Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsmäßige Anrechnung von USt-Zahlungen auf LohnSt-Schulden; kein Klärungsbedarf
Leitsatz (NV)
1. Allein das Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Frage belegt noch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
2. Die Tatbestandsmäßigkeit der Geschäftsführerhaftung für nicht abgeführte Lohnsteuer wird nicht durch die Überlegung in Frage gestellt, daß in Höhe des Unterschieds zwischen den USt-Zahlungen der Gesellschaft und der (niedrigeren) "Tilgungsquote" Mittel für die LohnSt-Zahlungen zur Verfügung gestanden hätten.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 191 Abs. 1, §§ 69, 34 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Inhaftungnahme der Kläger, früherer (mittelbarer) Geschäftsführer einer in Konkurs gegangenen KG, für angemeldete, jedoch nicht abgeführte Lohnsteuer (einschließlich Kirchenlohnsteuer und Säumniszuschläge), unter Ablehnung der von den Klägern gewünschten Haftungsbeschränkung im Umfang einer "Übererfüllung" der Haftungsquote für im Haftungszeitraum von der KG geschuldete Umsatzsteuern. Das FG führte hierzu aus, die Unterschiede bei der Haftung für Umsatz- und für Lohnsteuer (Hinweis auf das Senatsurteil vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859) ließen keine "Zusammenfassung" zu; eine erst nachträglich festgestellte zufällige Übererfüllung bei der Umsatzsteuer könne somit der zuvor eingetretenen grob schuldhaften Pflichtverletzung bei der Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer die Haftungsfolge nicht nehmen.
Die Kläger begehren die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Zu der vom FG verneinten Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liege, bestehe keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Frage sei auch klärungsbedürftig: sie werfe die Vorfrage auf, ob Zahlungen der haftungspflichtigen Personen im Haftungszeitraum im Zweifel als auf die Haftungsschulden und nicht (mehr) auf die Steuerschulden geleistet werden müßten. Zugleich sei zu klären, ob für vom Haftungspflichtigen veranlaßte Zahlungen (gegebenenfalls für welche?) eine -- rückwirkende -- Tilgungsbestimmung des Haftenden zugunsten seiner Haftungsschulden anzuerkennen sei, ferner, ob eine haftungsmindernde Berücksichtigung einer übererfüllten Quote sich aus dem Rechtsgedanken der Vor- teilsanrechnung ergebe und ob eine Anrechnung zuviel geleisteter Haftungsbeträge nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten sei (Ermessensreduzierung auf Null).
Das beklagte Finanzamt (FA), das die angefochtenen Haftungsbescheide erlassen hatte, ist der Beschwerde entgegengetreten, u. a. mit der Erwägung, daß es selbst bei Vollzahlung einer Steuer, wie sie hier indessen nicht vorliege, nicht angängig sei, ein pflichtwidriges Verhalten bezüglich einer anderen Steuerart durch Nichtinanspruchnahme aus der Haftung zu honorieren.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Der Umstand, daß zu der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage noch keine -- ausdrückliche -- höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, vermag die grundsätz liche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) noch nicht zu belegen (vgl. Gräber/Ruban, FGO, 3. Aufl., 1993, § 115 Anm. 62). Das gleiche gilt hinsichtlich der Frage selbst. Sie ist entgegen der Darlegung in der Beschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) nicht klärungsbedürftig, weil eindeutig im Sinne der Vorentscheidung zu beantworten, und somit auch als solche nicht von grundsätzlicher Bedeutung (hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., Anm. 9 m. N.).
Eindeutig beantwortet sich zunächst die von den Klägern formulierte Vorfrage. Die von ihnen angesprochenen Zahlungen sind auf die Steuerschulden der KG geleistet, nicht auf die noch gar nicht festgesetzten (und im Zeitpunkt der Zahlung noch nicht einmal feststehenden) Haftungsschulden. Für eine rückwirkende Tilgungsbestimmung -- bei freiwilliger Zahlung -- ist kein Raum (§ 225 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --: Bestimmung "bei der Zahlung"). Auch aus anderen Gesichtspunkten läßt sich die von den Klägern für geboten erachtete "Anrechnung" von Umsatzsteuerzahlungen auf Lohnsteuerschulden nicht vertreten. Aus dem vom FA angeführten Grunde bestehen bereits grundsätzliche Bedenken gegen eine solche Handhabung. Die (teilweise) Entrichtung der Umsatzsteuern der KG wirkt sich weder auf deren Lohnsteuerschulden noch auf die Haftung der Kläger für die Lohnsteuer aus. Die Tatbestandsmäßigkeit der Haftung wird durch die hypothetische Überlegung, daß in Höhe des Unterschieds zwischen den tatsächlichen Umsatzsteuerzahlungen und der Tilgungsquote Mittel zur (vollen oder teilweisen) Entrichtung der Lohnsteuern zur Verfügung gestanden hätten, nicht in Frage gestellt. Das gilt besonders mit Rücksicht auf die vom FG hervorgehobenen Unterschiede zwischen der Berechnung der Haftungssumme bei der Umsatzsteuer und der vom Arbeitgeber nur treuhänderisch einzuziehenden Lohnsteuer (hierzu Senat in BFHE 153, 512, 515). Für einen Vorteilsausgleich ist rechtlich kein Raum, ganz abgesehen davon, daß von einem Vorteil des FA, soweit es hinsichtlich geschuldeter Umsatzsteuern befriedigt worden ist, nicht die Rede sein kann. Daß ein solcher Ausgleich (oder eine -- wie die Kläger meinen -- "Globalbetrachtung") nicht in Betracht kommt, läßt sich im übrigen auch dem Urteil vom 2. August 1988 VII R 60/85 (BFH/NV 1989, 150) entnehmen, in dem der Senat erkannt hat, daß sich der Geschäftsführer (dort: der einer GmbH) gegenüber seiner Inanspruchnahme wegen Lohnsteuerhaftung noch nicht einmal auf einen Vorsteuerüberschuß berufen kann, wenn er die Verrechnung des Umsatzsteuerguthabens mit der Lohnsteuer nicht ausdrücklich beantragt hat. Ist aber von diesem Rechtsgrundsatz auszugehen, so ist die Anrechnung eines Betrages, um den die Tilgungsquote bei der Umsatzsteuer "übererfüllt" worden ist, auf die Haftungssumme für die Lohnsteuer erst recht nicht möglich. Auf den Gesamtzeitraum der Haftung ist -- nur -- im Rahmen der Feststellung des Haftungsbetrages für die Umsatzsteuer abzustellen (Senat, Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, 513 f., BStBl II 1986, 657).
Unter diesen Umständen kann in der Nicht anrechnung geschuldeter Umsatzsteuern bei der Inhaftungnahme für Lohnsteuern (§ 191 Abs. 1, § 69, § 34 Abs. 1 AO 1977) auch kein Ermessensfehler gesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 420232 |
BFH/NV 1995, 373 |