Entscheidungsstichwort (Thema)
Einspruchsbefugnis des Inhabers eines Handelsgeschäftes gegen Gewinnfeststellungsbescheid der atypisch stillen Gesellschaft nach § 352 AO 1977 n.F. - Umfang der Einspruchsbefugnis eines nach § 352 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 AO 1977 n.F. einspruchsbefugten Feststellungsbeteiligten - Aussetzung der Vollziehung: Negativer Feststellungsbescheid, Antragsbefugnis, Auswirkungen der zivilrechtlichen Unwirksamkeit eines atypisch stillen Gesellschaftsverhältnisses zwischen einer AG und natürlichen Personen - Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft: Unbeachtlichkeit der zivilrechtlichen Unwirksamkeit, Vollzug des Gesellschaftsverhältnisses - Gewinnerzielungsabsicht - Wirkung einer Einspruchsentscheidung gegen Feststellungsbescheid gegenüber einspruchsbefugten Feststellungsbeteiligten, die nicht selbst Einspruch eingelegt haben: Hinzuziehung, Beiladung, Antragsbefugnis
Leitsatz (amtlich)
Ein nach dem 31. Dezember 1995 bekanntgegebener Gewinnfeststellungsbescheid, der gegen die Gesellschafter einer atypisch stillen Gesellschaft gerichtet ist, kann vom Inhaber des Handelsgeschäfts nicht nach § 352 Abs. 1 Nr. 1, erste Alternative AO 1977 i.d.F. des Grenzpendlergesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl I, 1395) mit dem Einspruch angefochten werden.
Orientierungssatz
1. In Verfahren, die einen negativen Feststellungsbescheid betreffen, ist vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
2. Aussetzung der Vollziehung eines Feststellungsbescheides kann jeder beantragen, der in der Hauptsache zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid berechtigt ist.
3. Die Einspruchsbefugnis eines Feststellungsbeteiligter nach § 352 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AO 1977 n.F. ist --anders als die nach Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 der Vorschrift-- dem Umfang nach beschränkt. Der Einspruchsführer wird insoweit nicht in Prozeßstandschaft für die übrigen Gesellschafter tätig, sondern nur aus eigenem Recht. Er kann deshalb nur die ihn selbst betreffenden Feststellungen angreifen. In gleichem Umfang ist auch seine Antragsbefugnis im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begrenzt (BFH-Rechtsprechung).
4. NV: Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Erlaß eines positiven Gewinnfeststellungsbescheides für die aus einer AG und natürlichen Personen bestehenden atypischen stillen Gesellschaft mit der Begründung abgelehnt werden kann, daß die formellen Voraussetzungen für den wirksamen Abschluß eines Vertrages über die atypisch stille Beteiligung der natürlichen Personen am Unternehmen der AG nicht erfüllt sind.
5. NV: Ein Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn ein Unternehmen auf gemeinsame Rechnung und Gefahr betrieben wird, d.h., wenn die Beteiligten an den unternehmerischen Entscheidungen teilhaben und am Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens beteiligt sind. Für die Annahme einer Mitunternehmerschaft und eines Gesellschaftsverhältnisses ist es dagegen nicht erforderlich, daß der als Gesellschaftsvertrag zu qualifizierende Vertragsabschluß allen formellen Anforderungen des Zivilrechts genügt. Auch bei einer fehlerhaft zustande gekommenen Gesellschaft handelt es sich zivilrechtlich um ein Gesellschaftsverhältnis.
6. NV: Im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war nicht abschließend zu prüfen, ob ein wegen Verstoßes gegen §§ 293 Abs. 1, 294 Abs. 2 AktG unwirksamer Teilgewinnabführungsvertrag (hier: Aufnahme eines stillen Gesellschafters durch eine AG) Bestandsschutz nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft genießt, wonach ein fehlerhaft zustande gekommenes, aber in Vollzug gesetztes Gesellschaftsverhältnis grundsätzlich als wirksam behandelt wird.
7. NV: Werden die Vereinbarungen eines unwirksamen Vertrages über die Begründung einer stillen Gesellschaft (hier: Aufnahme eines stillen Gesellschafters durch eine AG) tatsächlich vollzogen, so ist die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Vertrages steuerrechtlich unerheblich. Dem steht § 41 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nicht entgegen, da § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG für die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung einer Mitunternehmerschaft nicht fordert, daß der Gesellschaftsvertrag zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 30.70.1997 I R 7/97).
8. NV: Sind keine Umstände ersichtlich, die auf das Vorliegen einer typischen Verlustzuweisungsgesellschaft hindeuten, so ist von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, daß eine Gesellschaft mit der Absicht der Gewinnerzielung gegründet wurde. Diese Vermutung ist nicht schon dann widerlegt, wenn in den ersten Jahren der unternehmerischen Tätigkeit Verluste auftreten (vgl. BFH-Rechtsprechung).
