Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung eines abgetretenen erschlichenen Erstattungsbetrages
Leitsatz (NV)
Überweist das FA einen durch Fälschung der Lohnsteuerkarte erschlichenen Erstattungsbetrag auf das von einem Kreditinstitut, dem der Erstattungsanspruch abgetreten worden ist, für den Steuerpflichtigen eingerichtete Darlehenskonto, so ist im Hinblick auf die Entscheidung des BFH in BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608, die Frage, ob das FA den zu Unrecht ausgezahlten Erstattungsbetrag von dem Kreditinstitut zurückfordern kann, nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 37 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
In seinem beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) gestellten Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 bat der Steuerpflichtige S darum, den Erstattungsbetrag auf ein im Antragsvordruck angegebenes Konto zu überweisen. Zusammen mit dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich wurde dem FA eine Abtretungsanzeige eingereicht, mit der S angab, den Erstattungsanspruch aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 in Höhe von insgesamt 3 736,50 DM an die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Bank, abgetreten zu haben. In der Abtretungsanzeige wird weiter ausgeführt, daß die Überweisung auf das Konto erfolgen soll, das auch im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich des S angeführt ist. Hierbei handelt es sich um ein Darlehenskonto des S, das die Klägerin für diesen eingerichtet hatte. Das FA überwies nach Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1978 des S einen Erstattungsbetrag von 3 128,30 DM auf das im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich und in der Abtretungsanzeige angeführte Konto.
Nachdem es davon Kenntnis erlangt hatte, daß die Angaben auf der Lohnsteuerkarte des S gefälscht waren und ein Arbeitsverhältnis zwischen S und dem auf der Lohnsteuerkarte angegebenen Arbeitgeber nie bestanden hatte, hob das FA den Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgeleich 1978 auf und forderte von der Klägerin den Betrag von 3 128,30 DM zurück, den es auf das angegebene Konto ausgezahlt hatte. Der Einspruch und die Klage der Klägerin gegen den Rückforderungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus:
Das FA habe zu Recht durch Bescheid den Rückforderungsanspruch gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß Rückforderungsansprüche von Steuern, die zu Unrecht erstattet worden seien, dem öffentlichen Recht angehörten und durch Verwaltungsakt geltend zu machen seien, weil sie nichts anderes als umgekehrte Erstattungs- und Vergütungsansprüche seien (vgl. Beschluß vom 8. April 1986 VII B 128/85, BFHE 146, 229, BStBl II 1986, 511). Die Abtretung des vorgetäuschten Erstattungsanspruchs durch den Antragsteller an die Klägerin habe den öffentlich-rechtlichen Charakter dieses in Wahrheit nicht bestehenden Anspruchs nicht berührt. Der Anspruch gehe in der rechtlichen Form über, die er vor der Abtretung gehabt habe, im Streitfall also als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1978 VI R 20 /77, BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608). Gegenüber der Klägerin habe das FA den Rückforderungsanspruch deshalb zu Recht geltend gemacht, weil diese als Leistungsempfängerin i. S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) anzusehen sei.
Wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608 ausgeführt habe, sei Leistungsempfänger derjenige, der den vorgetäuschten Erstattungsbetrag tatsächlich erhalten habe. Dies sei im Streitfall die Klägerin gewesen, da sie allein über den vom FA überwiesenen Betrag habe verfügen können. Das ergebe sich aus dem Rechtsverhältnis, das der Überweisung des FA auf das Konto zugrunde gelegen habe. Wie die Klägerin selbst ausgeführt habe, sei der streitige Betrag auf ein Darlehenskonto des S überwiesen worden, das die Klägerin für diesen eingerichtet habe. Mit der Überweisung durch das FA habe der Schuldsaldo, der sich aufgrund der Auszahlung des Darlehensbetrages von der Klägerin an S ergeben habe, ausgeglichen werden sollen. Damit habe nur noch die Klägerin über den vom FA überwiesenen Betrag verfügen können. Denn mit der Überweisung dieses Betrages hätten die Schulden des S getilgt und diesem nicht neue, über den schon ausgezahlten Betrag hinausgehende Kreditmöglichkeiten eröffnet werden sollen. Daß S nicht mehr über den aufgrund des Lohnsteuer-Jahresausgleichs auszuzahlenden Betrag habe verfügen sollen, komme auch darin zum Ausdruck, daß gleichzeitig mit dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich eine Abtretungsanzeige eingereicht worden sei, die die Klägerin als Abtretungsempfängerin ausweise. In einem vergleichbaren Fall, in dem ebenfalls der Erstattungsbetrag auf ein Schuldkonto des Steuerpflichtigen bei dem Kreditinstitut überwiesen worden sei, habe der BFH ebenfalls einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Kreditinstitut bejaht (BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608).
