Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfeantrag durch nicht vertretenen Antragsteller
Leitsatz (NV)
1. Dem nicht gemäß Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlG vertretenen Antragsteller, der Prozeßkostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, ist zumutbar, innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Zulassungsgründe - wenigstens laienhaft - darzulegen oder zu bezeichnen.
2. Das Finanzgericht hat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht verletzt, wenn dieser erstmals im Prozeßkostenhilfeverfahren vor dem Bundesfinanzhof vorträgt, er habe kein Geld gehabt, um beim Finanzgericht Akten einzusehen und an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2, § 142; ZPO § 114
Tatbestand
Das FG wies die Restitutionsklage des Klägers und Antragstellers (Antragsteller) gegen rechtskräftige, die jeweiligen Klagen abweisende Urteile als unzulässig ab.
Der Antragsteller legte selbst mit einem bei dem FG am 20. Februar 1989 eingegangenen Schriftsatz u. a. Beschwerde ein und beantragte, die Revision zuzulassen. Außerdem begehrte er, ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihm einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte der Antragsteller zusammen mit einem Schriftsatz vom 28. April 1989 am 2. Mai 1989 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Der Antragsteller will Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) rügen. Er sieht Verfahrensmängel in der ,,Ungenauigkeit der Durchführung des gesamten Verfahrens" u. a. darin, daß das FG keine Belehrung über die Frist zur Vorlage der Erklärung über die persönlichen Verhältnisse für die Gewährung einer PKH erteilt habe. Er schildert in dem Schriftsatz vom 28. April 1989 seine im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Anträge. In den bezeichneten Schriftsätzen führt er weiter aus, im finanzgerichtlichen Verfahren sei die ,,Aufklärungs-Durchführungs-Pflicht des streitigen gesamten Sachverhalts der Basis-Ursachen-Beweis-Grund-Unterlagen in den Verhandlungen mit Offenlegung der bewußt und vorsätzlichen Unterschlagung der Basis-Beweise zum Betrug in den falschen Entscheidungen durch die Richter zugunsten der Gegenseite verdeckt worden". Unter anderem durch die Pfändung des pfandfreien Betrages der Arbeitslosenhilfe wegen ungerechtfertigter Gerichtskosten habe er die Reisekosten zur Einsicht der Akten auf der Geschäftsstelle des FG und zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht aufbringen können. Der Antragsteller beantragt wiederholt Fristverlängerung, Hinzuziehung von Blatt 89 der Umsatzsteuerakten des Finanzamts und die Anordnung, ihm Akteneinsicht in seine Steuerakten beim FG zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 142 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Antragsteller u. a. PKH und die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten verlangen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
1. Für die von dem Antragsteller selbst erhobene Nichtzulassungsbeschwerde fehlt die Erfolgsaussicht, weil sie unzulässig ist. Vor dem BFH muß sich - wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil hervorgeht - ein Beteiligter grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -). Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Eine nicht von einem Angehörigen der bezeichneten Berufsgruppen als Prozeßbevollmächtigter eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
2. Es besteht auch keine Erfolgsaussicht, wenn der Antragsteller durch eine dazu befugte Person erneut eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das angefochtene Urteil des FG einlegte. Dem Antragsteller wäre keine Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Grundsätzlich wird zwar ein mittelloser Prozeßbeteiligter bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf PKH als verhindert angesehen, fristgerecht Rechtsmittel durch eine dazu nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG befugte Person einzulegen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschluß vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62). Dabei wird aber vorausgesetzt, daß der mittellose Beteiligte innerhalb der Rechtsmittelfrist alles ihm Zumutbare tut, um die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH zu schaffen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschluß vom 3. April 1987 VI B 150/85, BFHE 149, 409, BStBl II 1987, 573, unter II.1).
a) Hierzu gehört, daß er innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde von einem Monat seit Zustellung des Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) das PKH-Gesuch zusammen mit der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO) einreicht (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Oktober 1988 III S 4/88, BFH/NV 1989, 191, unter 2. a) und daß er sein Zulassungsbegehren fristgerecht zumindest in laienhafter Weise substantiiert (BFH-Beschluß vom 20. April 1988 X S 13/87, BFH/NV 1988, 728, unter 2. b).
Beide Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller nicht.
aa) Die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Antragsteller nicht innerhalb der bezeichneten Monatsfrist, sondern erst am 2. Mai 1989 eingereicht.
