Entscheidungsstichwort (Thema)
Latente Ertragsteuerbelastung
Leitsatz (NV)
Die sogenannte latente Ertragsteuerbelastung hat auf die Bewertung des durch Erbfolge eingetretenen Vermögensanfalles keinen Einfluß. Insoweit gibt es daher keine klärungsbedürftige Frage, welche die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen könnte. Dabei ist unerheblich, daß die Ertragsteuerbelastung für den Erben unterschiedlich sein kann, je nachdem, ob der Erblasser seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 oder nach § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG ermittelt hatte.
Normenkette
ErbStG 1974 § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist neben ihren beiden Töchtern zu 1/3 Miterbin ihres 1980 verstorbenen Ehemannes. Zum Nachlaß gehört auch das Betriebsvermögen des Erblassers, der Architekt gewesen war und seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt hatte.
Die Klägerin macht geltend, sie habe (zusammen mit den Miterbinnen) nach Eintritt des Erbfalles Honorarforderungen des Erblassers eingezogen. Hierfür seien gegen sie selbst Einkommensteuer und Kirchensteuer von insgesamt . . . DM festgesetzt worden. Sie begehrt den Abzug einer Nachlaßverbindlichkeit in dieser Höhe bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen und der Beschwerde der Klägerin hiergegen nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
1. Die Einkommensteuer und die Kirchensteuer, deren Abzug die Klägerin begehrt, sind in ihrer Person entstanden und daher keine auf sie übergegangenen Schulden des Erblassers gewesen. Sie sind somit weder Erblasserschulden noch Erbanfallschulden (§ 10 des Erbschaftsteuergesetzes - ErbStG - 1974). Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 11. Januar 1961 II 272/58 U (BFHE 72, 440, BStBl III 1961, 162), vom 22. Dezember 1976 II R 58/67 (BFHE 121, 487, BStBl II 1977, 420) und vom 5. Juli 1978 II R 64/73 (BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23) entschieden, daß die sog. latente Ertragsteuerbelastung bei der Bewertung des durch Erbfolge eingetretenen Vermögensanfalls nicht berücksichtigt werden kann.
Irgendwelche neue Gesichtspunkte, die eine Überprüfung dieser Ansicht notwendig machen, gibt es nicht. Auch die in der Literatur geäußerte Kritik an der Rechtsprechung (vgl. zuletzt Knobbe - Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 7. Aufl., 1989, S. 787 f.) ist für den Senat kein Anlaß zu einer solchen Überprüfung. Es geht hier (entgegen Knobbe - Keuk, a.a.O., S. 789) nicht ,,darum, das Bereicherungsprinzip mit dem Stichtagsprinzip in Einklang zu bringen". Maßgebend ist die Bereicherung am Stichtag. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, später eintretende Ereignisse, die in der Hand des Erben die eingetretene Bereicherung ändern, zu berücksichtigen. Das gilt zum Nachteil wie zum Vorteil des Erben. Muß dieser einerseits nach dem Erbfall eintretende Kursverluste geerbter Wertpapiere ohne Aussicht auf Minderung der Erbschaftsteuer tragen, so kommen ihm andererseits Kursgewinne ohne erbschaftsteuerrechtliche Folgen zugute. Gleiches gilt für seine Einkommensteuer, welche durch die Bereicherung beeinflußt werden kann. Sie entsteht - wie ausgeführt - in seiner (des Erben) Person, richtet sich nach seinen persönlichen sowie wirtschaftlichen Verhältnissen und ist daher (entgegen Knobbe-Keuk, a.a.O., S. 789) keine vom Erblasser auf ihn übergegangene und nach § 6 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu berücksichtigende Last. Sie kann sich - wie im vorliegenden Fall - durch die Bereicherung erhöhen. Möglich ist aber auch, daß sie als Folge des Erbfalles gemindert wird. Knobbe-Keuk (Der Betrieb - DB - 1973, 634) weist darauf hin, daß eine geerbte Forderung auch uneinbringlich werden kann (S. 634, rechte Spalte oben). Hatte der Erblasser seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG ermittelt, so kann der Erbe diesen Forderungsverlust mit eigenen positiven Einkünften saldieren und dadurch unter Umständen eine Einkommensteuerersparnis erzielen, die höher ist als die auf die geerbte Forderung entfallende Erbschaftsteuer. Auch dieser Vorteil beeinflußt nicht die auf den Stichtag zu bemessende Bereicherung.
In den vorgenannten Fällen kann nicht unterschiedlich verfahren werden, je nachdem, ob sich die nachträglich eintretenden Umstände zum Vorteil oder zum Nachteil des Erben auswirken. Wollte man daher in Fällen der hier streitigen Art die latente Ertragsteuerbelastung berücksichtigen, so würde man das Stichtagsprinzip teilweise beiseite schieben. Jeder vermeintliche Versuch, in Fällen der vorliegenden Art das Bereicherungsprinzip mit dem Stichtagsprinzip in Einklang zu bringen, hat daher nur eine willkürliche Durchbrechung des Stichtagsprinzips zur Folge.
Daß auch der Gesetzgeber solch eine Durchbrechung des Stichtagsprinzips nicht billigt, zeigt die Vorschrift des § 35 EStG, wonach in Fällen der vorliegenden Art auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt wird.
2. Nach Ansicht der Klägerin ,,stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Belastung von Erben, ausgelöst durch eine Versteuerung des Erblassers nach § 4 Abs. 3 EStG einerseits und § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG andererseits, nicht einen Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit im weitergehenden Sinn einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG darstellt". Jedoch ist diese Frage eindeutig zu beantworten und daher nicht klärungsbedürftig. Die Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG einerseits und § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG andererseits sind nach Art und Auswirkung verschieden und geben daher keinen Anspruch auf gleiche steuerrechtliche Behandlung. Der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG ermittelnde Steuerpflichtige muß bereits den Erwerb einer Forderung versteuern und kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erst die Einziehung dieser Forderung hätte versteuern müssen und daher hinsichtlich der Einkommensteuer einen Zinsgewinn gehabt hätte. Gleichermaßen muß die Klägerin hinnehmen, daß die verschiedenen Gewinnermittlungsmethoden in Fällen der vorliegenden Art unterschiedliche erbschaftsteuerrechtliche Folgen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 416809 |
BFH/NV 1990, 643 |