Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Höhe der Einkünfte und Bezüge eines Kindes bei späterer Rückzahlung von Einnahmen
Leitsatz (NV)
1. Hat das FG die Abweisung der auf Kindergeld gerichteten Klage ‐ kumulativ ‐ sowohl mit der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides als auch mit der Überschreitung des Jahresgrenzbetrags begründet, muss hinsichtlich beider Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund dargelegt werden.
2. Einkünfte ‐ hier eines Sanitätsoffiziersanwärters ‐ die nach dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln sind und deshalb dem Zuflussprinzip unterliegen, schließen den Kindergeldanspruch wegen Überschreitung des Jahresgrenzbetrages auch dann aus, wenn sie später ‐ hier wegen antragsgemäßer Entlassung aus dem Dienstverhältnis ‐ zurückgezahlt werden müssen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 04.10.2006; Aktenzeichen 12 K 283/05) |
Tatbestand
I. Der Sohn des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) war bis zum 10. Januar 2002 als Sanitätsoffiziersanwärter Zeitsoldat und von Oktober 1996 bis September 2001 zum Studium der Pharmazie von der Bundeswehr beurlaubt. Das von der Bundeswehr bezogene Ausbildungsgeld hat der Sohn nach dem Leistungsbescheid vom 10. Juli 2003 zurückzuzahlen, da er auf seinen Antrag aus dem Dienstverhältnis entlassen worden ist.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2002 bat der Kläger, seinen Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum des Studiums zu prüfen. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (die Familienkasse) antwortete am 19. Februar 2002, der Sohn habe sich wegen seines Dienstverhältnisses nicht in Ausbildung befunden. Außerdem seien ihm Ausbildungsbezüge zugeflossen, über die er habe verfügen können; daran ändere eine spätere Rückzahlung nichts. Eine Nachzahlung der kinderbezogenen Leistungen für den Zeitraum Oktober 1996 bis September 2001 könne daher nicht erfolgen. Die Ablehnung war nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2004 legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der Kindergeld für Januar 1998 bis Dezember 2001 beansprucht wurde, ab. Durch den Verwaltungsakt vom 19. Februar 2002 sei der Kindergeldanspruch bis zum 30. September 2001 bestandskräftig abgelehnt worden. Die Einspruchsfrist habe sich wegen der fehlenden Rechtsmittelbelehrung auf ein Jahr verlängert. Sie sei am 22. Februar 2003 abgelaufen und der Einspruch vom 20. Juni 2004 mithin verfristet. Des Weiteren habe der Sohn mit dem Bezug des Ausbildungsgeldes die maßgeblichen Grenzbeträge überschritten. Die Rückzahlungsverpflichtung ändere daran nichts, da insoweit das Zuflussprinzip (§ 11 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) gelte und eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschließe.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Frage, ob zurückzuzahlendes Einkommen des Kindes den Kindergeldanspruch ausschließen könne, habe grundsätzliche Bedeutung. Das FG habe zudem § 11 EStG falsch angewendet, da das Ausbildungsentgelt vorliegend nicht wieder abgeflossen, sondern sein Zufluss ungeschehen gemacht worden sei. Darin liege eine die Zulassung der Revision erfordernde unrichtige Rechtsanwendung.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Anspruchs auf Kindergeld für die Monate Januar 1998 bis September 2001 als unzulässig verworfen, hinsichtlich des Anspruchs auf Kindergeld für die Monate Oktober bis Dezember 2001 als unbegründet zurückgewiesen.
1. Das FG hat die Klagabweisung für den Zeitraum Januar 1998 bis September 2001 sowohl damit begründet, dass die Ablehnung des Kindergeldanspruchs bestandskräftig geworden sei, als auch mit der Überschreitung des Jahresgrenzbetrages (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Da das Urteil kumulativ begründet ist, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt wird, muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt werden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667; vom 13. Juli 2006 VII B 296/05, BFH/NV 2006, 1799). Der Kläger hat Zulassungsgründe aber nur hinsichtlich der Überschreitung des Jahresgrenzbetrages vorgetragen.
2. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Kindergeldanspruchs Oktober bis Dezember 2001, ist die Beschwerde unbegründet. Die Frage, ob zurückzuzahlendes Einkommen des Kindes den Kindergeldanspruch ausschließen kann, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Einkünfte, die --wie im Streitfall die Einkünfte des Sohnes aus nichtselbständiger Arbeit-- nach dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln sind und deshalb dem Zuflussprinzip unterliegen (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 EStG), schließen den Kindergeldanspruch wegen Überschreitung des Jahresgrenzbetrages (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) auch dann aus, wenn sie später zurückgezahlt werden müssen (BFH-Urteil vom 22. Mai 2002 VIII R 74/99, BFH/NV 2002, 1430). Denn Einkünfte und Bezüge sind nach ständiger Rechtsprechung bei der Ermittlung der i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG mit sämtlichen Zuflüssen und Abflüssen in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem sie anfallen (Senatsurteil vom 15. März 2007 III R 25/06, BFH/NV 2007, 1481).
Da die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits vom BFH entschieden wurde und das FG-Urteil damit im Einklang steht, hätte der Kläger darlegen müssen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich hält (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 33, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1930288 |
BFH/NV 2008, 558 |