Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Empfängerbenennung bei Leistungen an ausländische Domizilgesellschaften
Leitsatz (NV)
Das BFH-Urteil vom 10. November 1998 I R 108/97 (BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121) enthält nicht den Rechtssatz, die Aufforderung des Finanzamts an den Steuerpflichtigen, den Empfänger von Zahlungen an eine in Liechtenstein ansässige Domizilgesellschaft zu benennen, sei nur dann nicht ermessenfehlerhaft, wenn für den Steuerpflichtigen bei vernünftiger Beurteilung der Umstände erkennbar geworden sei, dass die von der Domizilgesellschaft angebotene Leistung nicht von deren Personal erbracht werden könne und aus diesem Grund von der Einschaltung inländischer Leistungsträger auszugehen sei.
Normenkette
AO 1977 § 160
Gründe
Von einer Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (Divergenz, § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―)
Nach übereinstimmender Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte muss der Beschwerdeführer zur Darlegung einer Divergenz dartun, dass das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. In der Beschwerdebegründung müssen abstrakte Rechtssätze des BFH so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 63, m.w.N.). Die Behauptung, der Streitfall und der Sachverhalt der angeblichen Divergenzentscheidung seien gleich gelagert, genügt für eine schlüssige Divergenzrüge nicht (BFH-Beschluss vom 24. März 1995 V B 100/94, BFH/NV 1995, 908).
Das Vorbringen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) genügt nicht diesen Anforderungen.
a) Die Klägerin leitet aus dem BFH-Urteil vom 10. November 1998 I R 108/97 (BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121) den Rechtssatz ab, die Aufforderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) an den Steuerpflichtigen, den Empfänger von Zahlungen an eine in Liechtenstein ansässige Domizilgesellschaft zu benennen, sei nur dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn für den Steuerpflichtigen bei vernünftiger Beurteilung der Umstände erkennbar geworden sei, dass die von der Domizilgesellschaft angebotene Leistung nicht von deren Personal erbracht werden könne und aus diesem Grund von der Einschaltung inländischer Leistungsträger auszugehen sei.
Diesen Rechtssatz enthält das BFH-Urteil in BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121 indessen nicht. Es fehlt dort das entscheidende Wort "nur". Der Fall, dass die von der Domizilgesellschaft angebotene Leistung nicht von deren Personal erbracht werden kann und aus diesem Grund von der Einschaltung inländischer Leistungsträger auszugehen ist, ist lediglich einer von mehreren denkbaren Fällen, in denen mit der Bezeichnung der Domizilgesellschaft der Empfänger i.S. des § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht ausreichend benannt ist. Bei Zahlungen an ausländische Domizilgesellschaften ist der Zweck des § 160 AO 1977 erst erreicht, wenn sichergestellt ist, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen im Inland nicht steuerpflichtig ist oder seine steuerlichen Pflichten erfüllt hat (Senatsurteil vom 15. Oktober 1998 IV R 8/98, BFHE 187, 201, BStBl II 1999, 333, m.w.N.). Der BFH wollte in dem angeblichen Divergenzurteil nur zum Ausdruck bringen, dass es Fälle gibt, in denen die Benennung der Anteilseigner der Domizilgesellschaft nicht genügt, weil es Anhaltspunkte für die Weiterleitung an andere, an der Domizilgesellschaft nicht beteiligte Personen gibt.
Im Streitfall sind jedoch nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) die Anteilseigner der lichtensteinischen Gesellschaften F und D nicht benannt worden, so dass die Frage, unter welchen Umständen außer den Anteilseignern (oder an deren Stelle) die Benennung von Dritten (den tatsächlichen Erbringern der Leistungen) gefordert werden kann, keine Rolle spielt.
Zudem hat das FG seine Entscheidung primär auf einen anderen Gesichtspunkt gestützt. Nach seiner Auffassung sprachen die Umstände dafür, dass die angeblichen Provisionen wieder an die Klägerin oder deren Hauptgesellschafter zurückgeflossen seien. Das FG hat dies insbesondere daraus geschlossen, dass praktisch gleichzeitig mit der Zahlung der ersten "Provision" dem Hauptgesellschafter der Klägerin von der D ein Darlehen gewährt wurde, dessen Höhe ungefähr den insgesamt gezahlten "Provisionen" entsprach. Unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1. Juni 1994 X R 73/91 (BFH/NV 1995, 2) ist das FG davon ausgegangen, dass in einem solchen Fall unter verstärkter Mitwirkung des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 AO 1977) zu prüfen sei, ob ausgeschlossen werden könne, dass sich der Steuerpflichtige selbst hinter der Domizilgesellschaft verberge. Die Folgen der Unaufklärbarkeit gingen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Das Urteil des FG beruht darauf, dass das FG den Verdacht des Rückflusses der Provisionen in Form der angeblichen Darlehensvaluta nicht für ausgeräumt hielt.
