Entscheidungsstichwort (Thema)
Fragen zum energiesteuerrechtlichen Anlagenbegriff und zum Grundsatz von Treu und Glauben nicht grundsätzlich bedeutsam
Leitsatz (NV)
1. Fragen zur Einstufung eines Heizkraftwerks als KWK-Anlage und der Bestimmung der räumlichen Abgrenzung der Anlage hängen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, so dass ihnen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
2. Auch die Frage, ob und in welchem Umfang sich ein Steuerpflichtiger gegenüber den Finanzbehörden auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen kann, ist einer allgemeingültigen Klärung nicht fähig und damit nicht grundsätzlich bedeutsam.
3. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen.
4. Ein Beweisantrag darf unberücksichtigt bleiben, wenn das angebotene Beweismittel für die zu treffende Entscheidung untauglich ist, wenn es auf die Beweistatsache nach Auffassung des FG nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 76; AO § 164 Abs. 1, § 168; MinöStG 1993 § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb ein Heizkraftwerk, das aus vier Blockheizkraftwerken in Form von Containeraggregaten (Modulen) und drei Heizkesseln bestand. Das Modul 2, in dem durch einen Generator Strom und in das Fernwärmenetz eingespeiste Wärme erzeugt wurde, und die drei Heizkessel wurden mit Erdgas betrieben. Das in den Heizkesseln eingesetzte Erdgas diente ausschließlich der Erzeugung von Warmwasser und Fernwärme. Auf Antrag der Klägerin erlaubte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit Verfügung vom 9. Dezember 2004 mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2001 die Verwendung steuerbegünstigten Erdgases zum Betrieb einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage). Für den Betrieb der Anlage meldete die Klägerin gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) für den Zeitraum Dezember 2002 bis Dezember 2004 Mineralölsteuervergütungen an, die ihr das HZA auch bis Mai 2004 gewährte. Im Rahmen einer 2005 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfungsbeamte fest, dass in Bezug auf den Erdgaseinsatz nur hinsichtlich des Moduls 2, nicht jedoch hinsichtlich der Heizkessel von einer KWK-Anlage ausgegangen werden könne. Das HZA schloss sich dieser Auffassung an und setzte die Vergütung für Dezember 2002, 2003 und 2004 mit Bescheid vom 4. November 2005 entsprechend fest. Zugleich forderte es die für diese Zeiträume ausbezahlten höheren Vergütungsbeträge zurück.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen sei. Das in den Heizkesseln der Klägerin verwendete Erdgas sei nicht in einer KWK-Anlage, sondern ausschließlich zur Wärmeerzeugung verwendet worden. Sollte das Heizkraftwerk zur Versorgung eines bestimmten Gebietes mit Fernwärme ausgelegt sein und würden dafür höhere Temperaturen benötigt, als durch die Auskopplung der erzeugten Wärme zu erreichen seien, würde das hierfür eingesetzte Erdgas lediglich verheizt. Darüber hinaus könnten ausweislich des Prüfungsberichts das Modul 2 und die drei Heizkessel unabhängig voneinander betrieben werden. In der warmen Jahreszeit sei die Anlage nur mit dem Modul 2 und ohne die Heizkessel betrieben worden. Schließlich könne sich die Klägerin nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen. Ein solches habe das HZA durch sein Verhalten nicht begründet. Die Steueranmeldungen der Klägerin stünden gemäß § 168 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und könnten jederzeit geändert werden. Das HZA habe in Bezug auf den Vergütungszeitraum selbst keinerlei Zusagen gemacht. Für die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes seien die behaupteten Äußerungen eines Außenprüfers eines anderen HZA anlässlich einer im Dezember 2001 begonnenen Außenprüfung nicht ausreichend.