Dem Rückforderungsanspruch des FA stehe auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Das FA sei selbst getäuscht worden. Es sei nicht ersichtlich, daß es etwa offensichtlich gebotene Vorsichtsmaßnahmen außer Betracht gelassen hätte. Die Klägerin werde nicht schlechter gestellt, als sie schon bei Hingabe des Darlehens gestellt gewesen sei. Denn schon zu diesem Zeitpunkt habe ein Erstattungsanspruch im wirtschaftlichen Sinne nicht bestanden.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung für alle Kreditbanken, die in Zusammenhang mit der Führung von Darlehenskonten bei der Verwertung von sicherungsweise abgetretenen Steuererstattungsansprüchen in den Haftungsbereich nach § 37 Abs. 2 AO 1977 gezogen werden könnten. Das FG komme zu dem nicht zwingenden Schluß, daß jeder Geldzugang auf einem von einem Bankinstitut als Darlehenskonto geführten Fremdkonto faktisch als Schuldtilgung zu werten sei. Es gehe davon aus, daß wegen des zum Kunden bestehenden Darlehensverhältnisses keine Verfügungsmacht über das Darlehenskonto bestünde. Im Streitfall sei aber die zurückgeforderte Zahlung aufgrund der Anweisung des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung auf das dort benannte Konto erfolgt. Sie sei daher an den Darlehensnehmer gerichtet gewesen.
Es bleibe zu klären, ob bei einem Bankinstitut geführte Darlehenskonten Konten des Darlehensnehmers und damit Fremdkonten seien oder eigene Konten der Bank über ihre Darlehensforderungen darstellten. Das vom FG zitierte Urteil in BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608 setze sich mit der Frage des Zuflusses im Abtretungsfalle sowie einer Differenzierung zwischen Darlehens- und Girokonten etc. nicht kritisch auseinander. Es gehe lediglich davon aus, daß der Rückforderungsbetrag in den Verfügungsbereich des Kreditinstituts eingegangen sei. Eine höchstrichterliche Entscheidung über den erweiterten Haftungsbereich für Kreditinstitute im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO 1977 stehe somit noch aus.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung in künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestande zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, d. h. wenn die Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit als Gemeinschaft der Rechtsgenossen an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 13 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Rechtsfragen, denen die Klägerin grundsätzliche Bedeutung beimißt, gehen dahin, ob bei einem Bankinstitut geführte Darlehenskonten Konten der Darlehensnehmer und damit Fremdkonten oder eigene Konten der Bank über ihre Darlehensforderungen darstellen und ob folglich bei Steuererstattungen auf solche Darlehenskonten der Darlehensnehmer oder die Bank Leistungsempfänger i. S. des § 37 Abs. 2 AO 1977 ist. Diese Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Der BFH hat über die Frage des Leistungsempfängers - und damit über die Person des Rückzahlungsverpflichteten - im Falle der rechtsgrundlosen Steuererstattung auf ein Schuldkonto des Steuerpflichtigen bei einem Kreditinstitut, dem - wie im Streitfall - der (angebliche) Erstattungsanspruch abgetreten worden war, bereits entschieden. Die Klägerin hat keine neuen gewichtigen Gründe geltend gemacht, die es geboten erscheinen lassen, daß das Revisionsgericht seinen Rechtsstandpunkt nochmals überprüft oder über die Umstände des Urteilsfalles hinausgehend zur Verfügungsbefugnis über bei Kreditinstituten bestehende Darlehenskonten allgemein Stellung nimmt. Für eine erneute Entscheidung des BFH besteht deshalb aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und / oder der Rechtsentwicklung kein allgemeines Interesse (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnrn. 139 bis 144).