9. NV: Hat ein gemäß § 352 AO 1977, § 48 FGO zur Einlegung eines Einspruchs oder einer Klage befugter Feststellungsbeteiligter nicht selbst gegen den Feststellungsbescheid Einspruch eingelegt, so entfaltet ihm gegenüber die Entscheidung der Finanzbehörde über den Einspruch eines anderen Feststellungsbeteiligten solange keine Wirkung, als er nicht zu dem Hauptsacheverfahren hinzugezogen oder im anschließenden Klageverfahren beigeladen worden ist. Mithin ist der einspruchsbefugte Feststellungsbeteiligte erst dann i.S. des § 69 Abs. 3 FGO antragsbefugt, wenn er zu dem Hauptsacheverfahren (hier: Einspruchsverfahren) hinzugezogen worden ist.
Normenkette
AktG § 293 Abs. 1, § 294 Abs. 2; AO 1977 § 352 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 Fassung: 1994-06-24, Nr. 2 Fassung: 1994-06-24, Nr. 4 Fassung: 1994-06-24, Abs. 2 Fassung: 1994-06-24, §§ 360, 41 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1; FGO § 48 Fassung 1994-06-24, §§ 60, 69 Abs. 3
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu 26 (im folgenden: Antragstellerin zu 26 oder AG) ist eine Ende August 1990 im Wege der formwechselnden Umwandlung aus einer GmbH entstandene Aktiengesellschaft. Die AG schloß mit den Antragstellern und Beschwerdeführern zu 1 bis 25 (im folgenden: Antragsteller zu 1 bis 25 oder atypisch stille Gesellschafter) Ende 1990 jeweils einen "Vertrag über die Errichtung einer atypischen stillen Gesellschaft".
++/ Die Zustimmung der Hauptversammlung der AG zu den Verträgen wurde nicht eingeholt. Die Verträge wurden auch nicht in das Handelsregister eingetragen.
Der Gesellschaftsvertrag zwischen der AG und dem jeweiligen atypisch stillen Gesellschafter enthält u.a. folgende Bestimmungen:
-
die atypisch stille Gesellschaft wird für eine
Mindestlaufzeit bis zum 31. Dezember 2000 vereinbart (§
2);
- die Einlage des stillen Gesellschafters beträgt mindestens
1000 DM zuzüglich eines Aufgeldes in Höhe von 1400 v.H.
der gezeichneten Einlage;
- eine Nachschußpflicht des stillen Gesellschafters ist
ausgeschlossen (§ 4);
- die Geschäftsführung steht allein der AG zu (§ 5);
- für den stillen Gesellschafter wird bei der AG ein
Kapitalkonto mit folgenden Unterkonten geführt:
1. Einlagekonto I (gezeichnete Einlage)
2. Einlagekonto II (Aufgeld)
3. Gewinn- und Verlustkonto zur Verbuchung der Anteile am
Gewinn und Verlust
4. Privatkonto zur Verbuchung der Entnahmen und Aus-
schüttungen
- der atypisch stille Gesellschafter ist am Gewinn oder
Verlust des Unternehmens im Verhältnis des Einlagekontos I
zum Gesamtbetrag aus Grundkapital der AG und Einlagekonten
I beteiligt; maßgeblich für die Beteiligung am Gewinn oder
Verlust ist das Ergebnis der Steuerbilanz der AG;
- im Jahr 1990 entfällt ein Steuerbilanzverlust zunächst bis
zur Höhe der stillen Einlagen auf den Einlagekonten I und
II auf die stillen Gesellschafter. Soweit ein
Bilanzverlust durch die stillen Einlagen nicht gedeckt
ist, wird der übersteigende Verlust anteilig zur
Verrechnung mit künftigen Gewinnanteilen der stillen
Gesellschafter vorgetragen;
- ab 1991 erhält der stille Gesellschafter für jedes
Geschäftsjahr eine Mindestausschüttung von 75 v.H. seiner
eingezahlten Einlage auf dem Einlagekonto I; das gilt
auch, wenn das Kapitalkonto negativ ist (§ 10);
- bei Beendigung der Gesellschaft steht dem stillen
Gesellschafter ein Abfindungsguthaben zu;
bei der Ermittlung der Abfindung ist die Beteiligung des
stillen Gesellschafters an dem seit dem 31. Dezember 1990
gebildeten gesamten Vermögen der AG einschließlich der stillen
Reserven und eines Geschäftswerts zu berücksichtigen; ist das
Kapitalkonto des stillen Gesellschafters bei Beendigung der
Gesellschaft negativ, ist es mit seinem
Auseinandersetzungsanspruch zu verrechnen (§ 15). /++
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--)
erließ für die Jahre 1990 bis 1993 Bescheide über die
einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für "atypisch stille Gesellschaft in
... AG". Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).
In den Jahren 1995/1996 führte das FA bei der AG und atypisch
stille Gesellschafter eine Außenprüfung durch, die zu dem
Ergebnis kam, daß die Voraussetzungen für eine einheitliche
und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb
bei den Antragstellern nicht vorlägen und das jeweilige
Jahresergebnis ausschließlich der AG zuzurechnen sei.
