von PKH an, ergibt sich beim Kläger ein nicht einsetzbarer Betrag allenfalls in Höhe von 5 200 DM. Das diesen Betrag übersteigende Wertpapiervermögen des Klägers reicht aus, die Prozeßkosten zu bestreiten.
Nach dem Vortrag des Klägers ist auch kein Grund ersichtlich, wonach die Verwertung dieses Vermögens eine Härte i. S. des § 88 Abs. 3 BSHG bedeuten würde. Dafür reicht es nicht aus, wenn der Kläger das Vermögen bzw. dessen Erträge für die laufenden Zinszahlungen verwenden will. Die insoweit bestehenden Verpflichtungen des Klägers begründen keinen außergewöhnlichen Bedarf, wie ihn die Ausnahmeregelung des § 88 Abs. 3 BSHG zur Voraussetzung hat (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 12. Aufl., § 88 Anm. 57).
Schon ohne Berücksichtigung des Wertpapiervermögens beträgt das Vermögen des Klägers 79 000 DM. Nach seiner zuletzt eingereichten Erklärung sind die Schulden zwar von bisher 266 400 DM im Zeitpunkt der ersten Erklärung auf 346 000 DM angewachsen. Gleichzeitig verfügt er aber - seinen Angaben zufolge - nach Wegfall des Veräußerungsverbots über das Grundstück in A. nunmehr über Grundvermögen im Wert von insgesamt 425 000 DM. Der Verwertung des - nicht nach § 114 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG geschützten - Grundstücks in A. steht es nicht entgegen, wenn die geschiedene Ehefrau das Grundstück beansprucht, was wohl mit dem Hinweis des Klägers auf die noch nicht geklärte Frage des Zugewinnausgleichs gemeint ist. Davon, daß der Kläger nur Miteigentümer des Grundstücks ist, kann nach seinen Angaben nicht ausgegangen werden. Aber auch in diesem Fall wäre zwar die Veräußerung erschwert, keinesfalls aber die Kreditaufnahme ausgeschlossen.
Bei dem vom Kläger benötigten Kleinkredit stellt sich auch die Frage nach der Beleihungsgrenze nicht, die nach seinen Angaben überschritten sein soll. Da der Kläger die Raten für Zins und Tilgung aus seinem Wertpapiervermögen aufbringen kann, wird er den benötigten Betrag nach seinen Vermögensverhältnissen ohne weiteres erhalten.
Offenbleiben kann damit, ob die beantragte PKH schon deshalb versagt werden müßte, weil sich der Kläger nach Klageerhebung weiter verschuldet hat und jedenfalls erst dadurch die Beleihungsgrenze überschritten worden sein kann (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 46. Aufl., § 114 Anm. 2 Ac, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 415767 |
BFH/NV 1989, 123 |