Zahlt das FA einen durch Fälschung von Lohnsteuerbescheinigungen erschlichenen Erstattungsbetrag an einen Dritten aus, an den der angebliche Erstattungsanspruch abgetreten wurde (Zessionar), so kann es nach dem vom FG zitierten Urteil des VI. Senats des BFH in BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608 seinen Rückforderungsanspruch als öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Zessionar geltend machen. Der VI. Senat hat ausgeführt, daß es in Fällen dieser Art gerechtfertigt und sinnvoll sei, den Rückforderungsanspruch gegenüber demjenigen zuzulassen, der den vorgetäuschten Erstattungsbetrag tatsächlich erhalten hat. Der Dritte, im Urteilsfall ein die Steuererstattung vorfinanzierendes Kreditinstitut, werde dadurch nicht schlechtergestellt, als er ohnehin schon bei Hingabe seines Darlehens gestellt gewesen sei. Denn schon zu diesem Zeitpunkt habe ein Erstattungsanspruch im wirtschaftlichen Sinne nicht bestanden.
Die mit der Beschwerde angefochtene Vorentscheidung entspricht in vollem Umfang der vorstehend zitierten BFH-Entscheidung. In beiden Fällen hatte das FA den mittels gefälschten Angaben auf der Lohnsteuerkarte erschlichenen Erstattungsbetrag auf ein Schuldkonto überwiesen, das für den Antragsteller wegen des zuvor gewährten Darlehens bei einem Kreditinstitut geführt wurde; in beiden Fällen war der angebliche Erstattungsanspruch an das Kreditinstitut abgetreten worden, und darüber hinaus hatte der Antragsteller im Urteilsfall ebenso wie im Streitfall das FA aufgefordert, den Erstattungsbetrag auf sein Schuldkonto bei dem Kreditinstitut zu leisten. Für die Auffassung der Klägerin, das FA habe im Streitfall die Überweisung auf das Darlehenskonto ohne Berücksichtigung der Abtretung allein aufgrund der im Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrag enthaltenen Angabe über das Erstattungskonto vorgenommen, bestehen nach den vom FG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) keine Anhaltspunkte. Die dem FA vorgelegte Abtretungsanzeige enthält vielmehr ebenfalls die Angabe des Darlehenskontos und die ausdrückliche Aufforderung der Zessionarin an das FA, den Erstattungsbetrag auf dieses Konto zu überweisen. Im Hinblick auf den mit dem Urteilsfall des VI. Senats übereinstimmenden Sachverhalt bedarf es deshalb für den Streitfall keiner erneuten höchstrichterlichen Entscheidung.
Der Senat hat zwar in seinem im Aussetzungsverfahren ergangenen Beschluß in BFHE 146, 229, BStBl II 1986, 511, auf den sich die Klägerin ebenfalls beruft, entschieden, es sei ernstlich zweifelhaft, ob das FA, das einen Steuererstattungsbetrag aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungsberechtigten an einen Dritten ausgezahlt hat, einen etwaigen Rückforderungsanspruch gegen den Dritten durch Rückforderungsbescheid geltend machen kann und ob der Dritte Leistungsempfänger i. S. des § 37 Abs. 2 AO 1977 ist. Er hat das vom Erstattungsberechtigten angegebene Bankkonto eines Dritten (dort der Ehefrau) lediglich als Zahlstelle für die zu bewirkende Überweisung angesehen, die keine Veränderung in der Person des Leistungsempfängers bewirkt. Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich aber - wie der Senat ausdrücklich ausgeführt hat - von dem Urteilsfall in BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608 - und damit auch vom Streitfall - dadurch, daß eine Abtretung des Erstattungsanspruchs an den Dritten (Ehefrau) nicht vorlag. Aus dem angeführten Beschluß des Senats können deshalb für die Frage des Rückzahlungsverpflichteten im Streitfall keine Folgerungen gezogen werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde war deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 415167 |
BFH/NV 1987, 753 |