Das FA erließ daraufhin am 18. Oktober 1996 gegenüber den
Antragstellern zu 1bis 26 jeweils endgültige negative
Feststellungsbescheide für die Jahre 1990 bis 1995, in denen
es die für 1990 bis 1993 ergangenen Feststellungsbescheide
gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 aufhob und die beantragte
Gewinnfeststellung für die Jahre 1994 und 1995 ablehnte. Die
negativen Feststellungsbescheide wurden den Antragstellern
jeweils gesondert bekannt gegeben.
Gegen diese Bescheide legten die "AG und atypische stille
Gesellschafter" und die AG mit Schreiben vom 25. Oktober 1996
Einspruch ein und beantragten zugleich, die Vollziehung der
angefochtenen Bescheide in der Weise auszusetzen, daß den
atypisch stillen Gesellschaftern die in den
Feststellungserklärungen 1990 bis 1995 angegebenen
Gewinn/Verlustanteile und sonstigen Besteuerungsgrundlagen
zugerechnet werden.
Der Antragsteller zu 12 legte am 21. November 1996 Einspruch
ein. Über die Einsprüche hat das FA noch nicht entschieden.
Mit Verfügung vom 8. Januar 1997 lehnte das FA den Antrag auf
Aussetzung der Vollziehung ab, nachdem es bereits am 18.
Dezember 1996 telefonisch die Ablehnung des Antrags mitgeteilt
hatte.
Mit ihren beim Finanzgericht (FG) gestellten Anträgen auf
Aussetzung der Vollziehung tragen die Antragsteller im
wesentlichen vor, die atypisch stillen Beteiligungen erfüllten
die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft i.S. des § 15
Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), so daß gemäß
§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesonderte
und einheitliche Gewinnfeststellungen durchzuführen seien.
++/ Auch wenn die geschlossenen Verträge zivilrechtlich
unwirksam seien, sei nach den Grundsätzen der fehlerhaften
Gesellschaft ein Gesellschaftsverhältnis zwischen der AG und
den einzelnen atypisch stillen Gesellschaftern wirksam
zustande gekommen, da die Gesellschaft tatsächlich in Vollzug
gesetzt worden sei. Unabhängig davon ergebe sich die
steuerrechtliche Anerkennung der atypisch stillen Gesellschaft
aus § 41 AO 1977. Die Antragsteller zu 1 bis 25 trügen auch
ein Mitunternehmerrisiko. Dem stehe das in § 10 Nr. 2 Satz 3
des Vertrages über die Errichtung der atypisch stillen
Gesellschaft vereinbarte Mindestentnahmerecht nicht entgegen.
Auch die Beteiligung der stillen Gesellschafter an den stillen
Reserven des Betriebsvermögens und dem Geschäftswert
entspreche den steuerrechtlichen Erfordernissen.
Der Antrag war zunächst nur für die "atypische stille
Gesellschaft in der AG"gestellt worden. Nachdem der
Vorsitzende mit Schreiben vom 10. Februar 1997 Zweifel an der
Antragsbefugnis der atypisch stillen Gesellschaft geäußert
hatte, erklärten die Prozeßbevollmächtigten der AG, der Antrag
werde auch für die Antragsteller zu 1 bis 25 gestellt. /++
Das FG hat die Anträge abgewiesen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Bescheide seien nicht begründet. Das FA habe es zu Recht
abgelehnt, für die Antragsteller ein Feststellungsverfahren
durchzuführen. Zwischen den Antragstellern habe in den
Streitjahren kein zivilrechtlich beachtliches
Gesellschaftsverhältnis als Voraussetzung einer
Mitunternehmerschaft bestanden.
Das FG hat die Beschwerde zugelassen.
Die Antragsteller haben gegen den Beschluß des FG Beschwerde
eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat.
Die Antragsteller zu 1 bis 26 beantragen sinngemäß, den
angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Vollziehung der
negativen Feststellungsbescheide 1990 bis 1995 vom 18. Oktober
1996 bis einen Monat nach Zustellung der
Einspruchsentscheidung auszusetzen. Für die negativen
Feststellungsbescheide 1994 und 1995 gelte dies mit der
Maßgabe, daß vorläufig bis zu einem Monat nach Zustellung der
Einspruchsentscheidung von einem Verlust in Höhe von 118 996
DM und für das Kalenderjahr 1995 von einem Verlust von 329 076
DM auszugehen sei.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit sie von der AG und dem Antragsteller zu 12 eingelegt wurde. Der angefochtene Beschluß ist insoweit aufzuheben; die angefochtenen Feststellungsbescheide werden teilweise ausgesetzt.
