Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwasserzweckverband als Hoheitsbetrieb
Leitsatz (NV)
Die Rechtsfrage, ob ein öffentlich-rechtlicher Abwasserzweckverband einen Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG unterhält, ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist auch dann zu bejahen, wenn sich der Zweckverband zur Durchführung seiner Aufgaben privater Unternehmen bedient.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; KStG § 4 Abs. 5
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seiner Beschwerde beanstandet, die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (Urteile vom 8. Januar 1998 V R 32/97, BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410; vom 23. Oktober 1996 I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139) und des Finanzgerichts (FG) seien in Anbetracht der zunehmenden Privatisierung öffentlicher Aufgaben unter dem Gesichtpunkt tatsächlichen und potentiellen Wettbewerbs unzutreffend, kann dies nicht zur Revisionszulassung führen. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Diese Zulassungsgründe sind abschließend.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 7, m.w.N.). Unbeachtlich sind in diesem Zusammenhang die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Rechtsstreits (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115, Rdnr. 14, m.w.N.). Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt vielmehr nur in Frage, wenn es sich um eine klärungsbedürftige und ―in einem Revisionsverfahren― auch klärungsfähige Rechtsfrage handelt. Eine Rechtsfrage ist insbesondere dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch eine Entscheidung des BFH geklärt worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 9, m.w.N.). Dabei ist es nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO Sache des Beschwerdeführers, die neuen Aspekte darzutun.
a) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein öffentlich-rechtlicher Abwasserzweckverband einen Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) unterhält, ist geklärt. Mit Urteil in BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410 hat der BFH entschieden, ein Wasser- und Abwasserzweckverband handle bei der Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung hoheitlich und damit nicht im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art i.S. des § 4 Abs. 3 KStG. Diese Entscheidung ist zwar zur Umsatzsteuer ergangen. Im Umsatzsteuerrecht ist aber nach denselben Kriterien zwischen Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 4 Abs. 3 KStG und des Hoheitsbetriebes i.S. des § 4 Abs. 5 KStG abzugrenzen wie im Körperschaftsteuerrecht.
Ein Allgemeininteresse an einer neuerlichen Entscheidung des BFH dieser Rechtsfrage ist nicht festzustellen. Ein Klärungsbedarf ergibt sich insbesondere nicht aus der Tatsache, dass der BFH in BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410 über die Rechtslage der im Land Brandenburg im Jahr 1993 zu entscheiden hatte, während es im Streitfall um einen im Jahr 1994 in Mecklenburg-Vorpommern ansässigen Zweckverband geht. Das FG hat in seinem Urteil anhand der im Streitjahr geltenden landeswasserrechtlichen Vorschriften festgestellt, dass in Mecklenburg-Vorpommern die Abwasserbeseitigungspflicht ebenfalls den Körperschaften des öffentlichen Rechts oblag und nicht gemäß § 18a Abs. 2 a Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes ganz oder teilweise auf Dritte übertragen war. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Art. An sie wäre der BFH auch im Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden (vgl. zur Feststellung des Inhalts landesrechtlicher Vorschriften z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rdnrn. 11, 15). Ist somit die öffentlich-rechtliche Ausgangslage des Streitfalls in tatsächlicher Hinsicht mit der des genannten BFH-Urteils identisch, ist ―da besondere zusätzliche Umstände in rechtlicher Hinsicht nicht hinzutreten― die aufgeworfene Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig.
Im Übrigen hat auch der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139 Grundsätze zur Abgrenzung von Hoheitsbetrieben zu Betrieben gewerblicher Art aufgestellt. Diese Entscheidung ist zwar zur Hausmüllentsorgung und nicht zur Abwasserbeseitigung ergangen. Sie enthält jedoch, was die Abgrenzung zwischen Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art angeht, allgemein gültige Rechtsgrundsätze. Wenn der Kläger gleichwohl noch Klärungsbedarf sieht, so hätte er darlegen müssen, aus welchen Gründen die in der genannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf öffentlich-rechtliche Abwasserbeseitigungsbetriebe nicht übertragbar sein sollen. Der V. Senat des BFH hat jedenfalls insoweit keine Bedenken gehabt (vgl. BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410).
Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass sich im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des BFH in der Literatur eine streitige Diskussion entfaltet hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 9).
b) Aufgrund der Entscheidungen des BFH in BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410 und in BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139 sind auch die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen in grundsätzlicher Hinsicht geklärt worden, ob eine Tätigkeit der öffentlichen Hand auch dann "eigentümlich und vorbehalten" ist, wenn sich die öffentliche Hand zur Durchführung ihrer Aufgaben privater Unternehmen bedient.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird öffentliche Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG durch Tätigkeiten ausgeübt, die den juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt "eigentümlich und vorbehalten" sind. Übernimmt eine juristische Person des öffentlichen Rechts Aufgaben, wie sie auch von Personen des Privatrechts ausgeübt werden, und tritt sie dadurch ―und sei es auch ungewollt― in tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Unternehmen, ist ihre Tätigkeit nicht mehr hoheitlich. Damit ist in rechtlicher Hinsicht geklärt, dass es auf einen tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zwischen der öffentlichen Hand einerseits und privatwirtschaftlichen Unternehmen andererseits ankommt. Dass (möglicherweise) privatwirtschaftliche Unternehmen bei einer Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand untereinander in Wettbewerb treten, ist insoweit irrelevant. Dies deckt sich mit dem Zweck der Besteuerung von Unternehmen der öffentlichen Hand: Nur dort, wo sie als solche in Wettbewerb zu privaten und damit steuerpflichtigen Unternehmen treten oder treten können, sollen sie auch der Besteuerung unterliegen.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit bei einer Auftragsvergabe des Klägers privatwirtschaftliche Unternehmen untereinander in Wettbewerb getreten sein könnten, da der Kläger selbst die Abwasserbeseitigung durchführt. Das FG hat nicht festgestellt, dass der Kläger die Abwasserbeseitigung privaten Unternehmern übertragen hat.
Ein Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus einem Widerspruch zum Urteil des BFH vom 15. Dezember 1993 X R 115/91 (BFHE 173, 254, BStBl II 1994, 314). Dort war im Rahmen des § 65 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) zu entscheiden, ob ein privatrechtliches (gemeinnütziges) Unternehmen zu anderen privaten Unternehmen in Wettbewerb trat. Die Frage nach einer kraft Gesetzes öffentlich-rechtlichen Entsorgungsverpflichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stellte sich dort nicht.
c) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, welche Bedeutung der gesetzlichen Aufgabenzuweisung einerseits und der tatsächlichen Erfüllung der Aufgabe andererseits im Rahmen des § 4 Abs. 3, 5 KStG zukommt, ist bereits durch die Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139 im Rechtsgrundsätzlichen geklärt worden. Danach lässt die Tatsache, dass sich entsorgungspflichtige juristische Personen des öffentlichen Rechts zur tatsächlichen Durchführung der Entsorgung ganz oder teilweise privatwirtschaftlicher Unternehmen bedienten, nicht den Schluss zu, die Entsorgung sei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht mehr eigentümlich gewesen. Auch wenn der Kläger diese Auffassung nicht teilt, ist die Rechtsfrage als solche geklärt. Neue rechtliche Gesichtspunkte, die der erkennende Senat seinerzeit übersehen haben könnte, hat der Kläger nicht dargetan.
d) Die Frage, wie künftig zu entscheiden sein wird, wenn die Abwasserversorgung "als Betrieb gewerblicher Art definiert" werden sollte, stellt sich im Streitfall und Streitjahr (noch) nicht. Sie ist im streitgegenständlichen Verfahren nicht klärungsfähig.
e) Die Behauptung, die Rechtsprechung des BFH verletze den Grundsatz gleichmäßiger Besteuerung und damit Art. 3 des Grundgesetzes, genügt alleine nicht, um eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu bejahen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 62, m.w.N.).
3. Es liegt auch keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor.
Dazu müsste das FG einen (abstrakten) Rechtsatz aufgestellt haben, der von einem (abstrakten) Rechtsatz des BFH abweicht (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 17). Da sich das FG im Rechtsgrundsätzlichen am Urteil des BFH in BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410 orientiert hat (vgl. Urteil S. 8: "Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs … an"), ist eine Divergenz zu dieser Entscheidung ausgeschlossen.
Die Vorentscheidung weicht auch nicht von den BFH-Urteilen vom 18. August 1966 V 21/64 (BFHE 87, 228, BStBl III 1967, 100), vom 12. Dezember 1968 V 213/65 (BFHE 94, 558, BStBl II 1969, 280), vom 14. April 1983 V R 3/79 (BFHE 138, 260, BStBl II 1983, 491), vom 30. Juni 1988 V R 79/84 (BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910) und vom 14. März 1990 I R 156/87 (BFHE 161, 46, BStBl II 1990, 866) ab. Danach ist eine Tätigkeit nicht mehr der öffentlichen Hand eigentümlich und vorbehalten, also keine hoheitliche Tätigkeit, wenn die öffentliche Hand in größerem Umfang Aufgaben, wie sie auch Privatpersonen ausüben, übernimmt und hierdurch in Wettbewerb zur privaten Wirtschaft tritt. Aufgrund der Feststellungen des FG ist gerade dies im Streitjahr 1994 in Mecklenburg-Vorpommern nicht der Fall gewesen.
Die behauptete Divergenz zu Urteilen des Reichsfinanzhofs kann zu einer Divergenzrevision ohnehin nicht führen, da diese nur eine Abweichung zur Rechtsprechung des BFH und des BVerfG erfasst.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 425110 |
BFH/NV 2000, 894 |