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und des Vorliegens von Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Entgegen dem Sinn und Zweck des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (gemeint ist wohl das MinöStG 1993) habe das FG die einheitliche KWK-Anlage in einzelne Komponenten aufgeteilt und dabei den Funktionszusammenhang verkannt. Ohne die Heizkessel könne die Anlage nicht betrieben werden. Das Urteil weiche vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. November 2005 VII R 33/05 (BFHE 212, 335) ab, in dem dargelegt worden sei, dass eine Steuerentlastung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG 1993 eine Verbrennung von Mineralöl zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme voraussetze. Dies sei im Streitfall gegeben. Trotz schriftsätzlichen Vorbringens habe das FG bei seiner Entscheidungsfindung den Grundsatz unbeachtet gelassen, dass bei Wegfall der Bereicherung Rückforderungsansprüche auch im öffentlichen Recht ausgeschlossen seien. Ein zusageähnliches Verhalten liege in der Feststellung eines Außenprüfers des HZA, dass es sich um eine KWK-Anlage handle und dass es bei der Vergütung der Mineralölsteuer verbleibe. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die der zuständigen Behörde zur Kenntnis gebrachte Feststellung eines Außenprüfers, dass eine Anlage als eine KWK-Anlage anzuerkennen sei, sowie die nachfolgend antragsgemäße Bearbeitung der Vergütungsanträge einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand begründeten. Dieser Frage sei das FG nicht nachgegangen. Zudem habe es die Entscheidung des FG Köln vom 13. Februar 2003 15 K 600/99 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 810) und die Kommentarliteratur unbeachtet gelassen. Schließlich habe das FG das Angebot für einen Zeugenbeweis nicht angenommen und einen unzutreffenden Sachverhalt unterstellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Mit ihrem Vorbringen, dass das FG den Sinn und Zweck der Förderung von KWK-Anlagen verkannt und das in den Heizkesseln eingesetzte Erdgas zu Unrecht von der nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 MinöStG 1993 gewährten Mineralölsteuerbegünstigung für KWK-Anlagen ausgenommen habe, wirft die Klägerin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, sondern rügt eine ihrer Auffassung nach rechtsfehlerhafte Anwendung und Auslegung der streitentscheidenden Vorschriften. Dies kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen (Senatsbeschluss vom 23. September 2004 VII B 367/03, BFH/NV 2005, 328, m.w.N.). Im Übrigen hängen die Einstufung eines Heizkraftwerks als KWK-Anlage und deren räumliche Abgrenzung von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, so dass sich allgemeingültige Aussagen nicht treffen lassen. Vielmehr ist für jeden Anlagentyp und für jeden Aufbau eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Anlagenbestandteile der KWK-Anlage zugerechnet werden können und in welchem Umfang das in ihnen eingesetzte Mineralöl steuerbegünstigt verwendet werden darf.
2. Eine Zulassung der Revision kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil das erstinstanzliche Urteil von der Entscheidung des Senats in BFHE 212, 335 abweicht. Die behauptete Divergenz liegt nicht vor. In seiner Entscheidung hat der beschließende Senat den Begriff des vergütungsberechtigten Verwenders i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG 1993 näher präzisiert und Personen von einer Vergütungsberechtigung ausgeschlossen, die die von ihnen benötigte Wärme ohne eigenen Mineralöleinsatz lediglich gegen Kostenerstattung von einem anderen Unternehmen beziehen. Aussagen über den Anlagenbegriff sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Ergänzend hat der Senat darauf hingewiesen, dass die in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG 1993 normierte Steuerentlastung davon abhängig ist, dass das Mineralöl verbrannt wird, um Wärme und Kraft zu erzeugen. Einen von diesem Grundsatz abweichenden Rechtssatz hat das FG nicht aufgestellt. Vielmehr hat es diese Voraussetzungen hinsichtlich des Betriebs der Heizkessel nicht als gegeben erachtet.
3. Soweit die Klägerin rügt, dass sich das FG nicht mit dem Einwand auseinandergesetzt habe, dass sie nach § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Rückgewähr der zu Unrecht ausbezahlten Steuerbeträge nicht verpflichtet sei, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Vielmehr liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falls deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 29. November 2005 X S 18/05, BFH/NV 2006, 595, m.w.N.).