++/ Die Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 11, 13 bis 25 ist unbegründet. /++
I. Beschwerde der Antragsteller zu 12 und 26
1. Das FG hat insoweit zutreffend die Zulässigkeit des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung bejaht.
a) Es ist zu Recht davon ausgegangen, daß in Verfahren, die einen negativen Feststellungsbescheid betreffen, vorläufiger Rechtsschutz nicht durch einstweilige Anordnung, sondern durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist (st. Rspr. seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637; vgl. die Nachweise bei Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 69 FGO Tz. 40).
b) Die AG und der Antragsteller zu 12 waren berechtigt, vorläufigen Rechtsschutz gegen den negativen Feststellungsbescheid zu beantragen. Sie haben den Bescheid vom 18. Oktober 1996 rechtzeitig mit dem Einspruch angefochten (§ 69 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie sind auch persönlich antragsbefugt. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist ein Nebenverfahren zum Verfahren der Hauptsache (hier: Einspruch). Aussetzung der Vollziehung eines Feststellungsbescheides kann jeder beantragen, der in der Hauptsache zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid berechtigt ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Rz. 17; Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz. 60).
Im Streitfall bestimmt sich die Rechtsbehelfsbefugnis der Feststellungsbeteiligten nach § 352 AO 1977 i.d.F. des Grenzpendlergesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl I, 1395, im folgenden: § 352 AO 1977 n.F.), weil der angefochtene Feststellungsbescheid nach dem 31. Dezember 1995 bekanntgegeben worden ist (vgl. Art. 97 § 18 Abs. 3 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung).
aa) Die Antragsbefugnis der AG ergibt sich allerdings nicht aus § 352 Abs. 1 Nr. 1 1. Altern. AO 1977. Danach ist der "zur Vertretung berufene Geschäftsführer" berechtigt, Einspruch gegen einen Feststellungsbescheid einzulegen; der Geschäftsführer handelt dabei als Organ der Gesellschaft in gesetzlicher Prozeßstandschaft für die Gesellschafter (st. Rspr. zu § 352 AO 1977 a.F. und § 48 FGO a.F.; vgl. dazu eingehend Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO n.F., Rz. 15 ff., 22, 27, m.w.N.; a.A. Tipke/Kruse, a.a.O., § 48 FGO n.F., Tz. 4).
Der erkennende Senat hat zu § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die atypisch stille Gesellschaft als Innengesellschaft nicht Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein kann, das die einheitliche Feststellung der Einkünfte betrifft (vgl. z.B. Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311; Beschluß vom 24. November 1988 VIII B 90/87, BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145; Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702). Denn bei der Innengesellschaft kommt eine Vertretung, d.h. ein rechtsgeschäftliches Handeln für die Gesellschaft im Außenverhältnis, nicht in Betracht; die stille Gesellschaft hat keine Organe und keine Bevollmächtigten (K. Schmidt in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., Bd. III/2, § 230 HGB n.F. Rz. 171). Der Senat hat jedoch § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. in Gewinnfeststellungsverfahren einer atypisch stillen Gesellschaft in dem Sinne entsprechend angewendet, daß an die Stelle der (umfassenden) Klagebefugnis der Gesellschaft die des Inhabers des Handelsgeschäfts tritt (Beschluß in BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145).
An dieser Rechtsprechung kann für die geltende Fassung der § 352 AO 1977, § 48 FGO nicht festgehalten werden (h.M., vgl. von Beckerath in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 48 FGO a.F. Rz. 70; Gräber/von Groll, a.a.O., § 48 Rz. 28; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 352 Anm. 3; Steinhauff, a.a.O., § 48 FGO Rz. 63; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 352 AO 1977 Rz. 82; Dißars/Dißars, Betriebs-Berater --BB-- 1996, 773, 775; Tipke/Kruse, a.a.O., § 48 FGO Tz. 5; a.A. Szymczak in Koch/ Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 352 Rz. 15). Eine sinngemäße Anwendung des § 352 Abs. 1 Nr. 1 1. Altern. AO 1977 auf Geschäftsführer von atypisch stillen Gesellschaften ist nicht zulässig, weil die Neufassung der Vorschrift insoweit nicht lückenhaft ist. § 352 Abs. 1 Nr. 1 2. Altern. AO 1977 n.F. (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F.) regelt nunmehr ausdrücklich die Fälle, in denen --wie bei der atypisch stillen Gesellschaft-- ein zur Vertretung befugter Gesellschafter nicht vorhanden ist. Einspruchsbefugt ist dann der Empfangsbevollmächtigte i.S. des § 352 Abs. 2 AO 1977 n.F. i.V.m. § 183 Abs. 1 AO 1977, sofern die übrigen Feststellungsbeteiligten über die Einspruchsbefugnis des Empfangsbevollmächtigten belehrt worden sind (§ 352 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 n.F.). Im Streitfall sind aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die AG von den stillen Gesellschaftern zum gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt worden ist. Die AG ist jedoch Empfangsbevollmächtigte nach § 183 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO 1977, da sie als Geschäftsführerin der stillen Gesellschaft deren steuerliche Pflichten zu erfüllen hat. Gleichwohl ist sie nicht einspruchsbefugt nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, da die Feststellungserklärungen der Streitjahre keine Belehrung i.S. des § 352 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 enthalten.
