Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützten Revision
Leitsatz (NV)
Mit dem Vorbringen, das FG sei auf einzelne mit der Klage vorgetragene Argumente oder Besonderheiten des Sachverhalts nicht eingegangen und habe in den Gründen auf Entscheidungen des BFH Bezug genommen, wird kein Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (Fehlen der Entscheidungsgründe) gerügt.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein ...geschäft. Den Gewerbegewinn ermittelt er nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er führt den Betrieb als Alleinerbe seines am ...Februar 1989 verstorbenen Vaters unverändert als Einzelfirma fort.
In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 1989 machte der Kläger von seinem Vater erzielte Gewerbeverluste
aus 1985 in Höhe von ... DM
aus 1986 in Höhe von ... DM
aus 1988 in Höhe von ... DM
gewerbeertragsmindernd geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die entsprechende Kürzung des Gewerbeertrags ab. Der Einspruch, den der Kläger nicht begründete, blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, nach § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei der Gewerbebetrieb mit dem Tode des Vaters im ganzen auf den Kläger als Alleinerben übergegangen. Damit gelte der Gewerbebetrieb als durch den Vater eingestellt und durch den Kläger neu gegründet (§ 2 Abs. 5 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -). § 10a Satz 2 GewStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) bestimme für diesen Fall ausdrücklich, daß der Unternehmer, auf den der Gewerbebetrieb übergehe, den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen dürfe, die sich bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des übergegangenen Unternehmers ergeben hätten.
Dieses aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes folgende Ergebnis entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 14. Januar 1965 IV 173/64 S, BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115). Danach sei das Recht zum Abzug des Gewerbeverlustes nicht nur von der Unternehmensidentität, sondern auch von der Unternehmeridentität abhängig.
Mit der Revision rügt der Kläger, die Entscheidung des FG sei nicht mit Gründen versehen i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Es fehle an der Übertragung des bisherigen Betriebs als einer wirtschaftlichen Einheit aufgrund korrespondierender Willenserklärungen zweier eigenverantwortlicher Rechtspersönlichkeiten und damit am Übergang des Betriebs auf einen anderen Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 5 GewStG. Die Anwendung des § 10a GewStG auch im Fall der gesetzlichen Erbfolge sei verfassungswidrig, da das übernommene Unternehmen durch die gewerbesteuerlichen Fehlbeträge geschwächt sei. Das vom FG in Bezug genommene BFH-Urteil in BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115 befasse sich nicht mit der verfassungsrechtlichen Problematik. Darüber hinaus sei dieses Urteil zu der Rechtslage vor der Änderung des § 10a GewStG durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1986 vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735 ergangen. In der Neufassung des § 10a GewStG seien die Worte bei Gewerbetreibenden weggefallen. Demnach sei das Merkmal der Unternehmeridentität nicht mehr erforderlich; vielmehr sei die Rechtslage an § 10d EStG angeglichen worden.
Bei dieser Sachlage entspreche das Zitieren des BFH-Urteils in BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115 nicht den Erfordernissen einer Urteilsbegründung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Ein Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Entscheidungsgründe fehlen nach der Rechtsprechung des BFH zwar nicht nur, wenn die Entscheidung überhaupt nicht mit Gründen versehen ist, sondern bereits dann, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, das Urteil mithin hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen ist (BFH-Beschlüsse vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638, und vom 15. April 1992 III R 31/91, BFH/NV 1993, 367).
Dagegen ist die Rüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht schlüssig, wenn der geltend gemachte Begründungsmangel nur ein Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm berührt. Ferner liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht vor, wenn den Ausführungen des FG nicht gefolgt werden kann, die Vorentscheidung lückenhaft oder widersprüchlich ist, sofern noch zu erkennen ist, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren. Das FG braucht sich jedoch nicht mit jeder rechtlichen Erwägung, die ein Beteiligter vorgebracht hat, in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen. Die Beteiligten müssen lediglich durch die Entscheidung Kenntnis davon erhalten, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen oder rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht (BFH/NV 1993, 367). Dabei ist die übliche Bezugnahme auf veröffentlichte Entscheidungen unbedenklich (BFH-Urteil vom 3. März 1970 VII R 43/68, BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494).
Hiervon ausgehend enthält die Revisionsbegründung keine schlüssige Rüge des geltend gemachten Verfahrensmangels.
Die Ausführungen des Klägers gehen im wesentlichen zunächst dahin, das FG habe § 10a Satz 2 GewStG i.d.F. durch das StBereinG 1986 unzutreffend auch im Falle des Übergangs eines Gewerbebetriebs im Erbwege angewandt und bei seiner Entscheidung nicht zuletzt verfassungsrechtliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. Der Kläger trägt damit nicht, wie für die Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 erforderlich, vor, das FG habe einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen bzw. es sei nicht erkennbar, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung des FG stütze. Sein Vorbringen enthält insoweit vielmehr lediglich die Rüge, daß das FG auf einzelne seiner Argumente oder auf Besonderheiten des Sachverhalts nicht eingegangen sei. Damit wird nicht geltend gemacht, daß die Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei (vgl. auch BFH-Beschluß vom 30. Juli 1990 V R 49/87, BFH/ NV 1991, 325).
Auch soweit der Kläger die Bezugnahme in den Entscheidungsgründen auf das BFH-Urteil in BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115 beanstandet, trägt er nicht schlüssig den wesentlichen Verfahrensmangel einer nicht mit Gründen versehenen Entscheidung vor. Zum einen hat er nicht geltend gemacht, das angefochtene FG-Urteil sei ohne die Kenntnis der in Bezug genommenen BFH-Entscheidung nicht aus sich heraus verständlich, so daß ihm die Möglichkeit genommen war, die Vorentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Abgesehen davon, daß eine Bezugnahme auf veröffentlichte Entscheidungen zulässig ist (BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494), hat er zum anderen auch nicht dargelegt, das betreffende BFH-Urteil sei ihm nicht zugänglich gewesen, und er habe deshalb die rechtlichen Erwägungen, von denen sich das FG bei seiner Entscheidungsfindung leiten ließ, nicht nachvollziehen können. Das Urteil in BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115 wurde im übrigen vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 8. November 1992 ausführlich abgehandelt.
Fundstellen
Haufe-Index 419385 |
BFH/NV 1994, 384 |