Leitsatz (amtlich)

Streitwert einer Revision, deren Gegenstand allein die Rechtmäßigkeit einer Zinsforderung war, ist auch dann der Wert dieser Forderung, wenn mit einer Anschlußrevision auch die Hauptforderung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist.

 

Normenkette

FGO § 140 a. F; GKG a.F. § 11 Abs. 1; ZPO § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Mit Urteil vom 13. Juli 1976 VII R 108/74 wies der erkennende Senat unter Abänderung der Vorentscheidung die Klage der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin) in vollem Umfang ab und wies die Anschlußrevision der Kostenschuldnerin als unbegründet zurück. Streitig war in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit eines Widerrufsbescheids der Einfuhrund Vorratsstelle (EVSt), mit dem ein Erstattungsbetrag von 333 016 DM zurückgefordert wurde zuzüglich Zinsen ab 25. Dezember 1966 in Höhe von insgesamt rd. 165 000 DM. Das FG hatte den Rückforderungsbescheid insoweit aufgehoben, als die EVSt darin eine Verzinsung der zurückzuzahlenden Erstattung angeordnet hatte, im übrigen aber die Klage abgewiesen. Dagegen hatten die Kostenschuldnerin und (wegen der vom FG nicht anerkannten Zinsforderung) die EVSt Revision eingelegt. Mit Kostenrechnung vom 26. August 1976 setzte die Kostenstelle des BFH die von der Kostenschuldnerin für das Revisionsverfahren zu entrichtenden Gerichtskosten auf 12 410 DM fest und legte dabei einen Streitwert von 498 000 DM (333 000 + 165 000 DM) zugrunde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Erinnerung der Kostenschuldnerin. Sie trägt zur Begründung vor, der Streitwert betrage entsprechend dem Wert des mit der Anschlußrevision verfolgten Hauptanspruchs nur 333 016 DM. Bei wechselbezüglichen Rechtsmitteln sei zwar der Wert beider Rechtsmittel zusammenzurechnen, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand beträfen. Der Kostenbeamte habe jedoch übersehen, daß sich die Revision der EVSt auf eine Nebenforderung, nämlich die Rückforderungszinsen, beschränkt habe und daß Nebenforderungen bei der Berechnung des Streitwerts nicht berücksichtigt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist unbegründet.

Da das Revisionsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften vom 20. August 1975 (BGBl I 1975, 2189, BStBl I 1975, 950) - KostÄndG 1975 - in Gang gesetzt worden ist, ist der Wert des Streitgegenstandes noch nach bisherigem Recht zu bestimmen (vgl. Art. 5 § 2 Abs. 2 KoständG 1975). Maßgebende Vorschrift ist also § 140 Abs. 3 FGO a. F. In Anwendung dieser Vorschrift ist die Kostenstelle des BFH zu Recht zum Ergebnis gelangt, daß der Streitwert im fraglichen Revisionsverfahren 498 000 DM beträgt.

Nach § 140 Abs. 3 FGO a. F. ist der Streitwert unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen zu bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist dabei von dem Betrag auszugehen, um den im Verfahren unmittelbar gestritten wird. Es ist also das geldwerte Interesse maßgebend, das der Beteiligte an der Durchführung des Rechtsstreits hat. Im Falle der Revision ging es allein um die Frage der Verzinsung des Rückforderungsbetrags. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß es dabei im Ergebnis unmittelbar um einen Betrag von rd. 165 000 DM ging. Die Kostenstelle ist daher bei der Berechnung des Streitwerts der Revision zu Recht von diesem Betrag ausgegangen. Der Streitwert der Anschlußrevision betrug, was die Kostenschuldnerin nicht in Abrede stellt, 333 000 DM. Da beim Vorliegen einer Revision und einer Anschlußrevision der Streitwert des Verfahrens durch Zusammenrechnung der Streitwerte beider Rechtsmittel bestimmt wird (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1967 IV 224/64, BFHE 88, 23, BStBl III 1967, 274), ist es nicht zu beanstanden, daß die Kostenstelle den Streitwert mit 498 000 DM bemessen hat.

Zu Unrecht beruft sich die Kostenschuldnerin auf die Regelung des § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, wonach Nebenforderungen bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift (über § 140 Abs. 1 FGO a. F. und § 11 Abs. 1 GKG a. F.) hier entsprechende Anwendung finden kann oder ob § 140 Abs. 3 FGO a. F. als Sondervorschrift vorgeht (Streitwertfestsetzung nach Ermessen und nicht unter Bindung an die Regelung des § 4 ZPO). Denn jedenfalls kann die Zinsforderung, die allein Gegenstand der Revision war, nicht als Nebenforderung i. S. des § 4 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß mit der Anschlußrevision auch die Hauptforderung zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht worden ist. Die Revision bleibt auch nach Einlegung der Anschlußrevision ein selbständig zu betrachtendes Rechtsmittel, dessen Streitwert durch die Anschlußrevision nicht beeinflußt werden kann. Dafür spricht auch, daß die von der Kostenschuldnerin vertretene gegenteilige Auffassung die sinnwidrige Folge hätte, daß der Streitwert der Revision durch die - bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung einlegbare - Anschlußrevision plötzlich auf 0 herabgesetzt würde.

Auf das Urteil VI 127/58 U des BFH vom 8. August 1958 (BFHE 67, 293, BStBl III 1958, 385) kann sich die Kostenschuldnerin nicht berufen. Dieser Entscheidung liegt ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Außerdem ist sie zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung ergangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72020

BStBl II 1977, 36

BFHE 1977, 160

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