Ob das FG dabei ―wie die Klägerin vorträgt― den Streitstoff unzutreffend gewürdigt hat, kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden. Eine derartige Überprüfung ist allenfalls im Rahmen der zugelassenen Revision und auch dort nur in eng begrenztem Umfang möglich (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 28 f.).
b) Die Rüge der Abweichung vom BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 10/98 (BFHE 188, 280, BStBl II 1999, 434) im Schriftsatz vom 5. August 1999 ist verspätet. Zwar ist das Urteil erst nach Ablauf der Beschwerdefrist (19. März 1999) bekannt geworden. Auf dem Rechtssatz, von dem das FG nach Auffassung der Klägerin abgewichen ist (zweistufige Ermessensausübung), beruhen jedoch ―wie die Zitate in dem angeblichen Divergenzurteil ausweisen― zahlreiche vorangegangene BFH-Entscheidungen. Abgesehen davon ist auch hier zu beachten, dass das FG seine Entscheidung nicht nur auf das Fehlen der Empfängerbenennung (§ 160 AO 1977), sondern vor allem auf die Vermutung der Rückleitung angeblicher Betriebsausgaben an die Klägerin oder ihren Hauptgesellschafter gestützt hat.
2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Hierzu sind insbesondere Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschluss vom 21. November 1989 VII S 10/89, BFH/NV 1990, 585, ständige Rechtsprechung; zuletzt BFH-Beschluss vom 25. Mai 1999 V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Die Klägerin bemängelt auch in diesem Zusammenhang vorwiegend falsche Tatsachenwürdigung (hierzu vorstehend unter 1. a). Außerdem macht sie geltend, es liege noch keine BFH-Entscheidung zu einem Fall vor, in dem der Betriebsausgabenabzug von Provisionszahlungen wegen unzureichender Empfängerbenennung versagt worden sei, obwohl der Steuerpflichtige und der Provisionsempfänger versichert hätten, dass deutsche Besteuerungsinteressen nicht verletzt seien. Der Hinweis darauf, dass eine BFH-Entscheidung zu einer Rechtsfrage noch nicht vorliege, ist für sich genommen nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610; vom 17. Juni 1997 VIII B 72/96, BFH/NV 1997, 882; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 62; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 154). Der Hinweis ist auch sachlich unzutreffend. In nahezu jedem einschlägigen Fall, der an den Senat gelangt ist, haben der Steuerpflichtige und der Repräsentant der Domizilgesellschaft sinngemäß versichert, dass deutsche Besteuerungsinteressen nicht verletzt seien.
3. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung betreffen wiederum nur Fragen der Tatsachenwürdigung (s.o. zu 1. a, a.E.).
Im Schriftsatz vom 25. Oktober 1999 trägt die Klägerin vor, das FA behaupte, bei der D handle es sich um eine Domizilgesellschaft, obwohl ―wie erst jetzt bekannt geworden sei― der Steuerfahndungsbeamte Zeuge eines Telefonanrufs gewesen sei, bei dem sich für die D eine Angestellte gemeldet und das Gespräch an einen anderen Mitarbeiter weiterverbunden habe. Damit habe das FA gegen § 88 Abs. 2 AO 1977 verstoßen.
Verfahrensverstöße des FA rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Ein Verfahrensfehler des FG ist nicht in ausreichender Weise dargetan. Nach dem Senatsbeschluss vom 25. August 1986 IV B 76/86 (BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481) darf das FA zur Beurteilung der Frage, ob es sich bei dem Empfänger von angeblichen Betriebsausgaben um eine Domizilgesellschaft handelt, auf die Erkenntnisse des Bundesamtes für Finanzen zurückgreifen (unter II. 2. a, aa der Gründe). Folglich muss auch das FG, wenn es die Ermessensausübung des FA überprüft, zunächst von diesen Erkenntnissen ausgehen. Wenn die Klägerin geltend macht, das FG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Steuerfahndungsstelle über ihre Ermittlungen zur Frage der Domizilgesellschaft zu hören, hätte es der Darlegung bedurft, aus welchem Grund sich dem FG eine solche Anhörung hätte aufdrängen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 424681 |
BFH/NV 2000, 817 |