Leitsatz (amtlich)
Ist der Zeuge, der sich auf ein Zeugenverweigerungsrecht beruft, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, so hat das FG den Kläger persönlich zu hören und zum Termin zu laden. Das Zwischenurteil ist sowohl dem Zeugen als auch den Parteien des (Haupt-) Prozesses zuzustellen.
Normenkette
FGO §§ 82, 76; ZPO § 387
Tatbestand
Der Beschwerdeführer ist amtlich bestellter Notar. Er hat im Dezember 1973 einen Schenkungsvertrag beurkundet. Im Einspruchs- und Klageverfahren betreffend die Schenkungsteuerbescheide gegen die aus der Schenkung Begünstigten vertritt er die Beschenkten. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klagen hat das FG am 20. Mai 1977 beschlossen, den Beschwerdeführer als Zeugen u. a. über den Zeitpunkt der streiterheblichen Bekanntgabe der Entscheidungen über die außergerichtlichen Rechtsbehelfe im Termin vom 15. Juli 1977 zu vernehmen. Zu diesem Termin wurde der Beschwerdeführer sowohl in seiner Eigenschaft als Zeuge als auch in seiner Eigenschaft als Prozeßbevollmächtigter der Kläger geladen. Mit Schreiben vom 15. Juni 1977 hat sich der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 18 der Bundesnotarordnung (BNotO) auf seine Schweigepflicht berufen und angekündigt, daß er der Ladung zur Beweisaufnahme im Termin vom 15. Juli 1977 nicht Folge leisten werde. Auf Antrag des (FA) hat das FG mit Zwischenurteil vom 15. Juli 1977 "festgestellt", daß dem Beschwerdeführer kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Im Rubrum des Zwischenurteils ist das FA als Kläger und der Beschwerdeführer als Beklagter bezeichnet, während die Kläger nicht aufgeführt sind. Die Zustellung des Zwischenurteils erfolgte entsprechend dem Rubrum.
Gegen das Zwischenurteil richtet sich die sofortige Beschwerde, zu deren Begründung im wesentlichen ausgeführt wird, auch die beratende und betreuende Tätigkeit des Notars i. S. § 24 BNotO gehöre zum Amt des Notars, auf das sich die Schweigepflicht erstrecke.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde führt - wenn auch aus anderen Gründen - zur Aufhebung des Zwischenurteils. Das FG hat die Kläger des (Haupt-) Prozesses am Zwischenstreit nicht beteiligt.
1. § 82 FGO ordnet u. a. die sinngemäße Anwendung von § 387 ZPO im Finanzprozeß an. Nach § 387 Abs. 1 ZPO wird über die Rechtmäßigkeit einer Zeugnisverweigerung nach Anhörung der Parteien entschieden. Da das Gericht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat und an Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO), gebietet die sinngemäße Anwendung von § 387 Abs. 1 ZPO im Finanzprozeß, daß in Fällen, in denen der Zeuge, der sich auf sein Weigerungsrecht beruft, selbst Prozeßbevollmächtigter der Kläger ist, das Gericht zum Termin nicht nur den Prozeßbevollmächtigten (und Zeugen), sondern auch die als Kläger am Verfahren Beteiligten selbst zu laden, gegebenenfalls gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 FGO deren persönliches Erscheinen anzuordnen hat. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der behauptete Weigerungsgrund nicht primär den Zeugen, sondern die Partei selbst schützt, es also in ihrer Macht steht, den behaupteten Weigerungsgrund zu Fall zu bringen (§ 84 FGO i. V. m. § 102 Abs. 3 AO 1977).
2. Das FG hat aber nicht nur die Kläger nicht in solcher Weise am Anhörungsverfahren beteiligt, sondern sie auch im übrigen vom Zwischenstreit ausgeschlossen. Durch Zwischenstreit über ein Zeugnisverweigerungsrecht werden die Parteien des (Haupt-) Prozesses nicht aus ihrer Beteiligtenrolle gedrängt; der Zeuge wird nur Nebenbeteiligter. Das hat zur Folge, daß das Zwischenurteil auch ihnen gegenüber (sowie gegenüber dem Zeugen) ergehen muß. Zumindest gilt das im Finanzprozeß, in dem das Gericht stets und ohne Antrag von Amts wegen über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung zu entscheiden hat, weil es im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) in keinem Falle darauf ankommen kann, ob eine Partei das Weigerungsrecht bejaht; kann doch die Partei auch nicht auf die vom Gericht für erforderlich gehaltene Beweisaufnahme verzichten.
Fundstellen
BStBl II 1978, 377 |
BFHE 1978, 497 |