bb) Die Einspruchs- und Antragsbefugnis der AG und des Antragstellers zu 12 folgt jedoch aus § 352 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 AO 1977 n.F. Die Einspruchsbefugnis nach den Nrn. 2 und 4 des § 352 Abs. 1 AO 1977 ist --anders als die nach Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 der Vorschrift-- dem Umfang nach beschränkt. Der Einspruchsführer wird insoweit nicht in Prozeßstandschaft für die übrigen Gesellschafter tätig, sondern nur aus eigenem Recht. Er kann deshalb nur die ihn selbst betreffenden Feststellungen angreifen (Birkenfeld, a.a.O., § 352 AO 1977 Rz. 38, 41). In gleichem Umfang ist auch seine Antragsbefugnis im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begrenzt. Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide kann nur hinsichtlich der ihn betreffenden Anteile am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft ausgesetzt werden (BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99, zu 3., und vom 4. Oktober 1991 VIII B 93/90, BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59). Der Senat legt den Antrag der AG und der übrigen Antragsteller dahin aus, daß sie die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Bescheide nur in bezug auf ihre eigenen Gewinn- oder Verlustanteile begehren.
++/ 2. Die Beschwerde der Antragsteller zu 12 und 26 ist auch begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO; BFH-Beschluß vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263, m.w.N.).
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist ernstlich zweifelhaft, ob das FA zu Recht die unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1990 bis 1993 aufgehoben und die Durchführung eines Gewinnfeststellungsverfahrens für die Jahre 1994 und 1995 abgelehnt hat.
a) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob FA und FG den Erlaß eines positiven Gewinnfeststellungsbescheides für eine aus der AG und den Antragstellern zu 1 bis 25 bestehende atypisch stille Gesellschaft mit der Begründung ablehnen durften, die formellen Voraussetzungen für den wirksamen Abschluß eines Vertrages über die atypisch stille Beteiligung der Antragsteller zu 1 bis 25 am Unternehmen der AG seien nicht erfüllt.
Zwar trifft es zu, daß Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG im Regelfall nur sein kann, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder --in Ausnahmefällen-- eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat (st. Rspr. seit dem BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Eine sog. "faktische Mitunternehmerschaft", bei der jemand, ohne zivilrechtlich Gesellschafter zu sein, aufgrund eines schuldrechtlichen Austauschvertrages (z.B. Arbeitsvertrag, Darlehens- oder Pachtvertrag) am Unternehmenserfolg beteiligt ist und Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen nehmen kann, genügt nicht.
Für die Begründung einer Gesellschaft bedarf es in jedem Fall eines Vertragsabschlusses, auch wenn dieser nicht ausdrücklich als Gesellschaftsvertrag bezeichnet werden muß; auch ein stillschweigender Vertragsabschluß, durch den sich die Beteiligten zu einem gemeinsamen Zweck (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) zusammenschließen, genügt. Ein Gesellschaftsverhältnis liegt jedenfalls dann vor, wenn ein Unternehmen auf gemeinsame Rechnung und Gefahr betrieben wird, d.h., wenn die Beteiligten an den unternehmerischen Entscheidungen teilhaben und am Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens beteiligt sind (Priester, Festschrift für L. Schmidt, 1993, 331, 345). Für die Annahme einer Mitunternehmerschaft und eines Gesellschaftsverhältnisses ist es dagegen nicht erforderlich, daß der als Gesellschaftsvertrag zu qualifizierende Vertragsabschluß allen formellen Anforderungen des Zivilrechts genügt. Auch bei einer fehlerhaft zustande gekommenen Gesellschaft handelt es sich zivilrechtlich um ein Gesellschaftsverhältnis (Goette, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1996, 266; Priester, a.a.O., 337; L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 15 Rz. 171).
Im Streitfall konnte das FG bei summarischer Beurteilung zu dem Ergebnis gelangen, daß die Gesellschaftsverträge zwischen der AG und den stillen Gesellschaftern nicht wirksam zustande gekommen sind. Nach h.M. ist die Aufnahme eines stillen Gesellschafters durch eine AG als Unternehmensvertrag (Teilgewinnabführungsvertrag) i.S. von § 292 Abs. 1 Nr. 1 des Aktiengesetzes (AktG) zu beurteilen (Bezzenberger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. II, 1991, S. 1127, m.w.N.; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., 1987, § 292 Rz. 53, m.w.N; Jebens in BB 1996, 701). Ein Unternehmensvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung (§ 293 Abs. 1 AktG) und der Eintragung in das Handelsregister (§ 294 Abs. 2 AktG). Unstreitig hat die Hauptversammlung der AG den Verträgen über die Beteiligung der atypisch stillen Gesellschafter nicht zugestimmt; die Verträge wurden auch nicht im Handelsregister eingetragen.
