Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe - hinreichende Aussicht auf Erfolg und die dazu erforderlichen Darlegungen
Leitsatz (NV)
1. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.
2. Der Antragsteller hat die hinreichende Erfolgsaussicht mit eigenen Angaben aufzuzeigen, und zwar durch Darlegungen, denen das Gericht entnehmen kann, ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
3. Das Gericht ist befugt, sich die Feststellungen aus einem in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteil zu eigen zu machen. Daran ist es nur gehindert, wenn ein Beteiligter gegen die strafgerichtlichen Feststellungen substantiierte Einwendungen vorgetragen und entsprechende Beweisanträge gestellt hat, die das Gericht nach den allgemeinen, für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet lassen kann. Zur Darlegung der hinreichenden Erfolgsaussicht reicht dabei hinsichtlich der Angaben über die rechtlich bedeutsamen Tatsachen ein schlüssiges Vorbringen mit Beweisantritt in der Weise aus, daß eine Beweisaufnahme im Hauptverfahren ernsthaft in Betracht kommt.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 117 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) wurde vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt - HZA -) als Geschäftsführer der GmbH, die ihrerseits Komplementärin der KG war, für Mineralölsteuer als Haftender in Anspruch genommen. Zur Begründung hat das HZA folgendes ausgeführt:
Der KG sei 1974 die Erlaubnis für einen Verteilerverkehr mit steuerbegünstigtem Heizöl erteilt worden. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts sei der Beschwerdeführer u. a. zweier Vergehen der Hinterziehung von Mineralölsteuer für schuldig befunden worden. Nach dem Urteil des Landgerichts habe er im Jahre 1976 für . . . 1 Heizöl die Mineralölsteuer in Höhe von hinterzogen. Wegen dieser Mineralölsteuer werde er im Streitfall in Anspruch genommen.
Der - der Inanspruchnahme zugrundeliegende - Sachverhalt ergebe sich aus den Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts. Danach habe die KG im Jahre 1976 mehr Dieselkraftstoff verkauft als sie nachweisbar selbst bezogen habe. Der Mehrverkauf erkläre sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus dem Bezug von sog. Y-Öl. Dieses Öl habe die KG in der Zeit vom Januar 1976 bis Juli 1976 in Einzellieferungen unter der Warenbezeichnung ,,Anderes Schweröl als Gasöl, Heizöl leicht, zum Verheizen bestimmt" von der Firma X gekauft, mit einem firmeneigenen Tankzug bei der Firma Y-Öl GmbH abholen und in ihr Tanklager in A verbringen lassen. Das Schweröl sei wegen schlechter Qualität weder als Dieselkraftstoff noch unvermischt bedenkenlos als Heizöl zu verwenden gewesen. Der Beschwerdeführer habe es daher im Verteilerverkehr - der KG - mit einem Teil des qualitativ besseren Heizöls vermischen lassen. Die rechnerisch dadurch freigewordenen Mengen an Heizöl seien vom Beschwerdeführer ausgenutzt worden, um im Bezugszeitraum (Januar bis Juli 1976) mindestens . . . 1 steuerbegünstigtes ungekennzeichnetes Heizöl aus dem Verteilerverkehr der KG zweckwidrig als Dieselkraftstoff zu veräußern. Teilweise habe er dabei im Verteilerverkehr bezogenes - steuerbegünstigtes - Heizöl unmittelbar (ohne Zwischenlagerung) an Kunden ausliefern oder im Lager A als Dieselkraftstoff abladen lassen.
Die Firma Y-Öl GmbH habe das von ihr als steuerbegünstigtes Heizöl abgegebene Schweröl ordnungsgemäß mit 1,50 DM je 100 kg versteuert. Sie habe es ohne förmliche Erlaubnis steuerbegünstigt an die Firma X abgeben dürfen. Die Weitergabe an die KG als leichtes Heizöl habe ebenfalls im Rahmen der allgemeinen Erlaubnis gelegen. Es sei nicht festgestellt worden, daß das Schweröl als Dieselkraftstoff zweckwidrig verwendet worden sei. Daraus folge, daß für das Schweröl die Steuerschuld nicht unbedingt entstanden sei.
Nach den Feststellungen des Landgerichts habe der Beschwerdeführer über das steuerbegünstigte leichte Heizöl in der Gesamtmenge von . . . 1 zweckwidrig verfügt und es bewußt unterlassen, die zweckwidrige Verwendung des Heizöls den Zollbehörden vorher anzuzeigen, unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben und fällige Steuern sofort zu bezahlen. Der Beschwerdeführer habe somit die Zollbehörden über steuererhebliche Tatsachen pflichtwidrig in Unkenntnis gelassen und bewußt steuerunehrlich gehandelt, um auf diese Weise seine Erlöse zu erhöhen. Dadurch habe er bewirkt, daß in der Zeit von Januar bis Ende Juli 1976 fällige Mineralölsteuern in der Höhe von . . . DM für insgesamt . . . 1 Heizöl nicht festgesetzt und nicht erhoben worden seien.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung Klage und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im wesentlichen mit der Begründung ab, es lege seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der in dem Urteil des Landgerichts festgestellt sei.
Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.
Nach Klageerhebung stellte der Beschwerdeführer beim FG den Antrag, ihm - für das Klageverfahren - Prozeßkostenhilfe zu gewähren.
Das FG lehnte den Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, wie sich aus den Gründen des Beschlusses über die Aussetzung der Vollziehung ergebe, habe die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Seine Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe begründet der Beschwerdeführer im wesentlichen damit, daß das FG nach dem Untersuchungsgrundsatz verpflichtet sei, die maßgebenden Verhältnisse in eigener Zuständigkeit festzustellen, wobei es nicht an die Entscheidung eines anderen Gerichts gebunden sei. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses lasse eine Auseinandersetzung mit den in der Vorinstanz angebrachten Argumenten nicht erkennen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
1. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217). Aus der Regelung in § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO, nach der der Antragsteller in dem Antrag auf Prozeßkostenhilfe das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen hat, ist zu entnehmen, daß der Antragsteller die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung einer Prozeßkostenhilfe mit eigenen Angaben aufzuzeigen hat (vgl. Zöller / Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 117 Rdnr. 13), und zwar durch Darlegungen, aus denen das Gericht erkennen kann, ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl., § 117 Anm. 2 C).
2. Die Beschwerdebegründung läßt nicht erkennen, daß das FG diese Grundsätze bei seiner Entscheidung verkannt oder unzutreffend angewandt habe.
Der Einwand, das FG sei nach dem Untersuchungsgrundsatz verpflichtet, die maßgeblichen Verhältnisse in eigener Zuständigkeit und ohne Bindung an die Feststellungen des Landgerichts festzustellen, greift insoweit schon deshalb nicht durch, weil das FG durchaus befugt ist, sich die Feststellungen aus einem in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteil zu eigen zu machen. Daran ist es nur dann gehindert, wenn ein Beteiligter gegen die strafgerichtlichen Feststellungen substantiierte Einwendungen vorgetragen und entsprechende Beweisanträge gestellt hat, die das FG nach den allgemeinen, für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet lassen kann (vgl. Urteil des Senats vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311).
Diese Grundsätze sind auch bei der Entscheidung über einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe mit der Folge zu beachten, daß zur Darlegung einer hinreichenden Erfolgsaussicht hinsichtlich der Angaben über die rechtlich bedeutsamen Tatsachen ein schlüssiges Vorbringen mit Beweisantritt ausreicht (vgl. Zöller / Schneider, a.a.O., § 114 Rdnr. 31) und infolgedessen eine Beweisaufnahme im Hauptverfahren ernsthaft in Betracht kommt (Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, a.a.O., § 114 Anm. 2 Ba).
Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, daß das FG unter Beachtung dieser Grundsätze zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, die Klage habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller hat insbesondere nicht aufgezeigt, daß die von ihm vermißte Auseinandersetzung des FG mit den in der Vorinstanz vorgebrachten Argumenten zu dem Ergebnis geführt hätte, daß eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage bestehe. Der Einwand des Antragstellers, aus der Aussage des B werde eine Vermutung zu seinen Ungunsten hergeleitet, geht schon deshalb fehl, weil das FG seine Entscheidung nicht auf eine Bekundung des B, sondern auf den Einwand des Beschwerdeführers gestützt hat, mit dem dieser vorgebracht hat, was B bekunden könne.
3. Im übrigen vermag der Senat auch den Darlegungen des Beschwerdeführers in der Vorinstanz nicht zu entnehmen, daß die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Mit diesen Ausführungen wendet der Beschwerdeführer sich gegen einzelne Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts. Der Senat vermag bei summarischer Prüfung aber nicht zu erkennen, daß diese Einwände mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Ergebnissen führen, aus denen zu folgern wäre, daß der Haftungsbescheid keinen Bestand haben könne.
Zu einem derartigen Ergebnis vermag der Senat aufgrund der Einwände des Beschwerdeführers schon deshalb nicht zu gelangen, weil dessen Darlegungen nicht zu entnehmen ist, daß die - vom Beschwerdeführer - beanstandeten Feststellungen des Landgerichts für die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids maßgebliche Bedeutung haben.
Fundstellen
Haufe-Index 415168 |
BFH/NV 1988, 261 |