Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung - Rechtsschutzinteresse
Leitsatz (NV)
1. Die im Wege der einstweiligen Anordnung begehrte einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird gegenstandslos, nachdem das FA die gepfändeten Gegenstände verwertet hat. Damit entfällt das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers sowohl für den Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung als auch für den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen.
2. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht zulässig.
Normenkette
FGO §§ 114, 155; AO 1977 § 258; ZPO § 570
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nahm am . . . bei den Antragstellern und Beschwerdeführern (Antragsteller) wegen Steuerforderungen in Höhe von insgesamt . . . DM eine Sachpfändung vor. Als er beabsichtigte, die gepfändeten Gegenstände im Wege der Zwangsversteigerung zu verwerten, beantragten die Antragsteller beim Finanzgericht (FG), im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Mobiliarzwangsvollstreckung in die gepfändeten Gegenstände einstweilen einzustellen und die Zwangsvollstreckung in das Mobiliar aufzuheben.
Das FG sah den Antrag auf Vollstreckungsschutz als Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an und lehnte ihn ab. Zur Begründung führte es aus, eine Aufhebung der Pfändungen komme nicht in Betracht, weil dadurch die Hauptsache vorweggenommen und vollendete Tatsachen (z. B. Rangverlust) geschaffen würden. Hinsichtlich des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, daß die Verwertung der gepfändeten Gegenstände unbillig i. S. der §§ 258, 297 der Abgabenordnung (AO 1977) sei.
Mit der Beschwerde machen die Antragsteller im wesentlichen geltend, ihre Steuerschulden würden sich gegenüber dem Betrag von . . . DM, von dem das FG ausgegangen sei, nach Durchführung ausstehender Veranlagungen erheblich vermindern. Die Antragsteller beantragen,
1. den Beschluß des FG aufzuheben,
2. die durch das FA eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahme einzustellen bzw. aufzuheben,
3. Vollstreckungsaufschub zu gewähren,
4. die noch zu entrichtenden Einkommensteuer- und Kirchensteuerbeträge auf . . . DM festzusetzen und die Entrichtung dieser Beträge in monatlichen Raten von . . . DM zu ermöglichen.
Das FA teilte dem Senat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens mit, daß das Vollstreckungsverfahren hinsichtlich des gepfändeten Mobiliars zwischenzeitlich durch Verwertung beendet sei, und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Die Antragsteller erklärten, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache noch nicht als erledigt gelte.
Das FA beantragte daraufhin, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da durch die Verwertung des gepfändeten Mobiliars das mit der Beschwerde geltend gemachte Rechtsschutzinteresse entfallen sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Hinsichtlich des Hauptbegehrens der Antragsteller, die Zwangsvollstreckung in die gepfändeten Gegenstände einstweilen einzustellen, hat sich die Hauptsache erledigt, nachdem das FA das gepfändete Mobiliar inzwischen verwertet hat. Durch die Verwertung ist die Zwangsvollstreckung abgeschlossen worden, unabhängig davon, ob diese letzte Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig war oder nicht. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist damit gegenstandslos geworden, weil der begehrte gerichtliche Rechtsschutz nach Verwertung der Pfandgegenstände tatsächlich nicht mehr gewährt werden kann.
Da aber nur der Antragsgegner, das FA, die Hauptsache für erledigt erklärt hat, während die Antragsteller an ihren Sachanträgen festhalten, kann der Senat die Tatsache der Erledigung nur incident feststellen; er muß weiterhin über die aufrechterhaltenen Sachanträge entscheiden. Die Erledigung der Hauptsache hinsichtlich des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung führt aber dazu, daß das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller an dieser Sachentscheidung entfallen ist, denn ihrem Antrag auf Aussetzung der Verwertung der Pfandstücke kann aus tatsächlichen Gründen nicht mehr entsprochen werden (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 138 Anm. C II, S. 460, 461; Dänzer-Vanotti, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1978, 158; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 138 FGO Tz. 42 bis 46, m. w. N.). Mit dem Wegfall des Rechtsschutzinteresses ist der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Anordnung unzulässig geworden. Die Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung des FG ist damit unbegründet.
2. Nachdem die Zwangsvollstreckung durch Verwertung der gepfändeten Sachen abgeschlossen worden ist, ist auch der Antrag der Antragsteller auf Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen (Pfändungen) gegenstandslos geworden. Auch für diesen mit der Beschwerde aufrechterhaltenen Sachantrag (vgl. Antrag 2) ist das Rechtsschutzinteresse aus den oben angeführten Gründen entfallen und damit die Beschwerde unbegründet. Es kann deshalb dahinstehen, ob das FG den beantragten Erlaß einer einstweiligen Anordnung insoweit zu Recht mit der Begründung abgelehnt hat, daß damit die Hauptsache vorweggenommen würde, was der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entgegenstehe.
3. Die Antragsteller haben weiterhin beantragt, die ,,noch zu entrichtenden" Einkommensteuer- und Kirchensteuerbeträge in bestimmter Höhe festzusetzen und deren Entrichtung in bestimmten monatlichen Raten zu ermöglichen (vgl. Antrag 4). Der Senat versteht dieses erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Begehren der Antragsteller dahin, daß diese mit der begehrten Festsetzung der ,,noch zu entrichtenden" Steuerbeträge unter Einräumung von Ratenzahlung lediglich ihr in erster Linie verfolgtes Rechtsschutzziel, einen Vollstreckungsaufschub zu erlangen und die Verwertung der gepfändeten Gegenstände vorerst zu verhindern, unterstützen wollten. Denn sowohl das FA als auch das FG hatten ausgeführt, daß eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zur Voraussetzung hätte, daß innerhalb eines kurzfristigen Zeitraums mit der vollständigen Tilgung der Rückstände gerechnet werden könnte. Bei dieser Betrachtungsweise ist davon auszugehen, daß mit der inzwischen eingetretenen Verwertung der Pfandstücke auch das Rechtsschutzinteresse für den Antrag 4 entfallen ist, da die Antragsteller ihr in erster Linie verfolgtes Rechtsschutzbegehren auf Vollstreckungsaufschub, dem auch der Antrag auf Festsetzung der Steuerrückstände und Gewährung von Ratenzahlung dienen sollte, nicht mehr erreichen können.
Sollten dagegen die Antragsteller mit dem angeführten Antrag ein eigenständiges, von der Frage des Aufschubs der Verwertung der gepfändeten Gegenstände unabhängiges rechtliches Interesse verfolgt haben (etwa Festsetzung der Jahressteuern . . . und Stundung gegen Ratenzahlung), so wäre ihr erstmals in der Beschwerdeinstanz geltend gemachtes Begehren unzulässig. Denn in diesem Falle hätten die Antragsteller in das Beschwerdeverfahren einen Streitgegenstand eingeführt, der von den vorinstanzlich gestellten Anträgen abweicht. Nach § 570 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der über § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Beschwerdeverfahren sinngemäß Anwendung findet (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538, 540; Tipke / Kruse, a. a. O., Erläuterungen zu § 132 FGO), kann zwar die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist aber im Gegensatz zur Änderung oder Ergänzung des ursprünglich gestellten Antrags (vgl. § 264 ZPO) grundsätzlich nicht zulässig, da die Beschwerde als Rechtsmittel dazu dient, den vorinstanzlich gestellten Antrag vom Bechwerdegericht erneut überprüfen zu lassen (vgl. Beschluß des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 9. November 1981 3 W 110/81, Monatsschrift für Deutsches Recht 1982, 412; Zöller/Schneider, Zivilprozeßordnung, 14. Aufl., § 570 Anm. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl., § 570 Anm. 1).
Fundstellen