Welche Rechtsfolgen sich aus den Verstößen gegen §§ 293, 294 AktG für die zivil- und steuerrechtliche Beurteilung des Gesellschaftsverhältnisses ergeben, ist im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend zu prüfen. Insbesondere kann in diesem Verfahren nicht geklärt werden, ob ein wegen Verstoßes gegen §§ 293 Abs. 1, 294 Abs. 2 AktG unwirksamer Teilgewinnabführungsvertrag Bestandsschutz nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft genießt (vgl. dazu allgemein, Goette, DStR 1996, 266; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 143 ff.). Nach diesen Regeln wird ein fehlerhaft zustande gekommenes, aber in Vollzug gesetztes Gesellschaftsverhältnis grundsätzlich als wirksam behandelt. Soweit es wegen eines Rechtsmangels nichtig oder anfechtbar ist, kann dieser Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs --BGH--; vgl. z.B. Urteil des BGH vom 29. Juni 1970 II ZR 158/69, BGHZ 55, 5). Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft gelten auch für die typische oder atypisch stille Gesellschaft (BGH in BGHZ 55, 5). Eine Durchbrechung dieser Grundsätze kommt nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann in Betracht, wenn vorrangige Interessen der Allgemeinheit oder einzelner schutzwürdiger Personen es gebieten (st. Rspr., BGH in BGHZ 55, 5; ablehnend zu diesen Ausnahmetatbeständen: K. Schmidt, a.a.O., S. 157). Vorrangige Interessen der Allgemeinheit bejaht der BGH, wenn das fehlerhaft zustande gekommene Gesellschaftsverhältnis gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstößt.
Im Streitfall ist bei summarischer Beurteilung kein Grund gegeben, der es rechtfertigt, ausnahmsweise die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft beiseite zu schieben. Insbesondere sind die §§ 293, 294 AktG, die die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht des Vorstands der AG beim Abschluß von Unternehmensverträgen einschränken, keine Verbotsgesetze i.S. des § 134 BGB (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 56. Aufl., § 134 Rz. 1).
Auch der besondere Schutzzweck der §§ 293 ff. AktG steht bei summarischer Beurteilung der Anwendung der Rechtsgrundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht entgegen. Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum ist streitig, welche Rechtsfolgen die fehlende oder fehlerhaft erteilte Zustimmung der Hauptversammlung zu Unternehmensverträgen i.S. der §§ 291, 292 AktG auslöst. Während einige Autoren einen Bestandsschutz für nichtige Unternehmensverträge generell verneinen (vgl. Koppensteiner, a.a.O., § 293 Rz. 52 und § 297 Rz. 34 ff., m.w.N.), befürworten andere eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auf fehlerhafte Unternehmensverträge (vgl. Timm, GmbH-Rundschau 1987, 8, 12; differenzierend: Kleindiek, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1988, 613 ff.). Auch der BGH hat mit Urteil vom 14. Dezember 1987 II ZR 170/87 (BB 1988, 361) einen nichtigen, aber gleichwohl durchgeführten Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 AktG entsprechend den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam behandelt. Im Streitfall handelt es sich bei dem Teilgewinnabführungsvertrag zugleich um einen Gesellschaftsvertrag. In einem solchen Fall sprechen gewichtige Gründe dafür, den schutzwürdigen Interessen der stillen Gesellschafter Vorrang vor dem Schutzzweck der §§ 293, 294 AktG einzuräumen. Dabei ist im Streitfall auch zu berücksichtigen, daß nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsteller im Beschwerdeverfahren im Zeitpunkt des Beitritts der stillen Gesellschafter zum Jahresende 1990 einziger Aktionär der AG deren alleiniger Vorstand, Herr A, war. Da an der Zustimmung dieses Gesellschafters zu dem Beitritt der stillen Gesellschafter kein vernünftiger Zweifel bestehen kann, schließen schutzwürdige Interessen der Aktionäre die Anwendung der Rechtsgrundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht aus.
Für die steuerrechtliche Berücksichtigung der Vereinbarungen über die atypisch stille Beteiligung spricht auch § 41 Abs. 1 AO 1977. Für die Besteuerung kommt es regelmäßig auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an. Haben die Gesellschafter die Vereinbarungen im Vertrag über die Begründung der stillen Gesellschaft tatsächlich vollzogen, so ist die Unwirksamkeit des Vertrages steuerrechtlich unerheblich (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).
Im Streitfall haben die Antragsteller unwidersprochen vorgetragen, daß die stillen Gesellschafter ihre Einlagen entsprechend den mit der AG abgeschlossenen Verträgen geleistet haben und an den gemeinsam erzielten Gewinnen und Verlusten der Streitjahre beteiligt wurden.
