Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Steueranspruchs und Beweiswürdigung bei überlanger Verfahrensdauer
Leitsatz (NV)
Auf eine überlange Verfahrensdauer kann sich nicht berufen, wer selbst zur Abkürzung des Verfahrens nichts beigetragen hat. Berücksichtigt das Gericht bei der Würdigung einer Zeugenaussage die lange Verfahrensdauer nicht, liegt ein Verfahrensmangel vor.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; FGO §§ 76, 96
Nachgehend
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Bedürfnis nach Rechtsfortbildung schlüssig dargelegt.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt, wann die Untätigkeit eines Finanzgerichts oder einer Verwaltungsbehörde den Anspruch des Steuerpflichtigen auf wirksamen Rechtsschutz verletzt. Danach bestimmt sich die vom Steuerpflichtigen hinzunehmende Dauer eines Verfahrens nach den Umständen des Einzelfalls, u.a. auch nach dem Verhalten des Steuerpflichtigen (vgl. u.a. ―für das finanzgerichtliche Verfahren― BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, und ―für das Einspruchsverfahren― BFH-Beschlüsse vom 6. September 1995 II B 77/94, BFH/NV 1996, 262, und vom 14. Mai 1998 VII B 171/97, BFH/NV 1999, 3, jeweils m.w.N.). Auf eine überlange Verfahrensdauer kann sich nicht berufen, wer selbst zur Abkürzung des Verfahrens nichts beigetragen hat und ―wie im Streitfall― weder Steuererklärungen abgegeben noch seine Einsprüche begründet noch von der Möglichkeit einer Klarstellung der Rechtslage durch eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gebrauch gemacht hat. Steuerlich bedeutsame Unterlagen hat der Steuerpflichtige bis zum Abschluss des Verfahrens aufzubewahren (§ 147 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3 der Abgabenordnung ―AO 1977― und dazu u.a. Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 147 Rz. 7).
Die Kläger hätten sich im Rahmen ihrer allgemeinen Ausführungen zur Verwirkung des Steueranspruchs mit dieser Rechtsprechung auseinander setzen müssen.
2. Auch ein Verfahrensmangel ist nicht schlüssig dargelegt.
Mit der Rüge, die Beweiswürdigung des Finanzgerichts (FG) sei fehlerhaft, kann der Verfahrensmangel regelmäßig nicht begründet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82). Einen Verfahrensmangel würde es allerdings darstellen, wenn das Gericht die lange Verfahrensdauer bei der Würdigung der Zeugenaussage nicht berücksichtigt hätte (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, unter 2. und 5. der Gründe). Zu diesem Schluss geben jedoch die Ausführungen des FG keinen Anlass. Die Beschwerde hätte hier von den im Urteil und in der Sitzungsniederschrift festgestellten Tatsachen ausgehen und die mangelhafte Mitwirkung der Kläger an der rechtzeitigen Aufklärung des Sachverhalts in die Begründung der Rüge einbeziehen müssen.
Auch mit dem Hinweis auf eine fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Verteilung der Beweislast (zu dieser bei überlanger Verfahrensdauer BFH-Urteil in BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, unter 4. der Gründe) kann ein Verfahrensmangel nicht begründet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82).
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 844177 |
BFH/NV 2002, 1605 |