Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderlichkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Zur Feststellung des Getrenntlebens bei Eheleuten
Leitsatz (NV)
- Der neue Zulassungsgrund der Erforderlichkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geht inhaltlich über die bisherige Divergenz hinaus. Er ermächtigt auch zur Zulassung der Revision gegen rechtswidrige Urteile des FG, wenn über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung durch das Revisionsgericht besteht, weil es ‐auch ohne Bildung eines abweichenden Rechtssatzes ‐ revisibles Recht fehlerhaft ausgelegt hat, der insoweit unterlaufene Fehler von einigem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen.
- Auch nach neuem Recht genügt es für die Zulassung der Revision indes nicht, wenn der Beschwerdeführer lediglich eine als fehlerhaft angesehene Beurteilung tatsächlicher Fragen durch das FG beanstandet.
- Ob Eheleute in einem Veranlagungszeitraum dauernd getrennt gelebt haben, richtet sich zwar in erster Linie nach den äußeren, erkennbaren Umständen, wobei einer auf Dauer herbeigeführten räumlichen Trennung bei der Abwägung der für und gegen die Annahme eines dauernd Getrenntlebens sprechenden Merkmale regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung misst indes die Rechtsprechung auch der inneren Einstellung zur ehelichen Lebensgemeinschaft entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 116 Abs. 3 Sätze 1, 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative, § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO).
1. a) Der (neue) Zulassungsgrund in § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (Erforderlichkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) erfasst weiterhin die sog. Divergenzrevision nach altem Recht (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.), geht indes darüber hinaus. Abweichend vom bisherigen Recht kommt es nicht mehr darauf an, welches Gericht die Entscheidung, von der abgewichen wird, getroffen hat (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51; vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, Der Betrieb ―DB― 2001, 2429, 2431, und vom 18. Juli 2001 X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596).
b) Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/4061, S. 9) soll durch die Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO darüber hinaus eine Revisionszulassung auch gegen rechtswidrige Entscheidungen des Finanzgerichts (FG) ermöglicht werden. Sie soll sich auch auf solche Fälle erstrecken, in denen über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht, weil das FG z.B. ―ohne Bildung eines abweichenden Rechtssatzes― revisibles Recht fehlerhaft ausgelegt hat, der insoweit unterlaufene Fehler von einigem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2001 XI B 57/01, NV, und in DB 2001, 2429, 2431, 2432; ferner Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 200 ff., m.w.N.; Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 76).
2. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat indes, ohne dass der erkennende Senat den Anwendungsbereich des neuen Zulassungsgrundes abschließend abgrenzen müsste, die Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt. Aus den Ausführungen des Klägers ergibt sich keine Rechtsfrage, deren einheitliche Beantwortung nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden könnte.
a) Das FG hat ausdrücklich die zitierte ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, nach der Ehegatten i.S. von § 26 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dauernd getrennt leben und deshalb nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden dürfen, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr im Veranlagungszeitraum bestanden hat. Dies ist anhand des Gesamtbildes der gegenseitigen Beziehung im jeweiligen konkreten Einzelfall zu würdigen.
Die Beurteilung richtet sich in erster Linie nach den äußeren erkennbaren Umständen, wobei einer auf Dauer herbeigeführten räumlichen Trennung bei der Abwägung der für und gegen die Annahme eines dauernden Getrenntlebens sprechenden Merkmale regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt. Eine eheliche Lebensgemeinschaft erfordert wenigstens das Fortbestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft als Rest einer weitergehenden Lebensgemeinschaft, die aber weiterhin angestrebt werden muss. Diese Grundsätze hat der erkennende Senat unter Bezugnahme auf die vorangegangene Rechtsprechung ausdrücklich in dem angeblichen Divergenzurteil vom 18. Juli 1996 III R 90/95 (BFH/NV 1997, 139) bestätigt. In dem dort ebenfalls zitierten Urteil des BFH vom 18. Juli 1985 VI R 100/83 (BFH/NV 1987, 431) ist u.a. ausgeführt, dass das FG den Kläger u.a. dazu hätte hören müssen, ob er in dem Streitjahr die räumliche Trennung der Eheleute bereits als endgültig oder nur als vorübergehend betrachtet habe.
Ebenso hat der BFH in dem vom Kläger herangezogenen Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 190/82 (BFHE 145, 549, BStBl II 1986, 486) den Erklärungen der Ehegatten vor dem Familiengericht eine wichtige indizielle Bedeutung beigemessen, zugleich aber weitere Ermittlungen im finanzgerichtlichen Verfahren verlangt, u.a. durch Vernehmung der Ehefrau als Zeugin und des klagenden Ehemannes als Beteiligtem. Die Rechtsprechung misst also im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der inneren Einstellung zur ehelichen Lebensgemeinschaft entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
Nichts anderes hat aber das FG getan, indem es unter Würdigung der Gesamtumstände und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht feststellen konnte, dass im Streitjahr 1996 zwischen dem Kläger und der beigeladenen früheren Ehefrau eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer umfassenden persönlichen, geistigen und räumlichen Gemeinschaft der Eheleute (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9. März 1973 VI R 396/70, BFHE 109, 44, BStBl II 1973, 487) bestanden hat bzw. zumindest noch angestrebt worden ist. Das FG hat zwar auch auf die Erklärungen des Klägers und der Beigeladenen, insbesondere deren fehlenden inneren Willen, die Ehe weiter fortzusetzen, abgestellt. Es hat indes ―wie ausgeführt― keineswegs ausschließlich auf diesen fehlenden inneren Willen der Beigeladenen abgehoben, sondern sämtliche äußeren erkennbaren Umstände in die gebotene Gesamtwürdigung einbezogen.
Der BFH hat schließlich in dem vom Kläger ebenfalls erwähnten Urteil in BFHE 145, 549, BStBl II 1986, 486 auf die im Vergleich zu § 26 EStG noch strengeren Anforderungen an das Vorliegen einer Trennung im Sinne einer vollkommenen tatsächlichen Trennung hingewiesen.
b) Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig wäre, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die betroffene Rechtsfrage zu verhindern. Dafür ist bereits ein schlüssiger Vortrag ausreichend, dass die Entscheidung auf einer offensichtlich falschen Rechtsanwendung beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1596).
Auch nach neuem Recht genügt es für eine Zulassung der Revision aber nicht, wenn der Beschwerdeführer lediglich eine als fehlerhaft angesehene Beurteilung tatsächlicher Fragen durch das FG beanstandet (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1596).
3. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO nicht.
Fundstellen