Die Ausnahmevorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ist im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Das FA beruft sich für seine abweichende Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BFH zu § 14 ff. des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 30. Juli 1997 I R 7/97, BFHE 184, 88, BStBl II 1998, 33, BFH/NV 1998, 409). Insoweit greift § 41 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ein, weil § 14 Nr. 4 KStG die steuerrechtliche Anerkennung des Ergebnisabführungsvertrages ausdrücklich von seiner zivilrechtlichen Wirksamkeit abhängig macht (vgl. auch Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 4. Aufl. Rz. 205 ff.). Dagegen fordert § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG für die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung der Mitunternehmerschaft nicht, daß der Gesellschaftsvertrag zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist.
b) Bei summarischer Beurteilung sind im vorliegenden Fall auch die übrigen Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfüllt.
aa) Die von den Antragstellern eingereichten Unterlagen (Gesellschaftsvertrag; Beteiligungsangebot) sprechen dafür, daß die Antragsteller bei ihrer gewerblichen Betätigung im Rahmen der atypisch stillen Gesellschaft mit Gewinnerzielungsabsicht i.S. von § 15 Abs. 2 EStG gehandelt haben. Wie der BFH mit Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 entschieden hat, ist Gewinnerzielungsabsicht das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Form eines Totalgewinns. Ein Tätigwerden der Gesellschaft lediglich in der Absicht, ihren Gesellschaftern eine Minderung der Ertragsteuern durch Zuweisung von Verlustanteilen zu vermitteln, reicht für eine Gewinnerzielungsabsicht nicht aus. Der erkennende Senat hat in Fortführung der Rechtsgrundsätze in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 entschieden, daß bei Verlustzuweisungsgesellschaften eine tatsächliche Vermutung für das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht bestehe (vgl. zuletzt Urteil vom 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219, m.w.N.). Eine solche Gesellschaft liegt vor, wenn die erkennbaren Umstände typischerweise dafür sprechen, daß ihre Gründung in erster Linie dazu gedient hat, ihren Gesellschaftern eine Minderung der Steuern vom Einkommen dergestalt zu vermitteln, daß durch Zuweisung von Verlustanteilen andere --an sich tariflich zu versteuernde-- Einkünfte nicht versteuert werden.
Im Streitfall sind aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere aus dem Beteiligungsangebot, keine Umstände ersichtlich, die auf das Vorliegen einer typischen Verlustzuweisungsgesellschaft hindeuten. Aus der Art der in Aussicht genommenen gewerblichen Betätigung (Finanzdienstleistungen) ergibt sich nicht, daß die Gesellschafter mit außergewöhnlich hohen geschäftlichen Risiken rechnen mußten. Im Prospekt werden lediglich für das erste Jahr der Beteiligung (1990) Verlustzuweisungen in Höhe von 100 v.H. der Einlage zugesagt; für die folgenden Jahre der Beteiligung werden Gewinne in Aussicht gestellt.
Liegt aber eine typische Verlustzuweisungsgesellschaft nicht vor, so ist von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, daß die Gesellschaft mit der Absicht der Gewinnerzielung gegründet wurde (BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289; in BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219). Diese Vermutung ist nicht schon dann widerlegt, wenn in den ersten Jahren der unternehmerischen Tätigkeit Verluste auftreten (Beschluß in BFHE 141, 405, 436, BStBl II 1984, 751).
bb) Nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages sind auch hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die stillen Gesellschafter in den Streitjahren Mitunternehmerinitiative entfalten konnten und ein Mitunternehmerrisiko trugen.
Nach § 11 des Gesellschaftsvertrages standen ihnen die Informations- und Kontrollrechte nach §§ 233 des Handelsgesetzbuches, 716 BGB zu. Die Antragsteller zu 1 bis 25 haben ferner Anspruch auf Aushändigung des Jahresabschlusses und des Lageberichts der AG. Die AG bedarf für bestimmte wesentliche Maßnahmen der Geschäftsführung der Zustimmung der Mehrheit der Antragsteller zu 1 bis 25. Diese Rechte genügen den Anforderungen an eine Mitunternehmerinitiative (Urteil des Senats vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BFHE 181, 423, 430, BStBl II 1997, 272).
Bei summarischer Beurteilung sprechen ausreichende Gründe für ein Mitunternehmerrisiko der Antragsteller zu 1 bis 25. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche Teilhabe am Erfolg oder Mißerfolg eines gewerblichen Unternehmens. Regelmäßig wird dieses Risiko durch Beteiligung am Gewinn oder Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswerts vermittelt (BFH in BFHE 181, 423, BStBl II 1997, 272). Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages sind die stillen Gesellschafter am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt im Verhältnis ihres Einlagekontos I zum Gesamtkapital, bestehend aus dem Grundkapital der AG und dem stillen Gesamtkapital auf den Einlagekonten I. Das unternehmerische Risiko der stillen Gesellschafter ist allerdings eingeschränkt durch die Entnahmeregelung in § 10 des Vertrages und die Bestimmungen über die Berechnung des Abfindungsanspruchs der stillen Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft in § 15 des Vertrages. Nach § 10 steht den stillen Gesellschaftern --unabhängig vom Stand ihrer Kapitalkonten-- eine Mindestausschüttung von 5 v.H. der eingezahlten Gesamteinlage (oder 75 v.H. der Einlage I) zu, die sie entnehmen können; dieses Mindestentnahmerecht haben sie auch dann, wenn die Gesellschaft keinen Gewinn erzielt hat. Die stillen Gesellschafter tragen jedoch das Risiko des Verlusts ihrer eingezahlten Einlage (§ 15 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages).
Bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft haben die stillen Gesellschafter Anspruch auf eine Beteiligung am Geschäftswert und an den stillen Reserven des seit dem 31. Dezember 1990 gebildeten Betriebsvermögens der AG. Diese Begrenzung des Auseinandersetzungsanspruchs auf die nach dem Beitritt der stillen Gesellschafter gebildeten stillen Reserven ist unüblich (vgl. Bezzenberger, a.a.O., S. 1312; K. Schmidt in Schlegelberger, a.a.O., § 235 HGB n.F., Rz. 58).
Ob die den stillen Gesellschaftern eingeräumte Beteiligung an den laufenden Einkünften und am Vermögen des Unternehmens ausreicht, um sie bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles (vgl. Senatsurteil in BFHE 181, 423, 432, BStBl II 1997, 272) als Mitunternehmer zu behandeln, wird im Verfahren der Hauptsache zu klären sein.
II. Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 11, 13 bis 25
Die Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 11, 13 bis 25 ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Allerdings war der Antrag nicht unbegründet, sondern unzulässig. Die Antragsteller sind nicht antragsbefugt.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kommt eine Aussetzung der Vollziehung nur in Betracht, wenn der Verwaltungsakt "angefochten" ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 1967 VI S 3/67, BFHE 89, 114, BStBl III 1967, 530, und vom 19. August 1969 VI B 51/69, BFHE 96, 465, BStBl II 1969, 685). § 69 FGO setzt grundsätzlich eine Anfechtung durch den vorläufigen Rechtsschutz begehrenden Steuerpflichtigen voraus (BFH-Beschlüsse vom 15. Oktober 1986 III S 7/86, BFH/NV 1987, 142; vom 15. März 1994 IX B 151/93, BFHE 173, 492, BStBl II 1994, 519). Dies folgt daraus, daß das Antragsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO ein Nebenverfahren darstellt, in dem kein weiterreichender Rechtsschutz als in dem den angefochtenen Verwaltungsakt betreffenden Hauptsacheverfahren gewährt werden kann (BFH-Beschluß in BFHE 173, 492, BStBl II 1994, 519, m.w.N.).
Hat aber ein gemäß § 352 AO 1977, § 48 FGO zur Einlegung des Einspruchs oder der Klage befugter Feststellungsbeteiligter nicht selbst gegen den Feststellungsbescheid Einspruch eingelegt, so entfaltet ihm gegenüber die Entscheidung der Finanzbehörde über den Einspruch eines anderen Feststellungsbeteiligten solange keine Wirkung, als er nicht zu dem Hauptsacheverfahren hinzugezogen oder im anschließenden Klageverfahren beigeladen worden ist (Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 360 Anm. 6). Mithin ist ein einspruchsbefugter Feststellungsbeteiligter erst dann i.S. des § 69 Abs. 3 FGO antragsbefugt, wenn er zu dem Hauptsacheverfahren (hier: Einspruchsverfahren) hinzugezogen worden ist (BFH-Beschluß in BFHE 173, 492, BStBl II 1994, 519; Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Tz. 60).
Hiernach ist der Antrag der Antragsteller zu 1 bis 11, 13 bis 25 als unzulässig abzulehnen. Sie haben nach Aktenlage die Einspruchsfrist verstreichen lassen, ohne gegen die negativen Feststellungsbescheide, deren Aussetzung der Vollziehung sie begehren, den nach § 352 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 zulässigen Einspruch einzulegen. Aus den Schreiben vom 25. Oktober und 1. November 1996 ergibt sich nicht, daß der Einspruch auch für die Antragsteller zu 1 bis 25 eingelegt werden sollte. Vielmehr haben die damaligen steuerlichen Vertreter der Antragstellerin zu 26 den Rechtsbehelf erkennbar nur im Auftrag der AG und der atypisch stillen Gesellschaft eingelegt. Die Namen der stillen Gesellschafter sind in diesen Schreiben nicht erwähnt. Die Antragsteller zu 1 bis 25 haben auch nicht die Rechte der Verfahrensbeteiligten nach § 360 Abs. 4 AO 1977, da das FA sie ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten bisher nicht zum Verfahren gemäß § 352 Abs. 1, § 360 Abs. 3 AO 1977 hinzugezogen hat. /++
Fundstellen
Haufe-Index 67207 |
BFH/NV 1998, 1015 |
BFH/NV 1998, 1339 |
BFH/NV 1998, 1339-1342 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 401 |
BFHE 185, 131 |
BFHE 1998, 131 |
BB 1998, 1148 |
BB 1998, 1148 (Leitsatz) |
DB 1998, 1167 |
DB 1998, 1167-1168 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1998, 457 |
DStRE 1998, 457-458 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 623 |
StE 1998, 329 |