Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsstreit ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die Finanzverwaltungen im Einvernehmen mit dem BdF und den Länderfinanzministern (-senatoren) ein Urteil des BFH nicht anwenden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner, ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes, erhält von seinem Arbeitgeber Trennungstagegeld (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 der Trennungsgeldverordnung vom 12. August 1965, BGBl I 1965, 808). In seinem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung 1968 hat er den Mehraufwand für doppelte Haushaltsführung (Miete und Verpflegung) abzüglich des Trennungstagegeldes als Werbungskosten geltend gemacht. Das FG hat der Klage stattgegeben. Es verweist auf das Urteil des BFH VI 305/64 vom 18. Februar 1966 (BFH 86, 85, BStBl III 1966, 385), nach dem Mehraufwendungen, die einem Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes durch eine Abordnung oder Versetzung erwachsen und nicht durch die vom öffentlichen Dienstherrn gezahlte Trennungsentschädigung oder Beschäftigungstagegelder gedeckt sind, Werbungskosten sind. Die zuständige OFD habe zwar in der Verfügung vom 25. Januar 1967 S 2353 - 1 - St 223 die Verwaltung angewiesen, dieses BFH-Urteil nicht anzuwenden. Es seien jedoch keine Gründe vorgebracht worden, die ein Abweichen von der genannten Rechtsprechung rechtfertigen könnten.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im FG-Urteil macht das FA geltend, es handele sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, die in der Rechtsprechung des BFH noch nicht abschließend geklärt sei. Der BFH habe sich in der Entscheidung VI 305/64 (a. a. O.) auf eine Stellungnahme des BdF im Verfahren VI 219/64 (BFH 86, 39, BStBl III 1966, 386) gestützt. Darin habe der BdF jedoch nur ausgeführt, die Regelungen über die Erstattung von Kosten für Familienheimfahrten hätten den Charakter von Beihilfen. Zu Unrecht habe der BFH in der Entscheidung VI 305/64 (a. a. O.) angenommen, dies gelte auch für die in der gleichen Verordnung geregelten Beschäftigungstagegelder und Trennungsentschädigungen. Der saarländische Minister für Finanzen und Forsten habe in einem gleichlautenden Ländererlaß ausdrücklich angeordnet, das genannte BFH-Urteil vorerst nicht anzuwenden. Er habe dazu ausgeführt, daß Trennungsentschädigungen und Beschäftigungstagegelder, die im Bereich des öffentlichen Dienstes gezahlt werden, nach dem Willen des Verordnungsgebers und nach ihrer Zweckbestimmung den dienstlich veranlaßten Mehraufwand voll abgelten sollten. Die in der Trennungsgeldverordnung für den Kostenersatz für Familienheimfahrten gewählte Bezeichnung "Reisebeihilfe" gebe den Charakter dieser Leistung als Beihilfe zutreffend wieder. Zum Unterschied dazu hießen die sonstigen in der Trennungsgeldverordnung geregelten Leistungen "Trennungsentschädigung" oder "Mietersatz".
Der Kläger beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten auf dessen Kosten zurückzuweisen. Er bringt vor, das Urteil des FG entspreche dem auch vom Beklagten angegebenen Urteil des BFH VI 305/64 (a. a. O.). Es könne dahingestellt bleiben, ob die etwas haarspalterisch anmutende Unterscheidung zwischen Reisebeihilfen einerseits und Trennungsentschädigung oder Mietersatz andererseits gerechtfertigt sei. Auf jeden Fall habe der Gesetzgeber den Terminus "Trennungsentschädigung" aus seinem Sprachgebrauch längst gestrichen. In der nunmehr geltenden Trennungsgeldverordnung vom 12. August 1965 werde ausschließlich der Begriff "Trennungsgeld" verwendet, der wiederum aufgespalten sei in "Trennungsreisegeld" und "Trennungstagegeld". Diese Begriffe gäben keinerlei Veranlassung mehr zu einer Auslegung in dem vom FA gewünschten Sinne. Das ihm gewährte Trennungstagegeld habe ebenso wie die Reisebeihilfe für Familienheimfahrten nur den Charakter eines Zuschusses bzw. einer Beihilfe zu den tatsächlich entstehenden Aufwendungen. Mehraufwendungen seien daher als Werbungskosten zu behandeln. Es sei auch nicht einzusehen, warum Angehörige des öffentlichen Dienstes schlechter gestellt werden sollten als die Arbeitnehmer privater Dienstherren.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist begründet.
Der Senat hat in seinem Urteil VI 305/64 (a. a. O.) entschieden, daß Mehraufwendungen, die einem Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes entstehen, Werbungskosten sind, soweit sie nicht durch Trennungsentschädigungen oder Beschäftigungstagegelder gedeckt sind. Diesem Urteil des BFH - eine ständige Rechtsprechung des BFH liegt noch nicht vor - ist das FG gefolgt. Gleichwohl ist der Rechtsstreit von grundsätzlicher Bedeutung, weil die Finanzverwaltungen nicht nach den Grundsätzen dieses Urteils verfahren (vgl. Beschluß des BFH VI B 24/66 vom 10. Februar 1967, BFH 88, 157, BStBl III 1967, 340; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 2.-3. Auflage, § 115 der Finanzgerichtsordnung Anm. 5). Im Einvernehmen mit dem BdF und den Länderfinanzministern (-senatoren) wenden die Finanzverwaltungen dieses Urteil des BFH nicht an.
Es besteht somit keine einheitliche Rechtspraxis in Rechtsprechung und Verwaltung. Eine erneute Entscheidung des Senats liegt aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im allgemeinen Interesse (vgl. auch Hartz-Over-Meeßen, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort Trennungsentschädigungen, 1).
Das Urteil VI 305/64 (a. a. O.) enthält zudem keine Auseinandersetzung mit der in den späteren Erlassen geäußerten Rechtsansicht des BdF und der Länderfinanzminister. Der Senat hat seinen Schluß, die nach der Trennungsgeldverordnung vom 12. August 1965 gezahlten Trennungsentschädigungen und Beschäftigungstagegelder seien beamtenrechtlich ebenso zu beurteilen wie die Kostenerstattung für Familienheimfahrten, denen der BdF im Verfahren VI 219/64 den Charakter von Beihilfen zuerkannt hatte, nicht näher begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 67766 |
BStBl II 1968, 779 |
BFHE 1968, 267 |