Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungszwang im Verfahren vor dem BFH; Rechtsfolgen einer unterlassenen Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten; Wiedereinsetzung wegen missverstandener Rechtsmittelbelehrung; keine Umdeutung einer nicht zugelassenen Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
1. Wird eine Revision vom nicht vertretungsberechtigten Kläger persönlich eingelegt, so kann die Unwirksamkeit dieser Prozesshandlung auch nicht dadurch geheilt werden, das eine zur Vertretung vor dem BFH berechtigte Person nachträglich die vom Kläger persönlich eingelegte Revision genehmigt.
2. Bestellt der Kläger trotz richterlicher Aufforderung und Hinweises auf die verfahrensrechtlichen Folgen keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten, gilt das Urteil des FG mit dessen Aufgabe zur Post als dem Kläger wirksam zugestellt.
3. Versteht der Kläger die dem angefochtenen Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung falsch, so kann allenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist in Betracht kommen.
4. Die Umdeutung einer unstatthaften Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach ständiger Rechtsprechung wegen der erheblichen rechtlichen und verfahrensmäßigen Unterschiede zwischen beiden Rechtsmitteln nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht zulässig.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 3 S. 2, § 55 Abs. 2, § 56 Abs. 2, §§ 62a, 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen 12 K 5909/01) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Einkommensteuer 1996 und 1997 sowie Zinsen als unbegründet abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das FG hatte den Kläger wegen eines fehlenden inländischen Wohnsitzes nach § 53 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Schreiben vom 21. Juli 2003 gebeten, bis zum 30. August 2003 einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Antragsgemäß verlängerte das FG diese Frist bis zum 5. Oktober 2003 und belehrte den Kläger über die nach § 53 Abs. 3 Satz 2 FGO eintretenden Rechtsfolgen, sofern bis dahin kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt worden sei. Mangels einer entsprechenden Benennung gab das FG das Urteil vom 18. Februar 2004, dem eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, dem Kläger mit einfachem Brief, der am 5. März 2004 abgesandt wurde, bekannt.
Gegen das dem Kläger nach dessen Angaben am 6. April 2004 zugegangene Urteil legte der Kläger persönlich Revision ein. Mit Schreiben vom 28. April 2004 wies die Geschäftsstelle des Senats den Kläger auf die fehlende Zulassung der Revision sowie den beim Bundesfinanzhof (BFH) bestehenden Vertretungszwang (§ 62a FGO) hin. Der Kläger teilte lediglich mit, er suche einen geeigneten Rechtsbeistand in Deutschland, wies auf eine seiner Meinung nach irreführende Formulierung der Rechtsmittelbelehrung des FG hin und begehrte ggf. eine Umdeutung seiner Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde. Auf das weitere Schreiben der Geschäftsstelle vom 27. Mai 2004, mit dem dem Kläger mitgeteilt wurde, eine Umdeutung sei nicht möglich und die Zulässigkeit des Rechtsmittels scheitere in erster Linie an der Nichtbeachtung des Vertretungszwangs, erwiderte der Kläger mit Telefax vom 11. Juni 2004, er habe beantragt, die viel zu kurzen Fristen solange zu verlängern, bis er einen Rechtsanwalt gefunden habe. Bislang sei ihm das Urteil nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, so dass Rechtsmittelfristen überhaupt nicht zu laufen begonnen hätten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 FGO).
1. Vor dem BFH muss sich --wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht-- jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwalt, niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden (§ 62a FGO).
Im Streitfall ist die Revision nicht von einer solchen Person oder Gesellschaft eingelegt worden; die Einlegung der Revision durch den Kläger persönlich ist daher unwirksam. Nach Ablauf der einmonatigen Revisionsfrist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) kann die Unwirksamkeit auch nicht dadurch geheilt werden, dass eine zur Vertretung vor dem BFH berechtigte Person die vom Kläger persönlich erhobene Revision nachträglich genehmigt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 1998 XI B 37/98, BFH/NV 1998, 1368, m.w.N., und vom 4. Dezember 2001 III B 68/01, nicht veröffentlicht, juris).
Im Streitfall ist das Urteil dem Kläger wirksam gemäß § 53 Abs. 3 Satz 2 FGO mit der Aufgabe zur Post am 5. März 2004 zugestellt worden. Der Kläger hat trotz richterlicher Aufforderung und Hinweises auf die verfahrensrechtlichen Folgen bis zum 5. Oktober 2003 keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benannt. Gemäß § 53 Abs. 3 Satz 2 FGO gilt deshalb das Urteil mit der Aufgabe zur Post am 5. März 2004 als dem Kläger wirksam zugestellt (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Juni 1986 VII R 30/83, BFH/NV 1986, 755; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 53 FGO Rz. 41, m.w.N.). Gegen die Regelung des § 53 Abs. 3 Satz 2 FGO bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1997 1 BvR 1353/95, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 1772).
2. Darüber hinaus ist die Revision auch unstatthaft, weil sie vom FG in dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich zugelassen worden ist (BFH-Beschluss vom 21. April 1997 VIII R 26/97, BFH/NV 1997, 797, m.w.N.). Eine Revision wäre selbst dann nicht ohne Zulassung statthaft, wenn das FG eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung erteilt hätte. Vielmehr wäre die einzige Rechtsfolge eine nach § 55 Abs. 2 FGO verlängerte Frist für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels (BFH-Beschluss vom 23. Mai 2002 II R 30/01, BFH/NV 2002, 1322). Wird, wie im Streitfall, eine Rechtsmittelbelehrung vom Kläger lediglich missverstanden, kann allenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist in Betracht kommen (BFH-Beschluss vom 10. Mai 2000 II B 33/00, BFH/NV 2000, 1234).
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger die ab Wegfall des Hindernisses laufende zweiwöchige Antragsfrist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO versäumt hat. Der Kläger ist durch Schreiben der Geschäftsstelle des III. Senats vom 28. April 2004 und vom 27. Mai 2004 ausdrücklich auf den Vertretungsmangel hingewiesen worden.
Der Anregung, das unzulässige Rechtsmittel aus Kostengründen zurückzunehmen, ist der Kläger nicht gefolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gilt für die Rücknahme von Rechtsmitteln kein Vertretungszwang (BFH-Beschluss vom 13. November 2001 IV B 158/01, BFH/NV 2002, 511, m.w.N.).
4. Die vom Kläger erbetene Umdeutung der unstatthaften Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 FGO ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH unzulässig, da zwischen einer Revision und einer Nichtzulassungsbeschwerde erhebliche rechtliche und verfahrensmäßige Unterschiede bestehen (BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 1998 X R 2/98, BFH/NV 1998, 992, nur Leitsatz, und in BFH/NV 1997, 797, m.w.N.). Überdies besteht auch für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde der Vertretungszwang nach § 62a Abs. 1 Satz 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 1244326 |
BFH/NV 2004, 1668 |