4. Auch die weitere von der Klägerin aufgeworfene und nach den Besonderheiten des Streitfalls ausgerichtete Frage, ob der zuständigen Behörde zur Kenntnis gebrachte Feststellungen eines Außenprüfers über die Einstufung einer Anlage als KWK-Anlage und die nachfolgende antragsgemäße Bearbeitung der Vergütungsanträge einen schützenswerten Vertrauenstatbestand begründen --der nach Ansicht der Klägerin eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung trotz des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO ausschließt--, ist einer allgemeingültigen Klärung nicht fähig und damit nicht grundsätzlich bedeutsam. Ob und in welchem Umfang sich ein Steuerpflichtiger gegenüber der Finanzbehörde auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen kann, richtet sich nach den tatsächlichen Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls, so dass die Beurteilung nicht über den konkreten Fall hinausreicht und daher einer Verallgemeinerung nicht zugänglich ist.
Im Übrigen hat das FG seine Entscheidung auch damit begründet, dass die Aussagen eines Außenprüfers eines im Zeitraum des Streitfalls nicht mehr zuständigen HZA ohne Vorliegen besonderer Umstände nicht ausreichen, um das nunmehr zuständige HZA unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rechtlich zu binden. Dazu habe die Klägerin nichts vorgetragen. Der Beschwerdeschrift ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin solche besonderen Umstände tatsächlich vorgetragen und dass das FG dieses Vorbringen verfahrensfehlerhaft nicht zur Kenntnis genommen hat.
5. Sofern die Klägerin eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Entscheidung des FG Köln in EFG 2003, 810, rügt, liegt auch diese behauptete Divergenz nicht vor. Die Möglichkeit, dass ausnahmsweise die Grundsätze von Treu und Glauben einer nachträglichen Änderung einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung entgegenstehen können, hat das FG nicht verkannt und auch keinen Rechtssatz aufgestellt, der eine solche Möglichkeit generell ausschließt. Vielmehr hat das FG den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass ein zusageähnliches Verhalten des HZA im Streitfall nicht vorliegt, so dass von der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes keine Rede sein kann.
6. Soweit die Klägerin eine Verletzung der dem FG obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch Übergehen des Beweisangebots, ihren ehemaligen Prokuristen als Zeugen zu vernehmen, rügt, genügt ihr Vorbringen nicht den Erfordernissen, die gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung eines solchen Verfahrensmangels zu stellen sind. Mit ihrer Beschwerde beanstandet die Klägerin sinngemäß, dass der Prokurist nicht zu dem unter Beweis gestellten Sachverhalt gehört worden sei, nämlich dass das HZA ausweislich des Prüfungsberichts an der im Dezember 2001 begonnenen Außenprüfung beteiligt gewesen sei und dass es aufgrund einer Nachfrage des Prüfers entschieden habe, dass der Klägerin die beantragte Vergütung zustehe. Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung geht indes ein anderes Beweisthema hervor. Danach hat die Klägerin die Vernehmung des präsenten Zeugen für den Beweis der Tatsache beantragt, dass der frühere Prokurist der Klägerin an der Prüfung für den Zeitraum 1. Januar 2000 bis 30. April 2001 überhaupt teilgenommen hat. Aus der Sicht des FG kam es jedoch auf die Teilnahme des früheren Prokuristen an der im Dezember 2001 begonnenen Außenprüfung nicht an. Denn seine Entscheidung hat das FG u.a. darauf gestützt, dass das HZA mangels eigener Beteiligung an der Prüfung keine Zusage habe machen können. Hilfsweise hat das FG das Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt und auch für diesen Fall die Begründung eines Vertrauensschutzes aufgrund der fehlenden Zuständigkeit des Prüfers abgelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH darf ein gestellter Beweisantrag unberücksichtigt bleiben, wenn das angebotene Beweismittel für die zu treffende Entscheidung untauglich ist, wenn es auf die Beweistatsache nach Auffassung des FG nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird (BFH-Urteile vom 15. Mai 1996 X R 252-253/93, BFH/NV 1996, 906, und vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757). In Anbetracht dieser Rechtsprechung und der Ausführungen des FG vermag die Beschwerde nicht substantiiert darzulegen, dass das FG den Beweisantrag verfahrensfehlerhaft übergangen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2146989 |
BFH/NV 2009, 970 |