Die in einem früheren Verfahren mit einem Antrag auf Gewährung von PKH vom 10. April 1987 eingereichte Erklärung wahrt die Frist nicht, weil der Antragsteller nicht auf diese Erklärung Bezug genommen und nicht versichert hat, daß sich an seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zwischenzeitlich nichts geändert hat (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschlüsse vom 27. November 1987 VI S 3/87, BFH/NV 1988, 265; vom 10. Januar 1989 VIII B 93/87, BFH/NV 1989, 452).
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist scheidet aus, weil der Antragsteller die bezeichnete Erklärung nicht innerhalb der für die Wiedereinsetzung bestimmten Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) vorgelegt hat.
An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, daß in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils keine Angaben über die PKH enthalten waren. Eine Belehrung über die PKH für eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem finanzgerichtlichen Urteil ist gesetzlich nicht vorgesehen.
bb) Hinzu kommt, daß der Antragsteller innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) auch keine Zulassungsgründe - wenigstens laienhaft - dargelegt oder bezeichnet hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Erfüllung dieser Anforderungen, auf die in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils deutlich hingewiesen worden ist, ist auch für einen mittellosen Antragsteller zumutbar. Die Mittellosigkeit ist kein Grund, ihn von den Darlegungspflichten i. S. von § 115 Abs. 3 FGO zu entbinden, die andere Beschwerdeführer einhalten müssen.
b) Unabhängig von vorangegangenen Hindernissen ist auch keine Erfolgsaussicht vorhanden, wenn die verspätet gegebene Begründung gewürdigt wird. Der Antragsteller hat keine Verfahrensfehler bezeichnet, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Das rechtliche Gehör des Antragstellers (§ 76 Abs. 1 Satz 2, § 96 Abs. 2 FGO) ist entgegen seinen Darlegungen nicht verletzt worden. Das FG hat über den Antrag auf Ablehnung der Berufsrichter nicht - wie der Antragsteller vorbringt - erst mit der Hauptsache, sondern ausweislich der Sitzungsniederschrift über die Sitzung vom 14. Dezember 1988 vor dem Vortrag des Berichterstatters in der Hauptsache durch einen in der Sitzung verkündeten und begründeten Beschluß entschieden.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder anderer Verfahrensvorschriften liegt auch nicht in der angeblich verweigerten Akteneinsicht (§ 78 FGO). Die Akteneinsicht war dem Antragsteller beim erkennenden FG möglich, worauf dieses ihn schriftlich hingewiesen hatte. Wenn der Antragsteller erstmals im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vorträgt, er habe kein Geld gehabt, um zum FG zu fahren und dort seine Steuerakten einzusehen und an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, kann dies keinen Mangel des finanzgerichtlichen Verfahrens begründen. Der Antragsteller hat versäumt, einen Antrag auf Bewilligung einer Reiseentschädigung zu stellen. Eine solche Entschädigung wird in entsprechender Anwendung der §§ 114, 122 ZPO, § 142 FGO gewährt, wenn die Reise zur Rechtsverfolgung notwendig ist und der Antragsteller nicht über die dafür erforderlichen Mittel verfügt (vgl. dazu Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. März 1975 IV AZR (VZ) 29/74, BGHZ 64, 139; Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Stuttgart vom 5. Juni 1985 8 WE 70/84, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1985, 852; Zöller, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 122 Rdnr. 39).
Der allgemeine Hinweis des Antragstellers auf eine Verletzung der sog. ,,Aufklärungs- und Durchführungspflicht für den gesamten Sachverhalt" enthält keine Bezeichnung eines Verfahrensmangels i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der Antragsteller hätte zumindest laienhaft darlegen müssen, welche konkreten Pflichtverletzungen begangen worden sind und welches Verfahrensergebnis ohne derartige Verstöße erreicht worden wäre. Mit allgemeinen Verdächtigungen kann ein mittelloser Antragsteller Erfolgsaussichten für die Zulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil nicht erreichen.
3. Die Anträge des Antragstellers auf weitere Fristverlängerung ,,vorerst" bis 15. November 1989 und auf Akteneinsicht (§ 78 FGO) sind abzulehnen.
Die von dem Antragsteller beantragte Fristverlängerung bis 30. April 1989 und bis 15. August 1989 ist jeweils stillschweigend gewährt worden. Gründe, die den Antragsteller gehindert haben, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils darzulegenden und zu bezeichnenden Zulassungsvoraussetzungen für eine Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren über die Gewährung von PKH nicht bereits vollständig vorzubringen, sind nicht ersichtlich. Dem Antrag auf Akteneinsicht war nicht zu entsprechen, weil nicht erkennbar ist, welche Umstände aus den Steuerakten für die im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Erfolgsaussichten für die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers von Bedeutung sein könnten.
Fundstellen